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[584]

Hans Vogler an
Bullinger
St. Gallen,
28. Mai 1535

Autograph: Zürich StA, E II 351, 175 (Siegelspur) Ungedruckt

Die Auseinandersetzung der reformierten Rheintaler Pfarrer mit dem Priester [Sigmund Wäch] von Berneck, der die Reformierten und deren Glauben beschimpft hat, soll -nach Absprache mit Vadian u. a. vor die Tagsatzung gebracht werden, da die Gerichte des Abtes parteiisch sind und da sich die Pfarrer vom Vogt [Konrad Hässi] ungerecht behandelt fühlen; bittet, (Johannes] Haab zu informieren. Herzog [Ulrich] von Württemberg wollte zu König [Ferdinand] reisen, ist aber stattdessen nach [Lauenburg], zu Landgraf [Philipp von Hessen], aufgebrochen; Jörg von Hewen, der ihn zum König hätte begleiten sollen, blieb zu Hause. Ein Mörder, der in Rorschach hingerichtet wurde, hat sich bis zum Tod zu Christus bekannt. Grüße.

c-d von Sy bis erstochen am Rande nachgetragen.
18 Am 30. März 1535 war das Oldekloster bei Bolsward (Friesland) von rund 300 Täufern besetzt worden. Die Rückeroberung gelang dem Statthalter von Friesland, Georg Schenck von Tautenburg, erst nach mehrtägiger Belagerung; vgl.
Christian Neff und Nanne van der Zijpp in: The Mennonite Encyclopedia IV, Hillsboro-Newton-Scondale 1959, S. 52f. Bullinger beschrieb diesen Vorfall 25 Jahre später in: Der Wiedertäufer Ursprung (HBBibl I 394-401), Neudruck Leipzig 1975, f. 52r.-v.
19 Aufruhr, Widersetzlichkeit (Grimm XI/III 2306-2308).

Gottes gnad durch Christum erhalte unns. Amen etc.

Min herr, gelieptter bruder, ir werdend ferston mines hernn burgermaisters von Wadtz schriben und berichtt an üch 1 etc. anbetreffend ain lang umgegangne rechtzhandel, so die predicantenn alle im Rintal rechtlich geübt gegen aim messpfaffen, yetz zu Bernang 2 im Rinthal, über seew har 3 der fräffenlich ist. Suma, hatt er gescholten, nitt sy gnamssett 4 , sonder alle die, so alsso gloubend oder halltend etc., wie dann ir und wir all haltend etc., die sygend buben, kätzer und schellmen. Welches rechtlich uff inn gebrachtt durch kontschafft und lang umgezogen, och die predicanten alle, deren ettlich bornne kind im land sind, all vertrösten 5 müssen, und wie offt sy gegen dem messpfaffen och trostung begert, ist er noch von jemand 6 darzu ghalten; desshalb ainer lenger dann der ander, wie sich dann das alles in brieffen klar zu Baden uff dem tag 7 , als ich acht, finden werd. Zu dem so sind die andren gricht, da das rechtt volfurt worden, ains herren von Santt Gallen 8 . Onangesechen so hat der apptt dem messpfaffen ain bistand 9 zugeben im rechten von den sinen amtlüten. Wie das zu rechnen, mögend ir ermessen. Jetz zu letst so ist die sach für das hochgricht gewissen, und uff die wisung habend die prediger all der urtthel nachgon 10 wellenn und den jetzigen vogt von Glaris 11 darum ersucht, siner antwurt erwartet, och inn ermant, nochmals den messpfaffen glicher gstalt wie sy in trostig zu nemen, damitt er von dem rechtten nitt flüchtig, das man aber besorgt 12 . Suma, es ist noch nitt geschechen. So nun jetz, als man acht, der pfaff und die, so im helfen, fillicht vermainen und empfinden, die sach nitt gern gen Baden kommen lassen, so hat der vogt an die prediger gelangt, es sygend fil fromer lüt, vermainen die sach gütlich an die hand zu nemen etc. Daruff die prediger mins hernn doctors 13 und anderer rat gheptt. Bedunckt inn und ander, kains wegs zu tädigen 14 , sonder gen Baden uff den tag ainen von inen zu schicken; denn es treff nitt allain sy an, es mege och Zürich, Bernn, Glaris, Apenzell und ander dess globens ir eere berüren, die fillicht sich gegem pfaffen och inlassen 15 , oder wie uch beduncken. Item das dem apt sin bistand wol durch maister Haben 16 und die eer verletzung und ongliche geachte

