Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

[347]

Dionysius Melander an
Bullinger
Frankfurt am Main,
3. April 1534

Autograph: Zürich StA, E II 356a, 931 (Siegelspur) Gedruckt: K[laus] Martin Sauer, Dionysius Melander d. A. (ca. 1486-1561). Leben und Briefe, in: Jahrbuch der hessischen kirchengeschichtlichen Vereinigung, Bd. 29, [Darmstadt] 1977, S. 29f

Bullingers Kommentar zur Apostelgeschichte gefällt den Frankfurtern. Christoph [Froschauer] hat berichtet, weshalb das Geldgeschenk an Bullinger unter die Bedürftigen verteilt wurde. Melander hat Bullingers Dank dafür ausgerichtet. Dieser soll mit seiner Arbeit fortfahren. Mit Spannung erwartet man seine Kommentare zu den Korintherbriefen. Luther wird Erasmus erneut gegen die Reformierten aufbringen. Die Täufer haben die Kirche in Münster in die Irre geführt. Warnung vor Hoffman, Campanus, Servet, Bünderlin u. a. Mahnung, weiterhin die Feinde zu bekämpfen. Grüße, namentlich an Rudolf [Collin] und Theodor [Bibliander].

Gratiam et pacem a deo per Christum.

Eruditissimi commentarii tui in Acta Apostolica 2 , Bullingere doctissime, senatui nostro ut piis omnibus arriserunt, et ut eorum gratos animos agnosceres, xeniolum quoddam miserunt. Quod autem in egenorum usum dispartitum

1 Dionysius Melander (Schwarzmann) d. Ä., ca. 1486-1561, aus Ulm, trat um 1505/06 ins dortige Dominikanerkloster ein, begann im evangelischen Geiste zu predigen und wurde 1522 aus dem Orden entlassen. Im Mai 1525 wurde er als erster evangelischer Prädikant nach Frankfurt am Main berufen. Von hier aus unterhielt er seit 1526 schriftliche Kontakte zu Zwingli, Oekolampad und nach deren Tod 1531 verstärkt zu Bucer. Er übernahm Zwinglis Abendmahlsauffassung, was zu Auseinandersetzungen mit dem lutherisch gesinnten Mitpfarrer Johann Cellarius und zu dessen Weggang im September 1532 führte (s. HBBW III 69, Anm. 5). Die Abschaffung der Messe im April 1533 (s. HBBW III 174, Anm. 6) war Melanders größter, allerdings mit fragwürdigen Druckmitteln erzielter Erfolg. Schwierigkeiten mit den übrigen Prädikanten und die zunehmend gegen Melander gerichtete Meinung der Frankfurter Bürgerschaft veranlaßten ihn, im Frühjahr 1535 die Stadt zu verlassen. Im gleichen Jahr erfolgte die Berufung nach Kassel durch Philipp von Hessen, dessen Hofprediger er 1536 wurde. In dieser Stellung half er mit beim Ausbau der Kirche in Hessen, gehörte zu den Beratern der Kasseler Kirchenordnung 1539, unterzeichnete die Stipendiatenordnung 1546, wirkte an mehreren Gutachten zu
Fragen der Kirchenzucht und zu theologischen Problemen (Täuferfrage, Judenratschlag) mit und begleitete Philipp wiederholt zu den Tagungen des Schmalkaldischen Bundes und an verschiedene Reichstage. Die umstrittene Doppelehe Philipps verteidigte Melander trotz Vorhaltungen Bullingers (Bullinger an Melander, 31. August 1540, gedruckt bei Sauer, aaO, S. 33). Das Interim lehnte er ab, weshalb er einige Monate ins Exil gehen mußte. Die Protektion Philipps ermöglichte ihm aber die Rückkehr nach Kassel. Mit Bullinger stand er zeitlebens in freundschaftlichem Kontakt. Mehrere Stücke ihres Briefwechsels sind erhalten. Bullinger widmete ihm seine Kommentare zu den Korintherbriefen (s. Anm. 6). Melanders Sohn Dionysius d. J. studierte 1561 in Zürich und wohnte in Rudolf Gwalthers Haus. - Lit.: Z IX 75, Anm. I. X 539. XI 136; Sauer, aaO, S. 1-36; Sigrid Jahns, Frankfurt, Reformation und Schmalkaldischer Bund. Die Reformations-, Reichs- und Bündnispolitik der Reichsstadt Frankfurt am Main 1525-1536, Frankfurt a. M. 1976. - Studien zur Frankfurter Geschichte, Heft 9, passim; Contemporaries II 429.
2 Bullingers Kommentar zur Apostelgeschichte (HBBibl I 43) war 1533 erschienen und der Stadt Frankfurt am Main gewidmet, s. HBBW III Nr. 255.

