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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

31. Gute und Böse

Ein Mann hatte zwei Frauen. Jede Frau hatte ein Kind. Beide Kinder waren Jungen. Die eine Frau starb. Die andere Mutter lebte. Sie sorgte für ihren Jungen.

Der Mann hatte eine Farm. In der Farm pflanzte er Efa (eine ganz kleine Ölfrucht, die sehr angenehm schmeckt und im Boden gedeihen soll, gleich der Erdnuß; Haussa Aija; Joruba =Immu). Als die Farm bestellt war, sagte der Mann zu dem Sohn der verstorbenen Frau: "Geh hinaus und achte, daß die Affen nicht an die Efa kommen!" Der Sohn der verstorbenen Frau mußte draußen bleiben und die Affen von der Frucht fernhalten, bis die Frucht reif war. Als die Frucht reif war, kam der Mann wieder heraus und nahm sie aus der Erde.

Die Ernte des Efa wurde von dem Manne eingesammelt; dann rief er den Sohn der verstorbenen Frau auf die Farm hinaus und sagte zu ihm: "Bleibe bei der Ernte! Achte auf die Efa und sorge, daß niemand davon nimmt!" Der Sohn der verstorbenen Mutter mußte auf der Farm bei der Efaernte bleiben. Nach einiger Zeit kam auch die andere Frau seines Vaters zur Farm heraus. Sie zählte alle Efakörner (sie sind stecknadelgroß) und sagte dann zu dem Sohne der verstorbenen Frau: "Ich habe alle Efakörner gezählt. Sorge, daß kein Korn wegkommt. Dein Vater hat es dir schon gesagt. Nun weißt du Bescheid!" Der Sohn der verstorbenen Frau blieb auf der Farm.

Nach einiger Zeit kam ein Madugu an der Farm vorbei. Der Madugu sagte: "Gib mir einige Efakörner. Ich habe solchen Hunger!" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Nein, ich kann dir nichts geben. Mein Vater sagte mir, ich dürfe niemand davon geben. Die andere Frau meines Vaters kam auf die Farm heraus und sagte, ich dürfe nichts geben. Die andere Frau meines Vaters hat das Korn gezählt, Ich darf nichts geben!" Der Madugu ging weiter.

Nach einiger Zeit kam Baiji (eine halb mythische Figur, gedacht als sehr wohlhabend und schicksalsbestimmend) vorbei. Baiji sagte zu dem Sohne der verstorbenen Frau: "Gib mir einige Efakörner. Ich habe solchen Hunger!" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Nein, ich kann dir nichts geben. Mein Vater sagte mir, ich dürfe niemand davon geben. Die andere Frau meines Vaters kam auf die Farm heraus und sagte, ich dürfe nichts geben. Die andere Frau meines Vaters hat das Korn gezählt. Ich darf nichts geben."Baiji



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sagte: "Ich bitte dich, gib mir einige Efakörner! Ich habe jetzt großen Hunger!" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Du bist ein großer Herr. Aber ich kann dir nicht mehr geben, als zwei Körner. Auch dieser wegen werde ich mit meinem Vater und der anderen Frau meines Vaters zu rechnen haben!"Baiji sagte: "Es ist für meinen Hunger nicht genug! Gib mir wenigstens 10 Körner!" Der Sohn der verstorbenen Frau gab Baiji 10 Körner. Baiji ging.

Nach einiger Zeit kam die andere Frau des Mannes auf die Farm, in der der Sohn der verstorbenen Frau die Efakörner bewachte. Die Frau begann die Efakörner zu zählen. Die Frau zählte alle Efakörner durch, dann sagte sie zu dem Sohne der verstorbenen Frau: "Die Zahl der Efakörner ist nicht richtig! Es fehlen Efakörner!" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Ja, es fehlen 10 Efakörner; ich gab sie Baiji. Baiji hatte großen Hunger. Er bat mich sehr darum." Die andere Frau des Mannes sagte: "Dein Vater hat dir gesagt: ,Sorge, daß niemand davon nimmt!' Ich bin herausgekommen, habe alles nachgezahlt und habe dich ermahnt. Ich sagte dir: ,Du weißt Bescheid.' Nun hast du doch von den Efafrüchten 10 Stück weggegeben. Ich muß es deinem Vater sagen."

