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[525]

Johannes Ritter an
Bullinger
Konstanz,
11. Februar 1535

Autograph: Zürich StA, E II 362, 32 (Siegelspur) Ungedruckt

Wurde von Vogt Jakob Locher und den Weinfelder Katholiken beim Landvogt [Christoph von Sonnenberg] derart verunglimpft, daß dieser ihn festnehmen lassen wollte, dann aber, als er den Knechten entwischte, seine Habe mit Beschlag belegte; er befindet sich bei Johannes Zwick in Konstanz und teilt dies Bullinger mit, damit man [in Zürich] wachsam bleibt.

Gratia et pax a deo etc.

Lieber Meister Heinrich, alß ich kurtz verschinen tagen by üch gewesen bin, hab ich den a handel und anklag, for dem landtvogt 2 zu Frowenfeld, beschehen durch die messgsellen 3 zu Wynfelden und besunders durch Jocob Locher 4 , vogt daselbs, und houptman Eberli 5 , üch gnugsam erzelt und anzeigt,

a den übergeschrieben.
1 Die Angaben zur Person des Johannes Ritter sind dürftig. Wahrscheinlich war er jener Pfarrer, den die Weinfelder ohne Einverständnis des Kollators kurz zuvor eingesetzt hatten (vgl. J. J. Wälli, Geschichte der Herrschaft und des Fleckens Weinfelden, Weinfelden 1910, S. 399; vgl. auch Hermann Lei, Evangelisch Weinfelden. Ein Blick zurück. Geschichte der Evangelischen Kirchgemeinde Weinfelden, Weinfelden 1979, S. 35f. 185; die Liste der Pfarrer müßte entsprechend korrigiert werden). Nach dem im vorliegenden Brief beschriebenen Festnahmeversuch floh Ritter zu Johannes Zwick nach Konstanz (vgl. auch unten Nr. 526, 47-49). Gegen Ende des Monats reiste er zu Ambrosius Blarer nach Tübingen, wahrscheinlich in der Hoffnung, durch diesen zu einer Pfarrstelle in Württemberg zu gelangen (vgl. Blarer BW I 664 und 665, Anm. 2). Dies ist ihm wohl früher oder später auch gelungen; denn für die Jahre 1542 bis spätestens 1545 ist er als Pfarrer in Unterweissach (Baden-Württemberg) nachgewiesen (vgl. Gustav Bossert, Die württembergischen Kirchendiener bis 1556, in: BWKG 9, 1905, S. 9, und Sigel, s. v. Ritter). Weitere Briefe Ritters an Bullinger liegen nicht vor.
2 Eidgenössischer Landvogt in der Landgrafschaft Thurgau war Christoph von Sonnenberg aus Luzern.
3 Gemeint sind Ritters katholische Widersacher in Weinfelden.
4 Jakob Locher von Brugg (Kt. Aargau) war 1534 Vogt in der im Besitz der Familie Muntprat befindlichen Herrschaft Weinfelden (vgl. J. J. Wälli, aaO, S. 23). Vielleicht handelt es sich um jenen Jakob Locher, der in Brugg Weibel, dann Ratsherr und schließlich, 1527-1530, Schaffner des Klosters Wittichen im Schwarzwald war (vgl. Max Banholzer, Geschichte der Stadt Brugg im 15. und 16. Jahrhundert. Gestalt und Wandlung einer schweizerischen Kleinstadt, Diss. Zürich, Aarau 1961, S. 81. 207).
5 Hans Reinhart Aberli (Eberli) gehörte zu den führenden Männern Weinfeldens. Im Jahre 1529 reiste er zusammen mit Ammann Hans Sinz und Großulrich Keller nach Zürich, um die Absetzung ihres Leutpriesters Ulrich Nör zu verlangen. Als Hauptmann führte er das Fähnlein der Weinfelder und Oberthurgauer im zweiten Kappelerkrieg; im Zürcher Kriegsrat genoß er hohe Achtung. 1538 amtete er als Ammann Weinfeldens. — Lit.: Hermann Lei, Weinfelden. Die Geschichte eines Thurgauer Dorfes, Weinfelden 1983, S. 206f. 378; J. A. Pupikofer,

