Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[832]

[Heinrich Linggi] an
Bullinger
Brugg,
29. Mai 1536

Autograph a : Zürich StA, E lI 360, 315 (Siegelspur) Ungedruckt

Unterrichtet ihn über den bevorstehenden Aufbruch und die Marschroute von Söldnern aus verschiedenen Gebieten der Ostschweiz, die unter der Führung von zehn namentlich genannten Hauptleuten in den Dienst des französischen Königs ziehen sollen.

Min allzyt bereyt und willig dienst, gliebter Meyster Heinrich.

Die pratick 2 , vor drien jaren b von mir uch angezeygt 3 , ist vorhanden und wil ußbrechen. Dan uff jetz künfftig donstag, des ersten tags junii, so söllend

und war ins savoyische Piemont eingefallen; Mailand selbst griff er allerdings nicht an (vgl. Brandi I 322. 326).
6 Vgl. z. B. Hos 7, 11f; 12, 2f.
7 In der Schlacht bei Kappel 1531.
a Die Unterschrift ist weggeschnitten. Daß der Brief von Linggis Hand stammt, ergibt sich aus dem Vergleich mit späteren Briefen (z. B. Zürich StA, E II 362, 11). Die verschiedenen diakritischen Zeichen über u sind nachfolgend nur berücksichtigt, soweit sie den Umlaut zu bezeichnen scheinen.
b jaren am Rande nachgetragen.
1 Heinrich Linggi (Lingki, Laevinus), von Schaffhausen, gest. 1551, studierte 1514 in Wien und 1519/20 in Paris. Von 1521 an war er Stiftskaplan und Helfer des Leutpriesters in Solothurn, doch wurde er wegen seiner reformatorischen Gesinnung 1523 entlassen. Als Schulmeister in Schaffhausen trat er an der Badener Disputation
von 1526 Johannes Eck entgegen. Zur Berner Disputation von 1528 reiste er ohne offiziellen Auftrag. Im gleichen Jahr wurde er Pfarrer in Brugg. 1532 nahm er am Täufergesprach in Zofingen teil. Kurz nach der Abfassung des vorliegenden Briefes wurde er als Nachfolger Burgauers an die erste Pfarrstelle in Schaffhausen berufen, wo er bis zu seinem Tod am Aufbau des reformierten Kirchenwesens mitwirkte. Aus den Jahren 1548 und 1549 sind drei weitere Briefe Linggis an Bullinger erhalten. — Lit.: Z IX 350, Anm. 3; Albert Büchi, Glareans Schüler in Paris (1517-1522) nebst 15 ungedruckten Briefen, in: Geschichtsfreund 83, 1928, S. 167f; Schmid, Kirchensätze 33. 268; Rüeger II 845 und Reg.; Wipf, Reg.; HBLS IV 689.
2 Machenschaft (SI V 568-570). —Vgl. die Warnungen im Brief des Vogts von Kaiserstuhl, Cornel Schultheiß, vom 24. Mai an den Zürcher Bürgermeister Röist (in Zürich StA, A 166. 2) sowie den Soldvertrag, den der französische Gesandte Louis

die Appenzeller, Rintaler, Gotzhußlüt 4 , Thurgöwer, Schaffhuser, Kaltschmid 5 und umb Stammen 6 , Ossingen 7 , Rappenschwiler 8 und uß miner herren von Zürich biett 9 gegen Rin glegen uffbrechen und den nächsten 10 uff Brugg zu ziehen in des künigs von Franckrichs dienst, wie yr dan vilicht ouch wol wüßend. Nun ist yr meynung und entlicher 11 bschluß den nächsten durch das Durgöw darnider uff Rinow 12 daselbs ze baßieren 13 und darnach uber das Raffzerfeld 14 hinab gen Keyßerstul mit gewalt und gen Stille an das far 15 und durch das Berner biet hinuff. Der houptlüthen sind zehen: Zum ersten Conrat Brüllisower. Bartli Berweger, wie wol c der selbig das gelt nit empfangen; man hat es aber im nach geschickt. Item Clar Hans 16 von Appenzell. Von Wil des aptz von Sant Gallen houpt man Anthoni uff d der Mur 17 und Onofrius