Die andere Frau des Mannes ging fort. Sie ging nach Hause. Sie sagte zu ihrem Manne: "Hast du nicht den Sohn der verstorbenen Frau als Wächter auf die Efafarm gestellt? Hast du nicht den Sohn der verstorbenen Frau ermahnt, nichts davon fortkommen zulassen? Glaubst du wohl, daß er gehorcht hat? Hat er nicht dem Baiji ein gut Teil geschenkt? Wird er nicht noch alles weggeben, was uns gehört ?" Der Mann lief zu der Farm hinaus. Er sagte zu dem Sohne der verstorbenen Frau: "Habe ich dich nicht als Wächter auf die Farm gestellt? Habe ich dich nicht ermahnt, nichts von dem Efa fortkommen zu lassen? Hast du dem Baiji davon geschenkt?" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Ja, ich habe dem Baiji davon gegeben." Der Mann schlug auf den Sohn der verstorbenen Frau mit einem Stock. Der Sohn der verstorbenen Frau weinte und sagte: "Ich habe dem Baiji nur 10 Efakörner geschenkt! Er hatte großen Hunger!" Der Mann jagte den Sohn der verstorbenen Frau von der Farm und sagte: "Dann laufe zum Baiji und laß dir die 10 Efakörner wiedergeben!" Der Sohn der verstorbenen Frau lief fort. Der Vater warf den Stock weg und ging nach Hause.

Der Sohn der verstorbenen Frau lief auf dem Wege zum Baiji von dannen. Er kam zu den Numbere (rote Ameisen; Haussa =Korrokoassa; Joruba =Eru). Die Numbere sagten: "Wir wollen dich



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schlagen." Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Schlagt mich nicht! Ich will zum Baiji!" Da zeigten die Numbere dem Sohn der verstorbenen Frau den Weg.

Der Sohn der verstorbenen Frau lief auf dem Wege zum Baiji weiter. Er kam in das Land der Sagin-Sagi (Menschenfresser; Haussa =angeblich Muntschi, Plur. Sumuntschi; Joruba =Adjenja, Plur. Auwadjenja). Die Sagin-Sagi sagten: "Wir wollen dich totschlagen und essen!" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Schlagt mich nicht tot! Ich will zum Baiji!" Da zeigten die Sagin-Sagi dem Sohn der verstorbenen Frau den Weg.

Der Sohn der verstorbenen Frau lief weiter auf dem Wege zum Baiji. Er kam in das Land der Itiko (Dickköpfe; Haussa = Babankai; Joruba =Irrinla). Die Itiko sagten: "Wir wollen dich totschlagen und essen!" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Schlagt mich nicht tot! Ich will zum Baiji!" Da zeigten die Itiko dem Sohn der verstorbenen Frau den Weg.

Der Sohn der verstorbenen Frau lief weiter auf dem Wege zum Baiji. Er kam in das Land der Ewoako (Riesenschlange; Haussa = Mesa; Joruba = Edjola). Die Ewoako sagte: "Ich will dich erdrücken und verschlingen!" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Drücke mich nicht tot! Ich will zum Baiji!" Da zeigte die Ewoako dem Sohn der verstorbenen Frau den Weg.

Der Sohn der verstorbenen Frau kam in Baijis Land. Er kam an einen Fluß. An dem Fluß waren sieben Frauen. Sie hatten Wasser in ihre Krüge geschöpft und wollten nun nach Hause gehen. Sechs der Frauen hatten die Krüge auf dem Kopf. Sie gingen. Die siebente Frau hatte niemand, der ihr half. Der Sohn der verstorbenen Frau sah es. Er kam herbei und half der siebenten Frau den Wasserkrug auf den Kopf. Die siebente Frau fragte ihn: "Wo willst du hin?" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Ich will zum Baiji!"