namlich wie sy mir so schantlich mine wort verkert handt, und dass ich von dem friden gottis und der welt friden mitt türren 6 , kloren worten uss der götlichen gschrifft worhafftig anzeigt hab, handt sy uff yren landtsfryden 7 mitt der unworheit deutet und usgelegt 8 . Uff sölches hinderrucks verklagen hab ich selbs fur den landtvogt kert 9 , und hernach zwen verordnete botten 10 von der gmeind dessglichen thon, und in uff dass trungelichsts 11 und flissigsts gebetten, dass er mich ouch welte verheren gütigklich und by recht lossen bliben und mitt mir nitt gohen 12 oder mich überfallen gwaltigklich; dann ich ym dess rechten syn wölte und des rechten erwarten 13 . Wölches er nun den botten verheissen hatt, wie aber gehalten, dass weist man yetzund in dem gantzen Thurgöw. Dann uff den oben 14 purificationis Mariae 15 , als man licht hatt anzündt, hett er gesandt syne schergen und knecht, und handt mitt grosser ungestiemy, mutwillen und bossheit mich ob dem nachtessen understanden gfencklichen anzenemen und ze fohen als einen mörder by nacht. Und aber der trüw gott, der wol kan die synen erretten, hett mich lossen warnen durch einen guten gynner. Doch geschachs so ylends, dass ich kum zu einer thür hinus kam, wie sy zu der andern hynin fielend. Und als sy mir dass huß zu dem andern mol durchlüffend, hand sy ouch miner hußfrouwen 16 etlich gelt mitt dem seckel gwaltigklich genomen und mis alles verhefft 17 , wass ich hab. Also byn ich zu doctor Hans Zwick 18 als minem vatter geflohen, der mich also in miner armut tröste und uffhalt. Will ich nun min hab, die worlich fast 19 klein ist, nitt gar dohinden lossen und verlieren und gar bloss mitt minen kleinen kinden 20 darvon ziehen, muss ich noch dem landtvogt 5 g[uldin] geben und 20 batzen, handt sy in derselben nacht uff mich verzert, ouch bezalen und dass geroubet gelt, dass sy minem wib mitt gwalt gnomen handt, ouch verloren haben. Also muss min husfrouw verkouffen fast 21 , wass wir handt, wellendt wir die summ ussrichten. Also ellengklich gott man mitt uns um ym Thurgöw, und mögen minder zu recht komen dann under den Türcken. Söllichs hab ich üch alß minem lieben und getrüwen vatter nitt mögen verhalten,

Thurgauische Kriegsgeschichte oder Geschichte des Thurgauischen Wehrwesens und der im Thurgau vorgefallenen Kriegsereignisse, in: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 7, 1866, S. 51; Helmut Meyer, Der Zweite Kappeler Krieg 163. 216; HBLS V 577 (dort fälschlicherweise unter Paul Reinhard).
6 gewichtigen, eindringlichen (SI XIII 1329).
7 Der Friedensvertrag von 1531 (vgl. EA IV/1b 1567-1571).
8 Offenbar wurde der zweite Artikel des Vertrages, der ein Schmähverbot enthielt (vgl. ebd., S. 1569), gegen Ritter angewendet.
9 mich begeben (SI III 435).
10 Unbekannt.
11 eindringlich (vgl. SI XIV 1109f).
12 übereilig verfahren (SI II 101).
13 denn ich war ihm erbötig, mich dem Rechtsverfahren zu stellen und das Recht zu gewärtigen.
14 Vorabend.
15 2. Februar 1535.
16 Ehefrau. — Ihr Name ist nicht bekannt.
17 als Pfand in Beschlag genommen (vgl. SI II 1055. 1058).
18 Vgl. oben Anm. 1.
19 sehr (SI I 1111f).
20 Über die Familienverhältnisse Ritters ist nichts bekannt.
21 beinahe (SI 1113).

ob 22 doch etwa uff einen andern ein besser uffsehen 23 geschehe. Sölchen unfal 24 hab ich fürnemlich von Jocob Locher. Wass er für ein man sy, werden ir finden in minem andern brieff 25 .

Vale vir optime et nos exilio iam relegatos et ab impiis tyrannis expulsos ecclesiae tue precibus comendatos habe.

Datum Constantie, 11. die februarii anno 35.

Johannes Rytter, quondam

Wynfeldensis ecclesie minister.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo antistiti Tigurino Heinrico Bullingero.