Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

[799]

Benedikt Kromer an
Bullinger
Basel,
18. April 1536

Autograph a : Zürich StA, E II 336, 29 (neu: 40)(Siegelspur) Ungedruckt

Bereits in der Druckerei [Froschauers] in Zürich wurde er von [Jakob]Sitkust der Blasphemie bezichtigt, und nun schwärzt ihn dieser auch in Basel an, besonders bei Myconius, Markus [Bertschi], [Johannes] Gast und beim Ehegericht, wo sein [Scheidungs-]Verfahren anhängig ist; bittet Bullinger, Sitkust zurechtzuweisen.

Benedictus Kromerus Pirnensis Henrico Bullingero, ecclesiastae Tigurino.

S. p. d. Lieber her Henricus Bullingher, ich habe euch eynsmals erzelet, dieweyl ich nach in Zürich was, meyns handels halben myt dem Sidicus 1 , wie ehr mich auß zorn unerlich gescholten und doch keynen ghenüghen darab gehabt, sonder weyter mich gheschmehet myt etzlichenn wortenn, wye ich dieselben solt in der truckerey 2 geret haben des sacraments halben 3 , dieselben wort auff sich geladen 4 und nach seynem mutwyllen yn argwan ghezogen und dieselben hynder meynem rucken under eyn oberkeyt gebrocht. Uber das alles yst ehr nyt gesettigt worden, sonder auch yn Basel komen und mich desselben handels weyter anghetraghen 5 , nehmlich an Myconium, an her Marcum 6 , an Gastum und an den eerichter 7 , mich armen gesellen myt synem falschen, untreyen hertzen vormeynt zu vorhyndern 8 , welches myr von etzlichen

a Unterstreichungen von späterer Hand.
1 Jakob Sitkust, gest. 1571 (vgl. Zürich Stadtarchiv, VIII C 48), war Druckergeselle im Dienste Christoph Froschauers. Am 2. März 1536 wurde er gebüßt, weil er diesem gegenüber bose Worte gebraucht und gegen einen Kollegen das Messer gezückt hatte; Froschauer erhielt gleichzeitig wegen Beschimpfung Sitkusts eine etwas geringere Buße (vgl. Zürich StA, B VI 253, 178r., und Paul Leemann-van Elck, Die Offizin Froschauer. Zürichs berühmte Druckerei im 16. Jahrhundert, Zürich/Leipzig 1940, S. 74). Im Jahre 1548 regelten Sitkust und seine Frau Katharina Nüsplinger testamentarisch das Nutzungsrecht am Vermögen beim Tod des einen Partners (vgl. Zürich StA, B VI 312, 146r.-v.). Weiteres ist tiber Sitkust nicht bekannt.
2 Benedikt Kromer hatte im Jahr 1535 noch als Buchdruckergeselle bei Christoph Froschauer gearbeitet (vgl. Rainer
Henrich, Der Brief Dietrich Bitters an Heinrich Bullinger vom 27. Oktober 1535, in: Zwa XVIII/4+5, 1990/1991, S. 346, sowie das Schreiben des Ehegerichtes an den Rat, 1538, in: Zürich StA, A 7.1).
3 Zur Streitsache Kromers mit Sitkust ist nichts Genaueres bekannt.
4 zu seiner Sache gemacht (vgl. SI III 1059).
5 bezichtigt, angezeigt (SI XIV 496).
6 Markus Bertschi.
7 Mit dem Eherichter meint er wohl die Institution. — Zur Zusammensetzung vgl. Adrian Staehelin, Die Einführung der Ehescheidung in Basel zur Zeit der Reformation, Basel 1957. — Basler Studien zur Rechtswissenschaft 45, S. 30.
8 aufzuhalten (SI II 1419). — Kromer hatte bereits am 22. Februar beim Basler Ehegericht sein Scheidungsverfahren eingeleitet (vgl. Henrich, aaO, und unten Anm. 14).

anghezeyghet ist worden, und ich mich gegen die frummen herren vorantwurtet habe, wies eynem erlichen gesellen zustheyt. Aber es vorwundert mich nicht eyn weynig, wie das eyn mensch so gar eyn falsch, ungetrew hertz yn seynem leyb mag haben, eynen falschlich zu vorraten, hynderauk, der yhn nie eyn unzüchtig wort zugesprochen habe. War ist es, ich het mich nit sülches vorsehen 9 in Zürich, das ich sulche leut solt funden haben, die so falschlich handlen solten an 10 ursache. Warlich so ist es auch nicht der brauch des heyligen evangelii, das man synen negsten also vorvorteylen 11 sol. Darumb byt ich euch, meyn herr Henrice, umb gottes willenn, yhr wolten eyn sulchen unnützen mensch underrichten, das er weyter der sachen müssig ghan; den er schendet nicht mich, sonder sich selber. Ich byn yhn vorhoffen, ich solt meyn sache wol außtraghen sonder 12 yhn, und wen er gleüch schon alle lyst brauchoty, so hylfft es ym nyt. Darumb byt ich euch, yhr wöllen sulche boßheyt helffen straffen 13 von gottes weges, des dyner yr syndt. Den yhr wyssend zu gutter maßen wol, das ich yn Zürich nicht anders begeret habe den das göttlich recht; und so myr das nicht hat möghen werden und sich die von Zürich keyner frembden annehmen, so mag mirs an anderen orten vorgünnet 14

Damyt seyd godt bevolen. Vale.

Datum Basileae, anno etc. 1536, den 18. tag aprilis.

Benedictus Kromer,

e[wer] w[illiger].

[Adresse auf der Rückseite:] Humanissimo atque doctissimoque viro Henrico Bullingero, ecclesie Tigurino antistiti.

9 ich hätte solches nicht erwartet.
10 ohne.
11 ihm unrecht tun (Grimm XII/I 2062).
12 ohne.
13 maßregeln, zurechtweisen (SI XI 2092-2095).
14 bewilligt werden (SI II 334. 332f). —Kromer hatte beim Ehegericht in Zürich versucht, die Scheidung von seiner in Köln lebenden Ehefrau zu erwirken, war aber als Landesfremder am 13. Dezember 1535 abgewiesen worden. Eine Woche nach Abfassung des vorliegenden Schreibens wurde in Basel die Scheidung ausgesprochen (zum Fall vgl. Henrich, aaO,
S. 346f). Ein Gesuch Kromers und seiner zweiten Frau, Petronella Sprüngli, sich gemeinsam in Zürich niederlassen zu dürfen, wurde 1538 abgeschlagen, und 1544 klagte Petronella, schon seit 6 Jahren von Kromer verlassen zu sein (vgl. Zürich StA. YY 1.6, Teil 1, f. 21r. und A 7.1 sowie YY 1.8, f. 14r.). Da der Kölner Druckergeselle hier als Sachse bezeichnet wird, ist sein Herkunftsort ("Pirne", s. Zürich StA, YY 1.5, S. 618) nicht mit Pier, sondern mit dem sachsischen Pirna zu identifizieren (gegen HBBW V, S. 401, Anm. 21).