Die siebente Frau sagte: "Wenn du zum Baiji willst, so mußt du von den sieben geteilten Wegen jenen nehmen. Wenn du vom Baiji etwas verlangen willst, mußt du vieles lassen. Baiji hat ein goldenes Bett. Du darfst dich nie auf das goldene Bett legen. Baiji hat einen Edo (Speichertopf) mit Fleisch. Du darfst nie von dem Fleisch daraus essen. Baiji hat einen Edo voll Milch. Du darfst nie von der Milch daraus trinken. Baiji hat einen Edo von Guineakorn. Du darfst nicht von dem Guineakorn daraus essen. Baiji hat einen Edo voll Honig. Du darfst nie von dem Honig daraus essen. Baiji wird dir Silber geben. Nimm es nicht."



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Die siebente Frau ging. Der Sohn der verstorbenen Frau lief weiter auf dem Wege zu Baijis Gehöft. Der Sohn der verstorbenen Frau kam an das Gehöft Baijis. Der Sohn der verstorbenen Frau fragte: "Wohnt hier Baiji ?" Die Leute sagten: "Ja, hier wohnt Baiji. Aber Baiji ist nicht daheim. Baiji ist vor die Tore seiner Stadt geritten." Der Sohn der verstorbenen Frau setzte sich vor die Türe der Katamba und wartete.

Baiji kam nach Hause. Baiji fragte: "Was ist das für ein Junge, der draußen vor meiner Katamba liegt ?" Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Du kamst auf meines Vaters Farm. Auf meines Vaters Farm lag das Efa. Ich sollte das Efa bewachen. Mein Vater hatte mir gesagt, ich solle darauf achten, daß nichts fortkomme. Die andere Frau meines Vaters hatte die Efakörner gezählt. Du kamst. Du batest mich um Efakörner. Ich gab dir zwei. Du verlangtest mehr. Ich gab dir zehn. Die andere Frau meines Vaters kam auf die Farm. Sie zählte die Efakörner. Sie sah, daß zehn Efakörner fehlten. Sie sagte es meinem Vater. Mein Vater kam auf die Farm. Mein Vater schlug mich. Mein Vater jagte mich fort und sagte: ,Laufe zum Baiji und hole die zehn Efakörner!' Ich bin durch das Land der Numbere gelaufen. Sie haben mir nichts getan. Ich bin durch das Land der Sagin-Sagi gelaufen. Sie haben mir nichts getan. Ich bin durch das Land der Itiko gelaufen. Sie haben mir nichts getan. Ich bin durch das Land der Ewoako gelaufen. Sie hat mir nichts getan. Ich bin zu dir gekommen. Ich bin hier und bitte dich, daß du mir die zehn Efakörner wiedergibst."

Baiji sagte: "Es ist gut!"Baiji ließ dem Sohn der verstorbenen Frau einen Raum geben. Der Sohn der verstorbenen Frau kam in den Raum. Es stand das goldene Bett darin. Der Sohn der verstorbenen Frau legte sich auf die Erde. Nachts erhob sich Baiji und kam zu dem Sohn der verstorbenen Frau herüber. Der Sohn der verstorbenen Frau lag nicht auf dem goldenen Bett. Er lag auf dem Erdboden. Baiji ging wieder fort.

