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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

12. Der Bock (Bikunji) überlistet die Hyäne (Makundulu)

Makundulu (oder Makundunu, die Hyäne) und Bikunji (der Ziegenbock; Haussa =Bunsuru; Joruba =Uruko) bewohnten zusammen ein Haus. Jeder wohnte darin mit seiner Frau. Sie lebten eine Zeitlang friedlich nebeneinander.

Eines Tages ging Makundulu hin und fing einen Ziegenbock. Er brachte den Ziegenbock heim und warf ihn Bikunji hin. Er sagte zu Bikunji: "Hier! Nimm deinen Bruder!"Bikunji drehte sich um und ging weg. Am Abend fing Makundulu wieder einen Ziegenbock. Er warf ihn Bikunji hin und sagte: "Hier! Nimm deinen Bruder!" Jeden Abend fing Makundulu einen Ziegenbock, warf ihn Bikunji hin und sagte: "Hier! Nimm wieder einen deiner Brüder!" Makundulu fing 40 Ziegenböcke. Bikunji ging umher und wußte nicht, was er tun sollte.

Eines Tages sagte Makundulu zu Bikunji: "Alle Abende fange



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ich Ziegenböcke. Ich habe jetzt 40 Ziegenböcke gefangen. Nun gehe du doch auch einmal hin und fange eine Hyäne. Wenn du nicht in fünf Tagen eine Hyäne fängst, so werde ich deine Frau und dein Kind töten."Bikunji wurde traurig. Er ging zu seiner Frau und sagte: "Alle Abend fängt Makundulu einen Ziegenbock, wirft ihn mir hin und sagt: ,Hier! Nimm einen deiner Brüder!' Dann frißt er ihn. Heute hat er zu mir gesagt: ,Alle Abend fange ich Ziegenböcke. Ich habe jetzt 40 Ziegenböcke gefangen. Nun geh du doch auch einmal hin und fange eine Hyäne. Wenn du nicht in fünf Tagen eine Hyäne fängst, werde ich deine Frau und dein Kind töten.' Was soll ich nun tun?"Bikunjis Frau sagte: "Verstecke mich und dein Kind. Dann fange viele Fliegen und bringe die dem Löwen!"Bikunji sagte: "Es ist gut!"Bikunji versteckte seine Frau und sein Kind.

Dann fing Bikunji viele Fliegen. Er füllte mit den Fliegen eine Tasche an. Mit der Tasche voller Fliegen ging Bikunji in den Wald. Er suchte den Löwen. Am siebenten Tage traf er den Löwen. Der Löwe sah die Tasche und fragte: "Was hast du hier in der Tasche ?" Bikunji sagte: "Ich habe Fliegen darin." Der Löwe sagte: "Ist das etwas Gutes?"Bikunji sagte: "Es ist etwas sehr Gutes." Der Löwe sagte: "So gib mir ein wenig für meine Kinder!"Bikunji nahm von den Fliegen aus der Tasche und gab davon dem Löwen. Der Löwe versuchte und sagte: "Das ist ja etwas sehr Gutes! Gib mir noch mehr davon!"Bikunji gab noch mehr. Der Löwe fraß alles auf. Der Löwe sagte dann: "Das war sehr gut! Was kann ich nun für dich tun?"Bikunji sagte: "Makundulu wohnt mit mir in einem Haus. Makundulu tötet jeden Abend einen Ziegenbock, wirft ihn mir hin und sagt: ,Hier! Nimm deinen Bruder!' Dann frißt er den Ziegenbock auf. So hat Makundulu 40 Ziegenböcke getötet. Zuletzt hat aber Makundulu zu mir gesagt: ,Alle Abende fange ich Ziegenböcke. Ich habe jetzt 40 Ziegenböcke gefangen. Nun gehe du auch einmal hin und fange eine Hyäne. Wenn du nicht in fünf Tagen eine Hyäne fängst, werde ich deine Frau und dein Kind töten.' Dann habe ich meine Frau und mein Kind versteckt und denke, was ich nun tun kann." Der Löwe sagte: "Gut! Bleibe hier!"

Der Löwe ging in das Lager der Hyänen. Er fing 20 Hyänen und sandte sie durch seine Kinder Bikunji. Die jungen Löwen trafen Bikunji im Busch. Sie halfen Bikunji die 20 toten Hyänen bis an das Haus tragen, in dem Bikunji und Makundulu wohnten. Dann gingen die jungen Löwen nach Hause.

Als die jungen Löwen gegangen waren, schlug Bikunji an Makundulus



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Tür und rief: "Mach' auf! Komm heraus! Hier sind deine Brüder. Nimm die toten Hyänen und friß sie!" Makundulu rief heraus: "Geh weg, Bikunji! Du bist betrunken (esa dagi). Wie kann ein Bikunji eine Makundulu töten! Ein Ziegenbock eine Hyäne!" Bikunji nahm eine tote Hyäne und warf sie Makundulu ins Haus. Bikunji rief: "Hier! Nimm deinen Bruder!" Makundulu sah die tote Hyäne. Makundulu öffnete die Tür. Makundulu sah die vielen toten Hyänen. Bikunji brachte ihm die toten Hyänen ins Haus und sagte: "Hier! Nimm deine toten Brüder! Iß dich einmal an deinen Brüdern satt. Du wolltest das ja so gerne. Wenn du es wünschest, kann ich sie dir auch noch zerlegen!" Frau Bikunji kam herzu und sagte zu Frau Makundulu: "Wenn ihr noch nicht genug habt, kann mein Mann sehr leicht noch mehr tote Hyänen bringen. Er wird nun jeden Abend auf die Jagd gehen."

Am andern Tage rief Makundulu seine Kinder und sagte: "Geht an den Fluß hinab, wenn die Kinder Bikunjis da sind. Spielt mit ihnen und fragt sie, wie ihr Vater es anfängt, daß er die Hyänen so leicht tötet, wo er doch kein so starker Mann ist."Bikunji sah Makundulus Kinder zum Fluß herabgehen. Er sagte zu seinen Kindern: "Geht auch zum Flusse herab, um mit Makundulus Kindern zu spielen. Wenn euch nun Makundulus Kinder fragen, wie ich es mache, daß ich die vielen Hyänen töte, so sagt, daß ich nur mit den Augen einem andern zuzuzwinkern brauche, und dann stirbt der." Die Kinder sagten: "Es ist gut! So wollen wir sagen."

Bikunjis Kinder gingen zum Fluß herab, um mit Makundulus Kindern zu spielen. Makundulus Kinder fragten: "Wie macht es euer Vater, daß er die Hyänen tötet?" Die Kinder Bikunjis sagten: "Unser Vater braucht nur jemand anderen anzublinzeln, so stirbt er. Er geht dann dahin, wo viele Makundulu beisammen sind. Er blinzelt einen nach dem anderen an, und jeder Angeblinzelte stirbt nach einiger Zeit!"

Makundulus Kinder liefen nach Hause. Makundulus Kinder sagten: "Vater! Bikunji braucht nur jemand anderen anzublinzeln, dann stirbt der!" Makundulu sagte zu seiner Frau: "Ich glaube, es ist besser, wir gehen von hier fort. So schnell kann ich nicht einmal die Ziegenböcke töten. Laß nur unsere Sachen packen!" Makundulus packten ihre Sachen und verließen das Haus. Ihre Kinder liefen hinterher. Makundulus Kinder riefen ihrem Vater zu: "Sieh dich nur nicht um. Bikunji könnte jeden Augenblick blinzeln, und dann hätten wir keinen Vater mehr!"


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