Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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34

HULDRYCH ZWINGLI AN
BULLINGER
Zürich,
22. Juni 1530

Autograph: Zürich StA, E I 3. 1, Nr. 63 1 S. 4°, sehr gut erhalten, mit Siegelabdruck Gedruckt: S VIII 470; Z X 640 f

Empfiehlt ihm den durch Bremgarten nach Basel reisenden Andreas Karlstadt.

Gratiam et pacem a domino, charissime Heymryche. Hic, quem vides, Carolstadius 2 est, homo sane talis, qualem se Luterus esse credit, cum tamen non sit alius, quam ipse Carolstadium esse predicat 3 . Eum deduci ad iter, quod Basileam 4 pergit, facito. Strennue pauper est, quapropter, qui quid potestis, iuvate et opitulamini, non ut nostra hauriatis, sed ut de nostro quid ei refectionis obveniat.

Vale et Gervasio 5 salutem nostro nomine iubeto.

Tiguri, 22. die junii diluculo 1530.

Huldrych Zuinglius tuus.

1 Siehe oben, S. 67, Anm. 6.
2 Andreas Bodenstein, nach seinem Geburtsort Karlstadt genannt, etwa 1480-1541, studierte 1499-1504 in Erfurt und Köln, kam 1505 nach Wittenberg, promovierte 1510 zum Dr. theol. und wurde Archidiakon. Infolge seiner Augustinlektüre wurde er ein entschiedener Anhänger Luthers. Zusammen mit diesem disputierte er 1519 in Leipzig gegen Eck. Durch die Ereignisse in Wittenberg während Luthers Wartburgaufenthalt kam es zwischen ihm und dem Reformator zum Bruch. Karlstadt wurde nun Pfarrer in Orlamünde und bemühte sich besonders um die Aktivierung der Laien. Unter Mithilfe Luthers wurde er mit seiner Familie 1524 aus Sachsen vertrieben und führte daraufhin ein Wanderleben. Über Straßburg und Basel kam er 1530 nach Zürich, wo er als Diakon und Korrektor wirkte. Von einer nur viermonatigen Tätigkeit als Pfarrer in Altstätten im sankt-gallischen Rheintal unterbrochen, blieb Karlstadt bis zum Sommer 1534 in Zürich. In enger Gemeinschaft wirkte er mit den Zürcher Pfarrern, die ihn gegen Luthers Angriffe in Schutz nahmen. Von 1534 bis zu seinem Tod war Karlstadt als Professor für Altes Testament in Basel tätig. Zwischen 1532 und 1541 hat Karlstadt mehrere Briefe mit Bullinger gewechselt. —Lit.: Emil Egli, Aus Carlstadts Predigten in Zürich, in: Zwa I 94-96; E. Freys und H. Barge, Verzeichnis der gedruckten Schriften des Andreas Bodenstein von Karlstadt, in: Centralblatt für Bibliothekswesen, Jg. XXI, 1904, S. 153-179. 209-243. 305-331 (Nachdruck: Nieuwkoop 1965); Hermann Barge, Andreas Bodenstein von Karlstadt, 2 Bde., Leipzig 1905 (Nachdruck: Nieuwkoop 1968); zum frühen Einfluß Karlstadts in der Schweiz vgl. Oskar Vasella, Zur Biographie des Prädikanten Erasmus Schmid, in: ZSKG 50, 1956,353-366; Schl. 9616-9649. 55359-55368.
3 Die heftigsten Ausfälle Luthers gegen Karlstadt finden sich in der Schrift «Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament», 1525, WA XVIII 37ff; vgl. Barge, aaO, II 266ff.
4 Karlstadt ging von Zürich aus nach Basel, um dort seine Angehörigen abzuholen. Am 25. Juni ist er in Basel anwesend, Z X 645,5; s. Barge, aaO, II 423f.
5 Gervasius Schuler (Scholasticus), etwa 1495-1563, in Straßburg geboren, erhielt nach dem frühen Tode des Vaters seine Ausbildung in der Schweiz. Seit 1520 als Diakon in Zürich, 1525-1528 auf Empfehlung Zwinglis als Pfarrer in Bischweiler (Elsaß), wo er wegen seines Eintretens für eine milde Behandlung der Teilnehmer am Bauernkrieg abgesetzt wurde. Als Nachfolger von Dekan Heinrich Bullinger wurde er im Jahre 1529 Pfarrer in Bremgarten. Von dort zusammen mit Heinrich Bullinger im November 1531 vertrieben, hielt er sich vorübergehend in Zürich auf und wandte sich dann nach Basel. Ende 1533 folgte er einem Ruf nach Memmingen und blieb dort bis 1548. Vorübergehend als Archidiakon in Zürich tätig,

Carolstadius ad nos transmigrabit 6 , donec ei divina bonitas prospiciat. Liberos abit adductum, quorum tres habet, et eos mares 7 .

[Adresse auf der Rückseite:] Heimrycho Bullingero, Brangarti 8 evangeliste, fratri suo charissimo a.

a darunter von Bullinger: Hand: H. Zuinglius.
5f ging er 1550 als Pfarrer nach Lenzburg, wo er 1563 starb. Heinrich Bullinger nennt Schuler einen frommen und gelehrten Mann (HBD 17,9); die beiden wirkten in Bremgarten in gutem Einvernehmen und blieben zeitlebens freundschaftlich verbunden, wie der umfangreiche Briefwechsel zeigt. — Lit.: HBD 18,25; 20,21; 127,5; HBRG II 61; III 9.266f; Z VIII 215, Anm. 4; Z X 90f. 640, Anm. 2; [F. W. Culmann], Skizzen aus Gervasius Schuler's Leben und Wirken in Zürich, Bischweiler, Bremgarten, Basel, Memmingen und Lenzburg, von 1520-1563, Straßburg 1855; A. Mary, Gervasius Schuler und sein Wirken in Bischweiler, in: Feier des 400jährigen Reformations-Jubiläums am 28. Juni 1925 in Bischwiller, Ansprachen und Festpredigt (Bischweiler 1925), S. 3-9; Hänny (S. 51: Schriftenverzeichnis); Blanke 118ff; Pfister Nr. 124. 631.633. 633a, S. 200; Pfarrerbuch 516; HBLS VI 251.
6 Mitte Juli traf Karlstadt mit seinen Angehörigen in Zürich ein, Z XI 24,4f; 34,1; s. Barge, aaO, II 424.
7 Vermutlich hießen die drei Knaben Johannes, Andreas und Adam, Barge, aaO, II 518f.
8 Bremgarten.