Am anderen Morgen rief Baiji seine Leute und sagte: "Macht eine gute Speise von Guineakorn und Fleisch aus meinem Edo. Macht auch eine einfache Reisspeise. Setzt alles dem Sohn der verstorbenen Frau hinein. Sagt mir, Leute, abends, was er gegessen hat." Die Leute bereiteten die Speisen und setzten sie dann dem Sohn der verstorbenen Frau hinein. Der Sohn der verstorbenen Frau hob den ersten Deckel auf; es war Fleisch darunter. Der Sohn der verstorbenen Frau hob den zweiten Deckel auf; es war Speise aus Sorghummehl



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darin. Der Sohn der verstorbenen Frau hob den dritten Deckel auf; es war Reis darin. Der Sohn der verstorbenen Frau aß den Reis. Die Leute kamen zu Baiji und sagten: "Der Sohn der verstorbenen Frau hat nur Reis gegessen."

Der Baiji sagte: "Legt dem Sohn der verstorbenen Frau viel Silber in den Raum. Sagt mir nachher, ob er davon genommen hat. Sagt mir, ob er aus meinem Edo mit Milch oder aus meinem Edo mit Honig genommen hat." Die Leute legten dem Sohn der verstorbenen Frau viel Silber in den Raum. Der Sohn der verstorbenen Frau rückte beiseite. Der Sohn der verstorbenen Frau stand auf und ging heraus. Er kam heraus und kam in einen anderen Raum, in dem stand ein großer Edo. Der Edo war voller Milch. Da ging der Sohn der verstorbenen Frau heraus. Er kam heraus und kam in einen anderen Raum, in dem stand ein großer Edo. Der Edo war voller Honig. Da ging der Sohn der verstorbenen Frau heraus und setzte sich auf die Schwelle des Hauses.

Die Leute kamen zum Baiji und sagten: "Der Sohn der verstorbenen Frau hat das Silber nicht genommen. Er ist weggerückt, aufgestanden und herausgegangen. Er ist an dem Edo voll Milch vorbeigegangen und hat nichts genommen. Er ist an dem Edo voll Honig vorbeigegangen und hat nichts genommen. Er hat sich auf die Schwelle des Hauses gesetzt."Baiji ließ den Sohn der verstorbenen Frau rufen und sagte zu ihm: "Ich sehe, daß du ein guter Bursche bist. Du kannst morgen wieder nach Hause gehen. Ich werde dir einige Geschenke mitgeben. Geh jetzt schlafen." Der Sohn der verstorbenen Frau ging in seinen Raum und legte sich neben dem goldenen Bett auf den Boden.

Am anderen Morgen sagte Baiji: "Ruft mir den Sohn der verstorbenen Frau!" Die Leute brachten den Sohn der verstorbenen Frau. Er kam. Baiji gab ihm drei geschlossene Kürbisse und sagte: "Geh nach Hause zurück und nimm diese drei Kürbisse mit dir. Wenn du aus meinem Lande heraus und in den Busch gekommen bist, öffne den ersten. Wenn du mitten im Busch bist, zerbrich den zweiten. Wenn du nahe der Stadt bist, in der dein Vater lebt, zerbrich den dritten. Nun geh!"

Der Sohn der verstorbenen Frau nahm die drei Kürbisse und ging heimwärts. Nachdem er aus dem Lande Baijis herausgekommen war, kam er in den Busch. Er sagte: "Hier soll ich den ersten Kürbis zerbrechen." Er nahm den ersten Kürbis und zerbrach ihn. Der Kürbis öffnete sich und heraus kamen Kühe und Rinder, immer



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mehr und mehr, bis zuletzt alles Land, soweit wie von Bida bis zum Niger, mit Kühen und Ochsen angefüllt war. Alle diese Kühe und Ochsen gehörten dem Sohne der verstorbenen Frau.

Der Sohn der verstorbenen Frau ging mit seinen Kühen und Ochsen und mit den anderen beiden Kürbissen heimwärts. Als er mitten im Busch, zwischen dem Lande Baijis und dem Orte seines Vaters angekommen war, sagte er: "Hier soll ich den zweiten Kürbis zerbrechen!"