c wol am Rande nachgetragen.
d vor uff gestrichenes ab d.
Daugerant am 27. Mai in Brugg mit zwölf Hauptleuten abschlo. Diese sollten auf den 1. Juni je 500 Mann für den französischen König Franz I. in Dienst nehmen und zur Musterung nach Lausanne fuhren (s. EA I\//1 c 694, zu a).
3 Ein früherer Brief Linggis konnte nicht gefunden werden.
4 Untertanen des Abts von St. Gallen.
5 Hans Kaltschmid, von Kaiserstuhl (Kt. Aargau), ein berühmter Söldnerführer. "von lib klein, aber von rat und tat gross" (Anshelm IV 428; vgl. VI 245. 248), war beim Pavierzug von 1512 Musterherr, kämpfte 1515 bei Marignano und stand in den folgenden Jahren zuerst im Dienste des Kaisers, dann des Papstes und schließlich des französischen Königs. 1530 war er am Versuch beteiligt, einen Kontakt zwischen dem französischen Gesandten Boisrigaut und Zwingli herzustellen. Zürich beschuldigte ihn der unerlaubten Werbung von Söldnern, nahm aber im Zweiten Kappelerkrieg dennoch seine Dienste in Anspruch. Als er 1536 erneut Söldner für Frankreich warb und deren oberster Hauptmann wurde, bestrafte man ihn mit der Einziehung seiner Guter. Wie es scheint, konnten sich die Orte nicht auf eine Begnadigung einigen, als er sich 1538 zu rechtfertigen versuchte. Noch 1540 intervenierten eidgenössische Hauptleute bei Zürich erfolglos zu semen Gunsten (s. Zürich StA, A 166. 2, 30. November und 8. Dezember 1540). Er soll in den Niederlanden verschollen
sein. — Lit.: EA 111/2 und IV/1a-c, Reg.; ASchweizerRef, Reg.; Z X 404-407; Die Urkunden des Stadtarchivs Kaiserstuhl, bearb. v. Paul Kläui, Aarau 1955. — Aargauer Urkunden XIII, Nr. 144. 166. 169. 175; Alois Wind, Kaiserstuhl in Bild und Geschichte, Einsiedeln 1894, S. 46-49; HBLS IV 443.
6 Stammheim (Kt. Zürich).
7 Ossingen (Kt. Zürich).
8 Leute von Rapperswil (Kt. St. Gallen).
9 Gebiet.
10 auf dem schnellsten Wege (SI IV 635).
11 endgültiger.
12 Rheinau (Kt. Zürich).
13 den Rhein zu überqueren.
14 bei Rafz (Kt. Zürich).
15 Zur Fähre über die Aare bei Stilli (Kt. Aargau), s. HBLS VI 553.
16 Hans Klarer (Claren Hans), von Appenzell, wird bereits in den ältesten, von 1519 an Überlieferten Landrechnungen genannt, oft als Knecht, der Boten begleitete, 1519/20 auch als Weinschenk. Zwischen 1537 und 1540 ritt er mehrmals nach Lyon, um das französische Jahrgeld in Empfang zu nehmen. —Lit.: Appenzeller Geschichte, Zur 450-Jahrfeier des Appenzellerbundes 1513-1963 hg. v. den Regierungen der beiden Halbkantone Appenzell, Bd. I, Urnäsch 1964, S. 366. 411; Appenzeller Urkundenbuch, Bd. II, bearb. v. Traugott Schieß, Trogen 1934, Nr. 1897. Für wertvolle Quellenauszüge danken wir Herrn cand. phil. Achilles Weishaupt, Appenzell.
17 Anton Auf der Maur, von Schwyz, gest. nicht vor 1555, ist 1529 erstmals als schwyzerischer Gesandter nachweisbar.

Vonbüler 18 . Uß der graffschafft Dockenburg der landvogt Batzenham 19 , hat das gelt selbs persönlich nit empfangen; ob man im das heimlich schickt, mag 20 ich nit wüssen. Federli von Frowenfeld, der ist abgstanden 21 . Von Schaffhusen Casper Ringg 22 , Thoma Spiegelberg 23 . Von Rapperschwil Türing

