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VOLKSERZÄHLUNGEN UND VOLKSDICHTUNGEN


AUS DEM ZENTRAL-SUDAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1924

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE

MIT 2 KARTENBEILAGEN

2. Die Bedeutung der Quorrakultur

Die ersten englischen und die dann nachfolgenden deutschen Forscher trafen vor allem auf das Erstaunliche der sog. Haussa-Staaten und der Großstädte (bis zu 200000 Einwohnern) dieser Länder. Hier war große Staatsverfeinerung, Handel, Kunstgewerbe und islamitische Religiosität. Man nannte sieben echte und sieben unechte Haussastaaten. Die aus dem Westen gekommenen Fulbe (vgl. Atlantis Bd. VI) waren vor einem oder zwei Menschenaltern Fürsten, die Herrscher, die Religionsbestimmenden geworden. Sie waren die Zerstörer, die Verfälscher, die Verdreher der alten Chroniken. Nicht einmal die von Heinrich Barth mitgebrachten Chronologien machten die Ideologen der Vergötterung islamischer Kultur stutzig.

Aber ganz allmählich eröffnete sich dem geduldigen Forscher der Blick in das Tiefere an Zeit. Und da zeigte sich denn, daß all das, was islamisches Zeugnis kannte, Umliegendes, Peripherisches war: Bornu im Osten, Haussa im Norden, Songhai im Nordwesten, Gurina mit Dagomba und Mossi im Westen, — daß es demgegenüber ein Zentrales gegeben haben muß, daß man mit den Worten Borgu, Jauri, Nupe und Kororofa bezeichnen kann. Aus diesem Kern ging Songhai hervor, das den Niger hinaufglitt und als Macht den Senegal erreichte; von hier aus kann Dagomba und Mossi verstanden, können vor allem die nördlichen Haussaländer greifbar gemacht werden. Eine einzige Tatsache deutet das Verhältnis des Kernes zu seinem Mantel oder Umkreis an: Im Außengebiete sind deutlich guter haltene Trümmer zweier Perioden zu erkennen, die der älteren Zeit, in die der rituelle Königsmord zurückweist bis in die Reinkultur der plastisch mythologischen Periode und die fast gegensätzlich verfeinerten Denkmäler einer ornamental und dekorativ sich ausdrückenden mittelalterlichen Neuzeit, — beide Trümmer neben- und unterem-



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ander geschichtet und durch eine Isolierschicht getrennt. Für das Kerngebiet liegt aber das Dokumentenmaterial einer ebenmäßig sich durch Schichten gleich Jahresringen auswachsenden Geschlossenheit vor, — vom stark Plastischen bis zum malerisch und dekorativ Verschnörkelten.

Auch eine zweite Erscheinung lehrt das gleiche. Im Außengebiet zwischen dem Wachstum zweier und mehrerer Perioden deutlich wahrnehmbare Brachen, ruhige Zeiten der Humusbildung, im Kerngebiet ununterbrochenes Ausleben aus mehr und mehr verbrauchtem Boden, so daß die heutigen Triebe schwächlich sind gegenüber den Sprossen aus dem umliegenden Ruheland. Die Kultur der Haussaländer erscheint heute üppiger und reifer als die Nupes und Borgus, wie ja auch die kräftige Frühlingsblüte erfrischender und zukunftsreicher erscheint, als edler und müder Schmuck des Herbstes.


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