Er nahm den zweiten Kürbis und zerbrach ihn. Heraus kamen Sklaven und wieder Sklaven. Die Sklaven trieben Esel vor sich her. Die Esel waren beladen. In den Esellasten waren Perlen und Kleider. Es kamen immer noch Sklaven und Esel heraus, so daß sie den ganzen Busch anfüllten. Alle diese Sklaven und Esel mit den Lasten gehörten dem Sohn der verstorbenen Frau.

Der Sohn der verstorbenen Frau zog mit all den Kühen und Rindern, mit allen Sklaven und Eseln und mit dem letzten Kürbis heimwärts. Als er nahe der Stadt, in der sein Vater lebte, angekommen war, sagte er: "Hier soll ich wohl den dritten Kürbis zerbrechen!" Er nahm den dritten Kürbis und zerbrach ihn. Heraus kamen Reiter und wieder Reiter, Trommler und wieder Trommler, Posaunenbläser und wieder Posaunenbläser. Es kamen Pferde und Menschen, Reiter und Soldaten heraus, bis das ganze Land weithin bedeckt war. Alle diese Soldaten und Reiter und Trommler und Posaunenbläser gehörten dem Sohn der verstorbenen Frau.

Die Leute in den Farmen und in der Stadt schrien: "Es kommt ein anderer König!" Die Leute liefen in das Gehöft des Königs und sagten: "Es kommt ein anderer König. Der andere König kommt mit vielen Reitern und Trommlern und Posaunenbläsern und Soldaten. Er hat große Herden von Rindvieh bei sich und viele Sklaven und beladene Esel!" Der König der Stadt sagte: "Ich will diesem König entgegenreiten." Der König ließ alle Pferde bringen. Wer ein Pferd hatte, ritt mit dem König vor die Stadt. Die ganze Ebene war angefüllt mit den Reitern und Soldaten des Sohnes der verstorbenen Frau. Dahinter kamen die Sklaven mit den beladenen Eseln und dahinter die Rinderherden.

Als der König neben dem Sohne der verstorbenen Frau angekommen war, sah er alle diese Menschen. Da stieg er vom Pferd und begrüßte den Sohn der verstorbenen Frau. Er warf sich vor ihm auf die Erde. Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Ich will mit meinen Leuten und Tieren draußen vor den Toren deiner Stadt, auf



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der anderen Seite des Baches bleiben. Sende mir den Mann mit den zwei Frauen, von denen die eine gestorben ist, heraus." Der König der Stadt sagte: "Der Mann mit den zwei Frauen hat so viel geweint, daß er blind geworden ist. Er hat den Sohn der verstorbenen Frau weggejagt, daß er zu Baiji gehe und von Baiji zehn Efakörner hole. Der Sohn der verstorbenen Frau ist vier Monate fort und nicht wiedergekommen. Nun weint er alle Tage."

Sieben Tage blieb der Sohn der verstorbenen Frau vor der Stadt liegen. Dann sandte er zu dem König und sagte: "Jetzt soll der Mann der zwei Frauen kommen, ob er sehen kann oder nicht." Der König sagte: "Er kann nicht sehen, aber ich will ihn senden." Der Mann der zwei Frauen kam. Er konnte nicht sehen. Ein Mann führte ihn. Der Mann der zwei Frauen warf sich vor dem Sohne der verstorbenen Frau auf die Erde. Der Sohn der verstorbenen Frau fragte ihn: "Was fehlt dir?" Der Mann der zwei Frauen sagte: "Ich habe meinen Sohn weggejagt, weil er Baiji zehn Efakörner geschenkt hat. Er ist seit vier Monaten fort und kommt nicht wieder. Ich muß so weinen, daß ich nicht sehen kann." Der Sohn der verstorbenen Frau ließ eine Suppe bereiten und viel Pfeffer hineintun. Er gab die Suppe dem Mann der zwei Frauen. Der Mann der zwei Frauen aß die Suppe. Der Pfeffer in der Suppe machte aber, daß der Mann wieder sehen konnte. Der Mann der zwei Frauen sah auf. Er sah den Sohn der verstorbenen Frau und rief: "Bist du nicht der Bursche, den ich vor vier Monaten weggejagt habe? Bist du nicht der Sohn meiner verstorbenen Frau? Bist du nicht mein Sohn?" Der Vater fiel vor dem Sohne seiner verstorbenen Frau auf die Knie und weinte.

