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[597]

Peter Schnyder an
Bullinger
Laufen,
23. Juni 1535

Autograph: Zürich StA, E II 340, 55 (Siegelspur) Ungedruckt

Hat eine Konventualin von Dießenhofen [Anna von Fulach] als Taufpatin für das Kind des [...] Rubli von Dachsen zurückgewiesen, damit aber den Zorn von Junker Hans Wilhelm [von Fulach] auf sich gezogen.

Getrauwter, lieber herr unnd bruoder.

Guoter maynung lon ich euch wyssen, das uff nechst sontag verschinen 1 deß alten Rublis sun 2 von Dachsen 3 zuo mir komen unnd gebetten, ich söl im ain kind thuoffen. Als er mir angeben uff ze schriben deß kinds götte unnd gotten 4 , hatt er zuo ainer gotten gnomen juncker Hansen Wilhalms 5 dochter 6 ,

StA, B X 112, 215v.; 750 Jahre Zürcher Gold- und Silberschmiedehandwerk, [Ausstellungskatalog], Zürich 1981, Nr. 32.
52 Ich sehne mich (SI III 1334f).
53 Johannes Haab.
54 Der Dank an Haab galt wohl für seinen Einsatz an der Tagsatzung in Baden im Verfahren gegen den Priester Sigmund Wäch (vgl. oben Nr. 584, 2-34 mit Anm. 2 und 18).
1 20. Juni 1535.
2 Heinrich Rubli, von Dachsen, geb. um 1470, war ein wohlhabender und mächtiger Meier, der Peter Schnyder immer wieder zu schaffen machte. Zwei seiner
Söhne, Konrad und Ulrich, sind namentlich bekannt. — Lit.: Zürich StA, A 7. 1 (unter 25. Juni und 16. Dez. 1534) und ebd. A 252. 1, Nr. 58; Zürich ZB, Ms F 154, 51r-52r.; Hans Kläui, Die Rheinfallgemeinde Dachsen. Kurzgefaßte Ortsgeschichte zur 1100-Jahr-Feier im August 1976, Dachsen 1976, S. 132.
3 Das Nachbardorf Dachsen (Kt. Zürich) gehörte kirchlich zu Laufen (vgl. HBLS II 660).
4 Pate und Patin.
5 Hans Wilhelm von Fulach, gest. 1546, aus altem Schaffhauser Adelsgeschlecht stammend, übernahm 1507 die Gerichtsherrschaft Laufen, die er zuvor gemeinsam mit seinen Brüdern Ludwig und Ulrich

so ain closterfrow ist zuo Diessenhoffen 7 unnd yetz an 6 wochen bim vatter, da ze Luoffen, degelsamme hatt 8 . Daruff ich inn gebetten, dwil er si gunnen 9 hab, so söl er von stund an zuo ir gon unnd zuo ir sagen, si söl ain andere an ir statt gunnen; dann es zime ir nit, hie kinder uß dem thuoff zheben. Das nun beschehen ist unnd ir schwuöster 10 gewunnen an ir statt. Uff semlichs, lieber herr unnd bruoder, ist juncker Hans Wilhalm zuogefaren 11 unnd ha[tt]a semlichs ubel uffgnomen, gibtt mich gott unnd der weltt inn halß 12 , sam 13 ich ungurlich 14 gehandlet habe. Das ich nun sinem unverstand 15 zuogib, unnd wie er mir vormals den brand geschürt gegen burgermaister unnd den kilchgnossen 16 , also ists yetzmal aber 17 ; unnd vermein aber ich entlich, da nüt ungeburlichs gehandlet haben anders, dann das ich ampts halb schuldig bin unnd kain ansehen der person haben sölle, unnd das alle die, so unser christeliche religion verachtend (als die nunn thuott), kain gmainsame 18 mit unns habind in hörung götlichs worts, in kilchgang, empffahung der halgen sacramenten. Mit denen söllind wir ouch in semlichem, die religion betreffend, kain gmainsame

