Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[505]

Ambrosius Blarer an
Bullinger
[Tübingen],
7. Januar [1535]

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 828 (Siegelspur) Zusammenfassende Übersetzung und Teildruck: Blarer BW I 622f

Bittet um Stellungnahme zu seiner Verteidigungsschrift. Herzog [Ulrich von Württemberg] schätzt Bullinger und fördert die Reformation; Blarer ist in seinem Dienst sehr beschäftigt. Die Vorsteher der Universität [Tübingen] halten an der alten Studienordnung fest, [Simon] Grynäus und Blarer arbeiten im Auftrag des Fürsten an einer neuen. Bittet um Empfehlung bei den Zürcher Gelehrten. Beruft [Georg]Enkelin nach Lustnau und Heinrich Finitz nach [Dornhan]. Grüße.

Gratia Christi tecum.

Mitto exemplum apologie nostre 2 , clarissime Bullingere, venerande in domino frater, de qua quid iudices, rogo, me facias, ubi primum licebit, certiorem 3 .

Princeps 4 te omnino facit plurimi, deamat et suspicit. Literarum tuarum 5 iam non semel fecit honestissimam mentionem. Vere christianus est et Christum querit. Propediem clarissimis a argumentis demonstrabit serio se agere evangelicum negocium. Ego non possum quicquam praeterea ad te, sic distineor. Heri ab illo redii 6 , hodie mihi rursum adeundus. Aliud ex alio negocium seritur.

Gymnasii proceres 7 in omnia se torquent, ut veterem studiorum tenorem et ordinem retineant. Grynaeus et ego aliam omnino rationem et commodiorem et magis frugiferam principis authoritate freti meditamur 8 . Tu dominum ora, ut omnia feliciter succedant.

a vor clarissimis gestrichenes ch.
1 Das Jahr und der Absendeort ergeben sich aus dem Inhalt, vgl. Z. 2 (mit Anm. 2) und 11-13 (mit Anm. 8).
2 Gemeint ist der "Bericht Ambrosii Blaurer von dem widerruff...", Tübingen, 4. Januar 1535; s. HBBW IV, S. 385, Anm. 24.
3 Bullingers Stellungnahme ist nicht erhalten.
4 Herzog Ulrich von Württemberg.
5 HBBW IV, Nr. 407 und 433.
6 nach Tübingen, Blarers Amtssitz.
7 Gemeint sind der Universitätskanzler Ambrosius Widmann und unter den Professoren vor allem die Theologen Johann Armbruster (seit 18. Oktober 1534 Rektor), Peter Brun und Gall Müller (vgl. Friedrich Held, Die Tätigkeit des Ambrosius
Blarer im Herzogtum Württemberg in den Jahren 1534-1538, dargestellt nach seinem Briefwechsel, in: BWKG LXV, 1965, S. 181-186; unten Nr. 530, 13-15).
8 Grynäus und Blarer, die am 11. November 1534 von Herzog Ulrich zur Umgestaltung der Tübinger Schulen beauftragt worden waren und am 21. Dezember ihre ersten "Ratschläge" abgeliefert hatten, arbeiteten jetzt neue, allerdings nicht mehr erhaltene Vorschläge aus. Diese bildeten die Grundlage für die von Herzog Ulrich am 30. Januar erlassene neue Ordnung (Urkunden zur Geschichte der Universität Tübingen aus den Jahren 1476 bis 1550, [hg. v. Rudolf Roth], Tübingen 1877, S. 176-185, Nr. 38). Vgl. Johannes Haller, Die Anfänge der Universität Tübingen 1477-1537, Stuttgart 1929, S. 332-335; Zweiter Teil: Nachweise und

Commenda me charissimis, qui tecum sunt, fratribus: Pellicano, Leoni 9 , Theodoro 10 etc.

Fuit hic Enckelinus 11 , quem nondum crediderim istic esse. Rogo autem, ut, cum primum ad vos redierit, cum uxore 12 et liberis in pagum Lustnow 13 mox se conferre iubeas, nam expedita iam res est. Haeret etiamnum Ulmae. Praeterea epistolium 14 , quod hic vides, per Christum te obsecro, ut d. Heinrico Finitz 15 , Weningensi parocho 16 , mittendum cures. Voco illum ad ecclesiam, cui superioribus annis praefuit 17 .

