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Jakob Meyer an
Bullinger
Basel,
29. April 1536

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2021 (Siegelspur) Ungedruckt

Da man in Büren wieder über die neun Solothurner Verbannten verhandeln wird, sollten sich die Gesandten der reformierten Orte absprechen, damit bei Solothurn die Zulassung des evangelischen Glaubens erreicht wird, wie das den Reformierten [nach dem Aufstand im November 1533]in Wiedlisbach versprochen worden ist. Grüße.

Die gnad Christi und min früntlich, willig dienst zuvor.

Lieber herr und bruder, wie die sach a der neün mannen gegen denen von Solethorn stande, gedenck ich, ir haben des gut wüssen 1 . Diewil man aber von diser handlung wegen gon Bürren 2 widerumb zusamen kommen wirdet, wil von nöten sin, das man gottes sach und sin heiligs wort nit dohinden lasse 3

5 Die Abhaltung eines Bundestages gemeiner drei Bünde in Chur ist durch ein am 18. Mai erlassenes Dekret belegt; s. Materialien zur Standes- und Landesgeschichte gem. III Bunde (Graubünden) 1464-1803, hg. v. Fritz Jecklin, I. Teil: Regesten, Basel 1907, S. 114, Nr. 542.
6 Näheres dazu ist nicht bekannt.
a sach über der Zeile nachgetragen.
i Eidgenössische Schiedboten hatten vom 18. April an Vermittlungsverhandlungen
zwischen Solothurn und dessen neun verbannten reformierten Mitbürgern geführt, die der Stadt am 3. August 1535 den Frieden aufgekündigt hatten (vgl. HBBW V, S. 352, Anm. 13), im März 1536 aber im Berner Gebiet gefangengenommen worden waren (vgl. oben Nr. 772, 33-39 mit Anm. 10, Nr. 804, 1-23 mit Anm. 1, Nr. 805 und EA IV/1c 680f).
2 Auf den 9. Mai war eine Tagsatzung nach Buren (Kt. Bern) anberaumt worden, wo die neun Männer gefangen lagen (vgl. EA IV/1c 680 c).
3 außer Acht lasse.

und nit allein umm das zytlich (wie etlich gesinnet) handle, dann solichs vor 2 jar hette mögen verrichtet werden 4 . Dann sovil wüssen wir, wo die botten glich zusamen stymmen, sonderlich Zürich als das oberst ort 5 und styff anhalten werden, man wirt etwas schaffen 6 , wiewol die sach sich sperren würdeth: man muß aber fürtringen. Es ist ouch der handel der neün mannen nit allein, sonder aller deren, die gott lieb hand, welcher dann ob den funffzehundert wyb und mans personen 7 , uff die erledigung der babilonischen gefengnuß und der frölichen, gnadrichen botschafft des ewangeliums mit großen begirden erwarten. Wir mögen 8 ye b mit gott in sachen des gloubens unß ouch beladen; dann solichs den frommen leüthen in gegenwirtikeit der schydbotten zd Wietelspach, im glouben ze handlen, zugesagt ist 9 Was wurde man doch ußrichten, so nüt anders dann im zytlichen getädinget werden solte 10 ? Ich begerte des lonss, den unß der herr dorumb geben wurde, gar nit, wo man im sine sachen dohinden liesse. Und ob glichwol man in sachen des gloubens nützit schaffen möchte, wurt es unß doch vor gott und allen frommen baß anston, unß des handels ze müssigen 11 und dem herren bevelhen. Lieber herr, ich bitt eüch, wie ir selbs ouch geneigt sind, die sachen in trüwer befelh ze haben und die belonung von unserem theuren gott, dem ich eüch von hertzen bevilh, erwarten.

Grüessen mir Meister Löwen 12 , Pellicanen, Theoderen 13 und min herren von Wettingen 14 und die brüder all.

Datum Basel, den 29. aprellens anno etc. 36.

U[wer] Jacob Meyger.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem wolgelerten Meister Heinrich Bullinger zu Zürich, minem lieben herren und brüederlichen freund.

b über mögen ye ein verschmiertes uns.
4 Vgl. unten Anm. 9.
5 Zürich als sogenannter Vorort nahm in der Eidgenossenschaft eine Vorrang- und Ehrenstellung ein (vgl. Wilhelm Oechsli, Die Benennungen der Alten Eidgenossenschaft und ihrer Glieder, Teil I, in: Jahrbuch für Schweizerische Geschichte 41, 1916, 93-147).
6 erreichen (SI VIII 308).
7 Einwohner Solothurns.
8 dürfen.
9 Den aufständischen Reformierten aus Solothurn. die sich im November 1533 im bernischen Wiedlisbach aufhielten,
war versprochen worden, daß nach Annahme eines Waffenstillstandes über die Zulassung der evangelischen Predigt verhandelt wurde. Nach dem Abkommen vom 16. November scheiterten jedoch alle Versuche der reformierten Orte, von Solothurn ein derartiges Zugeständnis zu erlangen. Vgl. bes. EA IV/1c 255-259 und 279-281; zum Aufstand der Reformierten vgl. Haefliger 187-198.
10 wenn nur über weltliche Dinge verhandelt werden sollte.
11 die Sache zu lassen (vgl. SI IV 499).
12 Leo Jud.
13 Theodor Bibliander.
14 Georg Müller ehemaliger Abt des Klosters Wettingen.

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