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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

27. Der boshafte Schimpanse

Lubogi (der Iro der Joruba, muß der Schimpanse sein. Wird geschildert als schwarzer, menschengroßer Affe, der aufrecht geht, enorme Kraft hat, Weiber anfällt und beschläft und einsamen Wanderern gelegentlich im Busch den Daumen abbricht usw.) ging im Walde spazieren und sagte: "Heute sollen die Menschen einmal durcheinander kommen." Eine Frau mit einem kleinen Kind ging durch den Busch, um Holz zu schlagen. Der Vater, ein Jäger, war in der Nähe. Die Frau ging zur Seite und legte ihr Kind in das Gras. Sie suchte Holz. Inzwischen kam Lubogi. Lubogi nahm das Kind auf und schwenkte es auf und nieder. Lubogi spielte mit dem Kinde und sang: "Heute werden dich noch dein Vater und deine Mutter töten!" Nach einiger Zeit kam die Mutter und sah ihr Kind in den Händen Lubogis. Sie lief sogleich hin und rief ihren Mann. Sie sagte: "Komm schnell! Jemand stiehlt mein Kind! Komm mit Pfeil und Bogen!" Der Jäger kam mit Pfeil und Bogen. Der Jäger sah sein Kind in den Händen Lubogis. Der Jäger schoß auf Lubogi. Lubogi hielt das Kind vor. Der Jäger traf das Kind. Der Jäger schoß einen zweiten Pfeil auf Lubogi. Lubogi hielt wieder das Kind vor. Der Jäger traf das Kind. Der Jäger schoß einen dritten Pfeil auf Lubogi. Lubogi hielt wieder das Kind vor. Der Jäger traf wieder das Kind. Das Kind starb. Lubogi sagte: "Kleines Kind! Habe ich dir nicht gesagt, daß dich heute noch dein Vater und deine Mutter töten werden?"Lubogi legte das Kind hin und lief in den Wald.

Lubogi lief zu einer Jamsfarm, die einem reichen Bauern gehörte. Er nahm da Jamsknollen und ging weg. Es kam ein Mann, der log und sagte: "Diese Farm gehört mir. Wie kannst du hier Jams nehmen? Wer hat dir den Jams gegeben?"Lubogi sagte: "Lieber Bauer, laß mich nur erst meine zwei Jamsknollen hinlegen. Dann werden wir miteinander ringen, und wenn du mich überwindest, werde ich dir sagen, wer mir die Jamsknollen gegeben hat."Lubogi legte die Jamsknollen hin. Dann focht er mit dem Manne. Er warf den Mann zu Boden. Er nahm ihn; er band ihn; er band ihn an einen Baum. Dann nahm er seine beiden Jamsknollen und ging weiter.

Draußen vor der Farm traf Lubogi auf einen anderen Mann. Das war der reiche Bauer, dem die Farm wirklich gehörte. Der reiche Bauer hatte eine Flinte auf dem Rücken. Der reiche Bauer fragte Lubogi: "Wer hat dir auf meiner Farm den Jams gegeben?"Lubogi sagte: "Auf deiner Farm ist ein Mann, der gab mir den Jams. Der



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verteilt Jams an alle Leute. Sei aber vorsichtig, wenn du da hingehst. Er hat Bogen und Pfeil und hat schon zwei Leute erschossen. Am besten ist es, du schießt ihm gleich in die Beine, dann fällt er hin, und du kannst zu ihm gehen." Der reiche Bauer sagte: "Es ist gut!" Lubogi ging weiter.

Der reiche Bauer ging vorsichtig an den Rand seiner Farm. Er sah den fremden Mann. Er schoß nach ihm. Er schoß ihn tot. Als der Mann hingefallen war, ging er hin und sah nach, wer es sei. Als er sah, wen er erschossen hatte, lief er fort. Lubogi hörte, daß der reiche Bauer geschossen hatte. Er kehrte zurück. Er lief zurück und sah, daß der reiche Bauer fort war. Er ging zu dem Getöteten, hob dessen Kopf auf und lief dann in die Stadt.

Der Getötete war der Sohn des Königs. Lubogi lief zum König und sagte: "Ich traf den reichen Bauer auf dem Wege zu seiner Farm. Er hatte eine Flinte auf dem Rücken und sagte, als ich an ihm vorüberging: ,Nun werde ich ihn festbinden und totschießen, wenn er auch einen mächtigen Vater hat!' Bald nachher hörte ich einen Schuß in der Farm des reichen Bauern fallen. Ich denke, ich muß dir das erzählen." Der König sandte sogleich Leute aus, die den reichen Bauern fangen sollten.

Der reiche Bauer hatte gesehen, daß der Mann, den er getötet hatte, der Sohn des Königs war. Er hatte alle seine Söhne und Hörige und Sklaven versammelt; als die Dogari (Polizisten) kamen, um ihn gefangen zu nehmen, sagte er: "Ich komme allein! Rührt mich nicht an, oder ich lasse euch von meinen Leuten totschlagen!" Dann ging er mit seinen Leuten zum König. Der König sagte: "Dieser Mann da ist der reiche Bauer; aber er hat meinen Sohn totgeschossen, und nun will ich ihn auch töten." Der reiche Bauer sagte: "Das hat alles der Lubogi angerichtet!" Lubogi sagte zum König: "Ich habe euch alles gesagt, was Ihr wissen müßt. Was die beiden sonst noch miteinander gehabt haben, weiß ich nicht. Aber nun wird es sich ja zeigen, ob ein reicher Bauer mehr Macht hat als ein König." Dann ging Lubogi weg. Er ging aus der Stadt. Er stieg in die Krone eines hohen Baumes. Die Leute des Königs sagten: "Ja, nun soll es sich zeigen, ob ein reicher Bauer mehr Macht hat als ein König!" Sie schlugen auf die Leute des reichen Bauern. Alle Leute schlugen aufeinander und töteten sich. Lubogi sah es von seinem Sitze im Baume aus. Er sagte: "Habe ich nicht vorher gesagt: Heute sollen die Menschen durcheinander kommen! ?"


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