Der Sohn der verstorbenen Frau führte seinen Vater heraus. Er zeigte ihm alle seine Reiter und Trommler und Posaunenbläser und Soldaten. Er zeigte ihm seine Esel und Esellasten und Sklaven. Er zeigte ihm seine Rinder und Kühe. Der Sohn der verstorbenen Frau sagte: "Dies alles gehört mir. Ich werde hier eine eigene Stadt bauen." Der Sohn der verstorbenen Frau baute die Stadt. Es kamen mehr und mehr Leute zu ihm. Er wurde ein großer König.

Die lebende Frau des Mannes der zwei Frauen sah all den Reichtum des Sohnes der verstorbenen Frau. Die lebende Frau sagte zu ihrem Sohne: "Der Sohn der verstorbenen Frau ist reich geworden, weil der Vater ihn zu Baiji verjagt hat. Ich werde den Vater bitten, daß er dich auch zu Baiji verjagt, damit du auch reich und ein großer König wirst." Die lebende Frau ging zu ihrem Manne und sagte: "Der Sohn deiner verstorbenen Frau ist bei Baiji ein ausgezeichneter



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Mann geworden. Mein Sohn taugt gar nichts. Jage meinen Sohn auch zu Baiji, damit der ihn auch zu einem ordentlichen Mann macht." Der Vater sagte: "Du hast recht. Dein Sohn taugt nichts. Ich werde ihn wegjagen." Der Vater nahm einen Stock, ging zu dem Sohn der lebenden Frau und sagte: "Lauf zu Baiji!" Der Sohn der lebenden Frau sprang auf und lief fort.

Der Sohn der lebenden Frau lief auf dem Wege zu Baiji von dannen. Er kam zu den Numbere. Die Numbere sagten: "Wir wollen dich schlagen. Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Schlagt mich nicht, ich will zu Baiji." Da zeigten die Numbere dem Sohn der lebenden Frau den Weg.

Der Sohn der lebenden Frau lief auf dem Wege zu Baiji weiter. Er kam in das Land der Sagin-Sagi. Die Sagin-Sagi sagten: "Wir wollen dich totschlagen und essen." Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Schlagt mich nicht tot. Ich will zu Baiji." Da zeigten die Sagin-Sagi dem Sohn der lebenden Frau den Weg.

Der Sohn der lebenden Frau lief auf dem Wege zu Baiji weiter. Er kam in das Land der Itiko. Die Itiko sagten: "Wir wollen dich totschlagen und essen." Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Schlagt mich nicht tot, ich will zu Baiji." Da zeigten die Itiko dem Sohne der lebenden Frau den Weg.

Der Sohn der lebenden Frau lief weiter auf dem Wege zu Baiji. Er kam in das Land der Ewoako. Die Ewoako sagte: "Ich will dich erdrücken und verschlingen." Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Drück mich nicht tot. Ich will zu Baiji." Da zeigte die Ewoako dem Sohn der lebenden Frau den Weg.

Der Sohn der lebenden Frau kam in Baijis Land. Er kam an einen Fluß. An dem Fluß waren sieben Frauen. Sie hatten Wasser in ihre Krüge geschöpft und wollten nun nach Hause gehen. Sechs der Frauen hatten die Krüge auf dem Kopf. Sie gingen. Die siebente Frau hatte niemand, der ihr half. Der Sohn der lebenden Frau sah es. Er ging vorüber. Die Frau lief ihm nach: "Hilf mir, bitte!" Der Sohn der lebenden Frau wandte sich gar nicht um. Er ging weiter.

