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Kapitel 

VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



Atlantis Bd_09-0004 Flip arpa

TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

3. Wesen und Steigerung der Dichtung

Wenn irgendwo, so muß dies bei so fabelkundigen Menschen, wie die höheren Sudaner das zumeist sind, auch aus der Volksdichtung zu erkennen sein. Die Frage ist, ob der Geist des Quorra eine eigene Sprache hat und ob Völker des Kerniandes und Völker der Randflächen Verschiedenes zu sagen verstehen. Die Antwort auf solche Fragestellung war es, die zur Gliederung des Stoffes in diesem Bande geführt hat. Ich habe diese begonnen mit einer Schilderung des Nupevolkes. Die hierzu wünschenswerten Ergänzungen in Geschichte und vorgeschichtlicher Legende finden Wiedergabe im fünften Bande der Atlantisausgabe. Kernstarkes Bauernleben und prunkende Hofhaltung des bureaukratischen Kaiserreiches sind hier eng miteinander verschmolzen, während im Außenlande primitive Äthiopen als bäuerliche Sippen fast beziehungslos in der Umgebung prachtstrotzender Städte hausen. Eine Kluft trennt sie, die gleichbedeutend ist mit kultureller Brache.

Danach folgen in langsamem Übergang II bis V, Einfalt, Sitte, Witz, Wunder und Zauber. Das heißt die Gestaltungen der schlichten Volksseele in der Form der Tierfabel, dann die Einfügung der Ansichten über Sitte und Sittlichkeit, der Humor und endlich die eigentliche Märchenwelt. Hier schon werden Meisterstücke der Erzählungskunst gewonnen, und doch sind es gewissermaßen nur die Ausgangspunkte einer Steigerung (VI) bis zu einer Höhe (VII), die die alternde Kraft der brachenlos aufgesprossenen Kernkultur der Nupe selbst nicht mehr erreichte, die vielmehr der zierlicheren aus der Ruhe erwachsenen Haussakunst zu entwickeln vorbestimmt war. Es ist also in der Natur der Volksdichtungen sowohl die hier



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durchgeführte Gruppierung als auch unsere Darlegung des kulturellen Werdeganges in diesen Ländern begründet.

Als Ergänzung habe ich noch in einem VIII. Teil diejenige Gruppe von Volkserzählungen einbegriffen, die mein Schüler und Assistent Albrecht Martius im Jahre 1912 in Jebba mit Hilfe der von uns erzogenen Dolmetscher aufnahm. Besonders wichtig sind die Proben der Außenprovinzen. Unter den Sachen von Nikki-Borgu überwiegt das kosmogonische Element. Hier ist der Einfluß des theokratischen atlantischen Westafrika zumindest als mythologisches Denken fördernd und erhaltend fühlbar. Bei den Kern-Kern, die ihrer Geistesrichtung nach sich schon dem Bornutum nähern, interessiert das naive und schroff gestellte Fragespiel und der naive Sinn für "Unwahrscheinlichkeiten" ganz besonders.

Dieser Sinn für Unwahrscheinlichkeiten, der schon bei Mande und anderen auffiel, verlangt ein nachdenkliches Wort, das an dieser Stelle ausgesprochen werden muß.


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