1534-36 war er Stiftshauptmann zu Wil, 1540-42 Landvogt zu Locarno. 1538 und 1547 wird er als Kommissar (zu Bellinzona?), ab 1547 als Ratsmitglied und 1550 als alt Säckelmeister bezeichnet. Ais Hauptmann in französischen Diensten zog er 1536 in die Provence, 1543 in die Picardie und 1551-53 (s. Zürich StA, A 166. 2) ins Piemont. — Lit.: EA IV/1b-e, Reg.; Urs Steiner, Die Vierorte-Hauptleute zu Wil, in: Wil 92/93, Das Wiler Jahrbuch, Wit 1992, S. 149. Für freundliche Hinweise danken wir Herrn Franz Auf der Maur, Brunnen.
18 Onofrius Vonwiler (Vonbüel), von St. Gailen, 1526 als Hauptmann in Oberitalien nachweisbar, lebte in Wit (Kt. St. Galten). Als er sich 1547 in St. Gallen aufhielt, beschwerte sich der Abt über seine Anwesenheit, da er Gotteshausleute weggeführt habe. — Lit.: EA IV/1a 999; IV/1c 321. 694. 868; IV/1d 761; Keßler, Sabbata 444.
19 Hans Germann (auch Köufi, Käufli), gen. Batzenhamer, wohnhaft zu Bazenheid (Kt. St. Galien), gest. 1551/52, stand nach eigener Aussage schon ab 1514 in fremden Diensten. erwähnt wird er erstmals 1520 als Landweibel. Als Bruder und Mittelsmann des 1529 gewählten St. Galler Abtes Kilian spielte der im Sold Frankreichs wohlhabend gewordene Hauptmann eine zunehmend wichtige Rolle im Untertoggenburg. Im Ersten Kappelerkrieg zog er zwar, dem Lands- gemeindebeschluß gehorsam, zur Unterstützung Zürichs ins Gaster, Ende 1529 soll er jedoch einen Handstreich gegen eine Zürcher Gesandtschaft geplant haben, was zum Wiler Aufruhr führte. Nach der Niederlage der Reformierten wirkte er bei den Friedensverhandlungen mit und wurde 1532 zum äbtischen Landvogt ernannt; dieses Amt versah er bis 1540. Im gleichen Jahr war er Hauptmann im Rottweiler Zug, und 1542 zog er nochmals nach Frankreich. — Lit.: Z X 99,
Anm. 4; Gottfried Egli, Die Reformation im Toggenburg, Diss. phil. Zürich, Schaffhausen 1955, passim (ab S. 130); Franz Germann, 500 Jahre Geschichte der Germann im Toggenburg. FS zum 300jährigen Bestehen der Familienstiftung, hg. v. der Familienstiftung der Germann im Toggenburg, Jonschwil 1983, S. 63-82; HBLS III 488.
20 kann.
21 Hans Heinrich Federli bestritt in einem Schreiben an Zürich vom 24. August den Vorwurf, Zürcher in den Solddienst zu führen (Zürich StA, A 166. 2).
22 Kaspar Ringk (Rinck, Rink) von Rietberg, spater von Wildenberg genannt, gest. 1542, ist 1512 und 1518 auf Schloß Rietberg (Kt. Graubünden) nachweisbar. Seit seiner Heirat (1520?) lebte er in Schaffhausen, wo er 1532 Burger wurde. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich wurde er 1536 zusammen mit Thomas Spiegelberg und weiteren Schaffhausern zur Rechenschaft gezogen (s. Schaffhausen StA, Ratsprot. X, 451. 460). 1541 zog er nochmals als Hauptmann nach Frankreich, kehrte aber nicht mehr von dort zurück. — Lit.: Otto P. Clavadetscher und Werner Meyer, Das Burgenbuch von Graubünden, Zürich-Schwäbisch Hall 1984, S. 126, Anm. 31; Rüeger II 1066f; EA IV/1c 694. 868; Hans Oswald Huber's Schaffhauser Chronik, hg. v. C[arl] A[ugust] Bächtold, in: FS zur Erinnerung an das 50jährige Jubiläum des historisch-antiquarischen Vereins des Kantons Schaffhausen, Schafthausen 1906. — Beiträge zur vaterländischen Geschichte 8, S. 90, Z. 1-4. 21f; HBLS V 641.
23 Thomas Spiegelberg, von Schaffhausen, gest. 1553, nahm 1512 am Pavierzug, 1521 als Fähnrich am Romzug und 1525 als Hauptmann am Zug nach Württemberg teil. 1524-1526 war er Vogt des Klosters Allerheiligen, 1528-1530 amtete er als Vogt zu Locarno. 1531 führte er

Göldi 24 . Von Keyserstul Hans Kaltschmid. Item Jacob Wepffer 25 von Stammen. Und sunst 26 sol Jörg von Höwen 27 und her Felcher von Knöringen 28 ouch jeder mit 4 tusend landtzknechten komen. Das hab ich uch für nüwe zittung nit wöllen verhalten, ob yr mit fugen 29 etlich wenden 30 möchtind durch üweren fliß. Mögend ouch söllichs einer ersamen oberkeyt anzeygen, so etwas wider got da were, ze verkommen 31 . Dys wil ich uch in trüwen, mich e on gmelt 32 , an zeygt haben.