a Textverlust durch Beschädigung beim Öffnen des Briefes.
innegehabt hatte. 1512 wurde er zudem Gerichtsherr zu Osterfingen, 1539 Vogtherr zu Thayngen (beide Kt. Schaffhausen). Junker Hans Wilhelm hatte häufig Schwierigkeiten mit seinen Untertanen, besonders zur Zeit der Bauernunruhen im Gefolge der Reformation. Er war der Reformation nicht wohlgesinnt. Im Jahre 1544 verkaufte er die Herrschaft Laufen an Zürich. Von ihm ist ein Brief an Zwingli erhalten. —Lit.: Z XI 221, Nr. 1127; Rüeger II 729f; Hans Kläui, Ein Gang durch die Geschichte der Gemeinde Laufen-Uhwiesen. Gedenkschrift zur 1100-Jahrfeier der ersten urkundlichen Erwähnung von Laufen und Mörlen, Laufen-Uhwiesen 1985, S. 61f. 105-108; Kindler von Knobloch I 415; HBLS Suppl. 67.
6 Anna von Fulach, gest. 1566, Konventualin zu St. Katharinental, 1552-1566 Äbtissin des Klosters Frauenthal (Kt. Zug); vgl. Rüeger II 731, Anm. 1, sowie Eugen Gruber und Cécile Sommer-Ramer, Zisterzienserinnenkloster Frauenthal, in: Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, die reformierten Bernhardinerinnen, die Trappisten und Trappistinnen und die Wilhelmiten in der Schweiz, red. v. Cécile Sommer-Ramer und Patrick Braun, 2.
Teil, Bern 1982. — Helvetia Sacra III, 3, 2, S. 720f.
7 im Dominikanerinnenkloster St. Katharinental in Dießenhofen (Kt. Thurgau).
8 behütet wird (vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Neubearbeitung, hg. v. der Akademie der Wissenschaften der DDR in Zusammenarbeit mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, 6. Bd., Leipzig 1983, Sp. 490).
8 [als Patin]gewonnen.
10 Eine der vier Schwestern Annas: Ursula, Martha, Maria oder Magdalena (vgl. Rüeger II 716/717).
11 aufgebraust (vgl. SI I 901).
12 bringt das Gerede in Umlauf (vgl. SI II 1206).
13 als ob (SI VII 902-904).
14 Wohl Verschrieb für: ungutlich (unbillig, vgl. SI II 558).
15 Unwissenheit (Grimm XI/III 2097-2099).
16 Schnyder spielt auf die Unruhen von 1530/1531 an. Damals zog eine Gruppe von Angehörigen seiner Pfarrei auf die Synode in Zürich, um gegen ihn zu klagen (vgl. AZürcherRef 1714, S. 727-729. 1757, S. 751 und QGTS I 318, S. 340-342). Als Martin Bisinger, der Wortführer, festgenommen wurde, verwendete sich Hans Wilhelm von Fulach für ihn bei Zwingli (vgl. Z XI, Nr. 1127).
17 wieder (SI I 40).
18 Gemeinschaft (vgl. SI IV 300).

haben. Es sey ouch uff ain mall 19 ouch also in synodo abgerett 20 , des glichen sey ouch Augu[stinus] der mainung b , wie anzogen württ De conse[cratione] di[stinctio] 4: "Vos ante omnia" etc. 21 Darumb, min lieber unnd trewer bruoder, sendt mir gott altag ein newen krieg. Da mich der menschen unwüssenhait beduret 22 , dann anders, ouch das ich yetz 11 jar da geprediget und kain hoherer verstand da ist, dann also unordenlich handlen unnd zum höchsten also wider die diener göttlichs worts vergrimpt sin.

Laßend mich unnd min ampt uch alwegen 23 in trewen befolett sin, deß ich mich yetz und alwegen zum höchsten zuo uch vertrösten 24 will. Der guötig gott kome unns allen zuo hilf unnd trost. Amen.

Datum zuo Luoffen uff 23. tag junii 35.

Petrus Schnider, ewer williger

bruoder.

[Adresse auf der Rückseite:] Minem vertrauwten, lieben herren und bruoder Maister Heinrichen Bullinger, predicant zuo Zürich.

b vor mainung gestrichenes ma.
19 einmal, einst (vgl. SI IV 145f).
20 An der Zürcher Herbstsynode 1534 waren die Pfarrer ermahnt worden, wenn möglich nur Reformierte als Paten und Patinnen zuzulassen (vgl. Zürich StA, E II 1, 186).
21 CorpIC, Decretum Gratiani, de consecratione, c. 105, D. IV; es handelt sich dabei allerdings um eine pseudoaugustinische Predigt (freundlicher Hinweis von Herrn Prof. Dr. A. Schindler, Bern).
22 betrübt (SI XIII 1309).
23 immer (Grimm I 241f).
24 trauen, verlassen (SI XIV 1414).