1 Nicht erhalten.
2 Priester in Berneck war Sigmund Wäch (vgl. Der Hof Bernang, bearb. v. Johannes Göldi, St. Gallen 1897. — St. Gallische Gemeinde-Archive, hg. vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen, S. 184f). Zu seiner Streitsache mit den reformierten Pfarrern im Rheintal vgl. auch EA IV/1c 508 z.
3 d. h. ein Fremder, über den Bodensee aus Deutschland Zugewanderter.
4 mit Namen genannt.
5 Kaution, Bürgschaft leisten (SI XIV 1408f).
6 von niemandem (Grimm IV/II 2303).
7 an der eidgenössischen Tagsatzung in Baden (vgl. dazu unten Anm. 18).
8 des Abtes Diethelm Blarer.
9 Unbekannt.
10 den [früheren]Urteilen nachforschen.
11 Konrad Hässi, 1534-1536 eidgenössischer Landvogt im Rheintal.
12 befürchtet (SI VII 1313f).
13 Joachim Vadians.
14 zu schlichten, zu vermitteln (SI XII 443-447).
15 rechtlich vorgehen (vgl. SI III 1405).
16 Johannes Hub, Zürcher Tagsatzungsabgeordneter (vgl. EA IV/1c 503).

trostung ernstlich dem vogt und im fürghalten, alls onlidenlich 17 . Darum wellend ir maister Haben ernstlich berichten, damit er der sach zu Baden wissen trag 18 und die und ander prediger irer ere, och grossen schadens inkomen 19 , damitt ander forcht haben, alls ir wol wissend etc.

Witer hab ich hütt aber von ainem ain schriben 20 verlesen, also das der hertzog Wirttemberg sich mitt 200 pfärt gerüst zum küng, aber us ursachen 21 underlassen. Sonders 22 syg er gwiss mitt 100 pfärtt zum landtgraffen. Da komen vil fürsten zu samen etc. Es ist ettwas, ob es Münster oder da niden den küng antreff, mag ich nitt wissen 23 . Sonder och syg her Jörg von Hewen da haim, der dann mitt 6 pfärt solt mitt im sin zum küng.

lttem der mörder 24 , als ich hör, von filen zu Roschach gesechen richten, in grosser marter sine sünd bekent und lut geschruwen, das er uff dem glouben sterben, daß Christus, der sun gottes, für inn gestorben und inn mitt sinem plutt von sinen sünden gewäschen.

Grützend uns beden 25 üwer gantzes hus.

Il 26. Actum S. Gallen, fritag nach Urbany anno 35. jar.

U[wer]schuldiger, w[illiger]

Hans Vogler

zu S. Gallen.

[Adresse auf der Rückseite:]An minen sonders geliepttenn hernn unnd fründt, M. Hainrichenn Bullingernn, prediger zu Zürych, zu hannden.

17 als unerträglich (SI III 1092).
18 Der Fall wurde schließlich auf der eidgenössischen Tagsatzung, die vom 8. Juni an in Baden tagte, verhandelt. Die Mehrheit entschied, daß der Priester [Sigmund Wäch] — in Berücksichtigung seines Alters und der Tatsache, daß er die inkrimierten Worte nicht öffentlich ausgesprochen hatte - nicht abgesetzt werden solle; dem Landvogt im Rheintal blieb die Ausfällung einer Geldstrafe vorbehalten. Vgl. EA IV/1c 508 z.
19 rehabilitiert werden (vgl. SI III 274f).
20 Brief des Jakob Grübel an Vadian, 25. Mai 1535 (Vadian BW. Nr. 817).
21 mit (gutem) Grund (SI VII 119).
22 Insbesondere.
23 Herzog Ulrich von Württemberg hatte
ursprünglich die Absicht, für den Lehensempfang am 6. Mai 1535 zu König Ferdinand zu reisen; die Belehnung wurde jedoch auf den 6. August verschoben, und der Herzog brach stattdessen am 18. Mai (vgl. Vadian BW V 220) zu Landgraf Philipp von Hessen auf, der in Ladenburg (Baden-Württemberg) mit Städtevertretern Verhandlungen führte. Vgl. Jakob Wille, Philipp der Großmüthige von Hessen und die Restitution Ulrichs von Wirtemberg 1526-1535, Tübingen 1882, S. 242-244; PC II 266. 268-271; PA III 648-650.
24 Unbekannt.
25 Vogler meint sich und seine Frau.
26 In Eile.