Geben zu Brugg, am 29. tag meyens des 36. jars.

e mich korrigiert aus minthalb.
die Schaffhauser Truppe im Krieg gegen den Kastellan von Musso und war am Abschluß des Friedensvertrags mit dem Herzog von Mailand beteiligt. 1535 wurde er Mitglied des Großen Rates und Vogt zu Schleitheim. Wegen des Solddienstes für Frankreich wurde er 1536 zusammen mit Kaspar Ringk gebüßt. 1544 befehligte er wieder ein Schaffhauser Fähnlein, das nach Frankreich zog. — Lit.: Rüeger II 954, Anm. 2 (dazu auch S. 1163); Hans Stockars Jerusalemfahrt 1519 und Chronik 1520-1529, hg. v. Karl Schib, Basel 1949. —QSG NF I/IV, Reg.; HBRG II 357; ASchweizerRef, Reg.; EA IV/1a-e, Reg.; C[arl] A[ugust] Bächtold, Die Stadt Schaffhausen zur Zeit ihres Eintritts in den Schweizerbund, in: FS der Stadt Schaffhausen zur Bundesfeier 1901, im Auftrage des Stadtrates der Stadt Schaffhausen hg. vom historisch-antiquarischen Verein, Schaffhausen 1901, II. Teil, S. 54; HBLS VI 468.
24 Thüring Göldli, von Zürich, geb. vor 1504, gest. 1555 in Frankreich, gab 1516 sein Bürgerrecht auf und ließ sich in Rapperswil nieder, wo er ab 1539 dem Großen und ab 1546 dem Kleinen Rat angehörte. Ais Söldnerführer, der bereits in den zwanziger Jahren, aber auch noch 1542/43 Soldner für Frankreich warb, geriet er mehrfach mit der Zürcher Obrigkeit in Konflikt (vgl. Zürich StA, A 166. 2, Akten aus den Jahren 1526, 1534 und 1536/43). — Lit.: Glückshafenrodel I 27, 4; 216, 66; 263, 26; AZürcherRef 1050 (S. 505). 1135. 1464; EA IV/1c 694. 868; Erhard Dürsteler, Stammtafeln zürcherischer
Geschlechter, Bd. I (Zürich ZB, Ms E 94), f. 237v.; HBLS III 582f.
25 Ein Jakob Wepfer (Wäpfer) von Stammheim, 1504 anscheinend noch ein Kind, nahm 1512 am Pavierzug und 1515 am Zug nach Marignano teil (s. Zürich StA, A 30. 2, Nr. 5, S. 78; Nr. 10, S. 13; Nr. 13; A 30. 3, Nr. 110). Der Hauptmann, der ab 1536 mehrmals Söldner in französische Dienste führte, ist in einem Rodel (in Zürich StA, A 166. 2) aIs Jakob Wäpfer von Dießenhofen (Kt. Thurgau) verzeichnet; demnach ist er identisch mit dem 1529 in Dießenhofen nachweisbaren Vertrauensmann Zürichs, der im Zweiten Kappelerkrieg das dortige Fähnlein kommandierte. Laut dem erwähnten Rodel stand er noch 1543 in französischen Diensten. Über sein späteres Schicksal Iäßt sich nichts Sicheres sagen, da mehrere gleichnamige Personen bekannt sind.
— Lit.: Glückshafenrodel I 465, 29; ASchweizerRef II 181. 184; HBRG III 194; EA IV/1d 106. 126; RsQ I/1 3452.
26 außerdem.
27 Georg von Hewen; vgl. Keßler, Sabbata 444, 6f.
28 Albrecht Völker von Knöringen. — Adam von Homburg soll ihn allerdings dazu bewegt haben, auf eine Parteinahme zwischen dem Kaiser und dem französischen König zu verzichten; s. P[eter] Albert, Geschichte der Stadt Radolfzell am Bodensee, Radolfzell 1896, S. 335f.
29 damit Ihr, wenn es sich ergibt (vgl. SI I 699f).
30 abhalten.
31 es zu verhindern (SI III 277).
32 wobei ich nicht genannt werden möchte.

[Adresse auf der Rückseite:] An den hochglerten, wisen M. Heinrichen Bullinger, predicanten der Stat Zürich, minem insunders günstigen herren und gunner.