Der Sohn der lebenden Frau kam an das Gehöft Baijis. Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Wohnt hier Baiji ?" Die Leute sagten: "Ja, hier wohnt Baiji. Aber Baiji ist nicht daheim. Baiji ist ausgeritten. Baiji ist vor das Tor der Stadt geritten." Der Sohn der lebenden Frau legte sich in der Katamba auf Baijis Matte und wartete.



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Baiji kam nach Hause. Baiji fragte: "Was ist das für ein Junge, der in meiner Katamba auf meiner Matte liegt?" Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Gib mir viele Rinder und Sklaven und bepackte Esel und Soldaten und Reiter und Trommler und Posaunenbläser, wie dem Sohn der verstorbenen Frau meines Vaters. Ich will reich werden."Baiji sagte: "Es ist gut." Baiji ließ dem Sohn der lebenden Frau einen Raum geben. Es stand das goldene Bett darin. Der Sohn der lebenden Frau legte sich auf das goldene Bett. Nachts erhob sich Baiji und kam zu dem Sohn der lebenden Frau herüber. Der Sohn der lebenden Frau lag auf dem goldenen Bett. Baiji ging wieder fort.

Am anderen Morgen rief Baiji seine Leute und sagte: "Macht eine gute Speise aus Guineakorn und Fleisch aus meinem Edo. Macht auch eine einfache Reisspeise. Setzt alles dem Sohne der lebenden Frau herein. Sagt mir nur heute abend, was er gegessen hat." Die Leute bereiteten die Speisen und setzten sie dem Sohne der lebenden Frau hinein. Der Sohn der lebenden Frau hob den ersten Deckel auf; es war Fleisch darunter. Der Sohn der lebenden Frau hob den zweiten Deckel auf; es war Speise aus Sorghummehl darin. Der Sohn der lebenden Frau hob den dritten Deckel auf; es war Reis darin. Der Sohn der lebenden Frau schob den Reis beiseite. Er griff in die Schüssel mit Fleisch; er griff in die Schüssel mit Guineakorn. Er aß Fleisch und Mehlspeise auf. Die Leute nahmen den Reis wieder mit. Die Leute gingen zu Baiji und sagten: "Der Sohn der lebenden Frau hat den Reis übriggelassen und alles andere gegessen."

Baiji sagte: "Legt dem Sohn der lebenden Frau ein wenig Silber in den Raum. Sagt mir nachher, ob er davon genommen hat. Sagt mir nachher auch, ob er aus meinem Edo mit Milch und aus meinem Edo mit Honig gegessen hat." Die Leute legten dem Sohne der lebenden Frau ein wenig Silber in den Raum. Der Sohn der lebenden Frau nahm es und steckte es in die Tasche. Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Ich dachte, Baiji wäre sehr reich. Ich dachte, Baiji gäbe gleich viel." Der Sohn der lebenden Frau ging in einen anderen Raum, in dem stand ein großer Edo. Der Edo war voller Milch. Der Sohn der lebenden Frau nahm eine Kalebasse, schöpfte und trank; er schöpfte und trank; er schöpfte und trank. Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Ich werde sehen, was sonst noch in diesem Hause ist." Er ging in einen anderen Raum, in dem stand ein großer Edo. Der Edo war voller Honig. Der Sohn der lebenden Frau fuhr mit der Hand hinein, zog sie heraus und leckte die Finger ab; er zog sie



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heraus und leckte die Finger ab. Dann ging er wieder in den Raum, in dem das goldene Bett stand. Er warf sich auf das goldene Bett und schlief ein.

Die Leute Baijis kamen zu Baiji und sagten: "Der Sohn der lebenden Frau hat das Silber, das wir ihm brachten, in die Tasche gesteckt. Der Sohn der lebenden Frau ist in den Raum gegangen, in dem der Edo mit Milch steht. Er hat davon getrunken. Der Sohn der lebenden Frau ist in den Raum gegangen, in dem der Edo mit Honig steht. Er hat davon genommen. Dann ist er in den Raum zurückgekehrt, in dem das goldene Bett steht. Er hat sich auf das goldene Bett gelegt und schläft wieder." Baiji sagte: "Es ist recht!"