Sed bene vale, observande mihi multis nominibus Bullingere, et ignosce pauca et obiter scribenti. Sic nunc sunt res meae, ut totus inservire cogar semel susceptae provinciae 18 . Salutem dic plurimam optimae et castissimae uxorculae tuae 19 . Salvum te cupit cum omnibus fratribus et amicis Grynaeus noster, incomparabili

Erläuterungen, Stuttgart 1929, S. 130*. 209*; Held, aaO, S. 184f; vgl. auch unten Nr. 530, 12-26.
9 Leo Jud.
10 Theodor Bibliander.
11 Georg Enkelin, geb. um 1492, gest. 1535, von Ulm, gehörte seit 1510 dem Ulmer Dominikanerkonvent an. Angeblich wegen ketzerischer Neigungen war er zeitweise in Klosterhaft. Nach seinem Austritt heiratete er und predigte ab 1531 in Bernstadt bei Ulm, wo er einen Bildersturm veranlaßte. Bereits 1532 wurde er wegen ärgerlichem Lebenswandel entlassen und auf eine Kaplaneipfründe in Ulm versetzt. Offenbar hielt er sich zeitweise in Zürich auf. Seine Berufung nach Lustnau erfolgte auf Grund einer Empfehlung von Frecht. In Lustnau lebte er so verschwenderisch, daß ihn Blarer schon im März 1535 nach Türkheim bei Geislingen versetzte. — Lit.: Blarer BW I, Reg.; Friedrich Keidel, Der Personalbestand der Ulmer Bettelklöster zur Zeit ihrer Auflösung, in: BWKG II, 1898, S. 139; Held, aaO, S. 175; Hermann Tüchle, Beiträge zur Geschichte des Ulmer Dominikanerklosters, in: Aus Archiv und Bibliothek. Studien aus Ulm und Oberschwaben, FS Max Huber, Weißenhorn 1969, S. 203. 206f.
12 Enkelins Ehefrau ist namentlich nicht bekannt.
13 Lustnau bei Tübingen.
14 Nicht erhalten.
15 Heinrich Finitz (Finentz, Findnitz) aus Haigerloch immatrikulierte sich 1497 in
Tübingen (Tübingen, Matrikel I 116, Nr. 33 [Sinintz]). Ambrosius Blarer, der ihn am 4. November 1525 Zwingli empfahl, bezeichnet ihn als seinen ersten Lehrer. Als Pfarrer der Alpirsbacher Klosterpfarrei Dornhan (Kr. Rottweil, Baden-Württemberg) war er 1524 wegen seiner evangelischen Gesinnung in Bedrängnis geraten. 1528 bis mindestens 1533 wirkte er als Diakon in Niederweningen (vgl. Anm. 16). Nach seiner Rückkehr blieb er bis 1548 in Dornhan. 1549 kam er nach Pfalzgrafenweiler, 1554 nach Tumlingen (beide Kr. Freudenstadt). — Lit.: Blarer BW I 122f; Z VIII 414, Anm. 2. 416; Gustav Bossert, Württembergisches aus dem Briefwechsel des Ambr. und Thom. Blarer, in: BWKG XIII, 1919, S. 3f; ders., Die Reformation im heutigen Dekanatsbezirk Sulz a. N., in: BWKG XXXVIII, 1934, S. 237-239; Pfarrerbuch 270.
16 Finitz war nicht Pfarrer, sondern Diakon in Niederweningen (Kt. Zürich). An der Zürcher Herbstsynode 1533 warf man ihm vor, er habe heimlich um die dortige Pfarrstelle geworben, und ermahnte ihn, weiter dem Pfarrer zu helfen (AZürcher-Ref 1988, S. 878). Schon 1533 wird allerdings als Diakon Benedikt Finsler genannt, vgl. Pfarrerbuch 63.
17 Dornhan.
18 Zu Blarers Aufgabe, Württemberg ob der Steig und die Universität Tübingen zu reformieren, vgl. Held, aaO, S. 150-206; Brecht, Blarer in Schwaben 154-168.
19 Anna Bullinger, geb. Adlischwyler.

pietate et eruditione vir, quem unice complectitur princeps. Iterum vale, cor meum, et me, ut facis, ama.

7. ianuarii b .

Tuus Ambrosius Blaurerus.

[Adresse auf der Rückseite c :]Clarissimo viro d. Heinricho Bullingero, Tigurinorum episcopo, observando in Christo fratri.