Der Sohn der lebenden Frau erwachte. Er kam zu Baiji und sagte: "Ich will nun bald wieder heimgehen. Bereite die Geschenke vor." Baiji sagte: "Ich sehe, was für ein Bursche du bist. Du kannst morgen mit deinen Geschenken heimkehren. Geh jetzt schlafen." Der Sohn der lebenden Frau ging in seinen Raum und legte sich auf das goldene Bett. Am anderen Morgen kam der Sohn der lebenden Frau wieder zu Baiji. Baiji gab ihm drei geschlossene Kürbisse und sagte: "Geh nach Hause zurück und nimm diese drei Kürbisse mit dir. Wenn du aus meinem Lande heraus und in den Busch gekommen sein wirst, zerbrich den ersten. Wenn du mitten im Busch bist, zerbrich den zweiten. Wenn du nahe der Stadt bist, in der dein Vater wohnt, zerbrich den dritten. Nun geh!"

Der Sohn der lebenden Frau nahm die Kürbisse und ging heimwärts. Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Was wohl in den Kürbissen ist? Weshalb soll ich sie wohl tragen, bis ich aus dem Lande des Baiji heraus bin? Soll ich nicht gleich einen Kürbis zerbrechen?" Der Sohn der lebenden Frau nahm einen Kürbis und zerbrach ihn. Aus dem Kürbis kamen Bienen heraus; immer mehr Bienen. Alle Bienen flogen auf den Sohn der lebenden Frau zu und stachen ihn. Der Sohn der lebenden Frau lief fort. Die Bienen flogen hinter ihm her; sie stachen ihn. Die Bienen jagten den Sohn der lebenden Frau aus dem Lande Baijis. Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Baiji tat das sicher, weil ich den Kürbis in seinem Lande zerbrochen habe."

Der Sohn der lebenden Frau ging weiter. Er kam in den Busch Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Weshalb soll ich mit dem Zerbrechen des zweiten Kürbis warten, bis ich mitten im Busch bin? Wenn ich ihn jetzt schon zerbreche, werde ich ihn nicht mehr zu tragen haben. Ich werde ihn jetzt schon zerbrechen." Der Sohn der lebenden Frau warf den zweiten Kürbis auf die Erde, daß er zerbrach.



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Aus dem Kürbis kamen Frösche und immer mehr Frösche. Alle Frösche hüpften durch den Busch an ein Wasser. Dann hüpften alle Frösche in das Wasser. Der Sohn der lebenden Frau sagte: "Den dritten Kürbis will ich erst zerbrechen, wenn ich vor der Stadt angekommen bin, in der mein Vater und meine Mutter wohnen! Ich will nicht auch noch das verlieren!"

Der Sohn der lebenden Frau ging weiter Er kam durch den Busch. Er ging durch den Busch, bis er bei der Stadt war, in der sein Vater und seine Mutter wohnten. Er rief einen Mann an. Er sagte zu dem Mann: "Geh in die Stadt, in das Gehöft des Mannes der zwei Frauen, dessen einer Sohn ein so großer König geworden ist. Geh zu der lebenden Frau dieses Mannes und sage ihr, ihr Sohn sei mit vielen schönen Sachen wiedergekommen. Sie soll ihm entgegengehen." Der Mann ging. Der Mann rief die Mutter. Die Mutter kam zu ihrem Sohn. Als der Sohn der lebenden Frau seine Mutter sah, zerbrach er den dritten Kürbis. Aus dem Kürbis kamen die Sagin-Sagi (Menschenfresser) heraus. Sie schlugen den Sohn der lebenden Frau und seine Mutter tot und fraßen sie beide auf.

Wenn die Mutter eines Kindes gestorben ist, soll der Vater besser zu ihm sein, als zu den anderen Kindern, die noch Mütter haben.


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