est 3 , causam exposuit Christophorus 4 noster. Senatui, ut audio, perplacet, modo vicissim tu gratus sis. Quibus ut fidem facerem, litteras tuas 5 , gratitudinis testes legendos, exhibui, tuamque gratitudinem commendarunt, esque senatui nostro propter pietatem atque eximiam eruditionem commendatissimus. Probantur etiam lucubrationes tuae piis atque eruditis. Perges igitur, uti caepisti, fortiter Christi spiritu aspirante. Video enim iam passim eos libros contemptui expositos, qui contentioso spiritu sunt scripti. Quibus turbantur ecclesiae, laeditur charitas, offenduntur infirmi. Quibus vero aedificatur ecclesia, iam tandem grati sunt. Ecclesiae igitur adsis, perge scribendo. Christus ut hactenus suo spiritu tibi aderit. Expectamus pii omnes ardentissimis votis, quae nunc meditaris in Chorinthios 6 . Sunt enim epistolae, quae varia tractant, locos communes insignes, hoc nostro saeculo maxime necessarios atque observandos 7 . Orabimus Christum, ut quod in te et per te caepit, perficere velit. Amen.

De Hassiae et Saxoniae ecclesiis nihil habeo, quod scribam, nisi quod Lutherus suo more amarulentis convitiis denuo in se, immo verius in nos omnes provocabit Erasmum 8 . Res vehementer displicet optimis viris -paucis, qui a larva pendent Lutheri, demptis. Orandus est sedulo Christus, ut ille nobis succurrat. Video enim omnia fermentata esse. Anabaptistae misere seduxerunt ecclesiam Monasteriensem. Quorundam manibus teruntur perniciosissimi libelli Melchioris Hofmans, Campani cuiusdam, Michaelis Serveto, Binderlins 9 , ac similium. Vigilemus igitur. Ad haec Lutherani papistis longe

3 Bullinger hatte vom Frankfurter Rat ein Geschenk von 12 Goldgulden erhalten und diese gemäß den Weisungen über Geldgeschenke dem Zürcher Rat übergeben, der sie unter die Armen des Spitals verteilen ließ, s. HBD 23, 11-14; Pestalozzi 168.
4 Christoph Froschauer.
5 Nicht erhalten.
6 Bullingers Kommentar zum 1. Korintherbrief erschien im Juni 1534 bei Froschauer in Zürich (HBBibl I 53; s. unten Nr. 387), jener zum 2. Korintherbrief im März 1535 ebenda (HBBibl I 71). Beide Werke sind Melander gewidmet.
7 An diesen Gedanken schließt Bullinger in seiner Widmungsvorrede zum 1. Korintherbrief direkt an und zählt die wichtigsten Themen einzeln auf (unten S. 198f, 7-58.
8 Gemeint ist sicher Luthers scharfer Angriff auf die Theologie des Erasmus im Brief an Nikolaus von Amsdorf, [Wittenberg, um den 11. März 1534](WA, Briefe VII 27-40). Der Brief war im März 1534 in Wittenberg im Druck erschienen. Vgl. auch unten S. 127, 25-33.
9 Hans Bünderlin (Bünderlius, Wynnderl, Wunderle, Hans Fischer), geb. um 1500 in St. Peter bei Linz, studierte 1515-1518 in Wien und schloß sich etwa 1526 der
reformatorischen Bewegung an. Seit 1527 wirkte er als Vorsteher der Täufergemeinde in Linz, wandte sich aber bald darauf von den Täufern ab. 1528 beginnt ein unstetes Wanderleben mit Aufenthalten in Straßburg (1529), wo vier seiner Schriften gedruckt wurden, in Konstanz (Anfang 1530), darauf möglicherweise in Schlesien, später zusammen mit Schwenckfeld in Ulm (1539), danach in Augsburg. Seine Spur verliert sich dann völlig. Er zählt zu den Spiritualisten, übt in seinen Werken z. T. Kritik am Täufertum und beeinflußte offenbar Sebastian Franck direkt. - Lit.: Ulrich Gäbler, Johannes Bünderlin, in: Bibliotheca Dissidentium. Répertoire des non-conformistes religieux des seizième et dix-septième siècles, éd. par André Séguenny, Bd. III, Baden-Baden 1982. - Bibliotheca Bibliographica Aureliana XCIII, S. 9-42 (mit Bibliographie und weiterer Lit.); Claude R. Foster, Jr., Hans Denck and Johannes Bünderlin: A comparative Study, in: MQR XXXIX, 1965, 115-124; Ulrich Gäbler, Zum Problem des Spiritualismus im 16. Jahrhundert. Das Glaubensverständnis bei Johannes Bünderlin von Linz, in: ThZ 29, 1973, 3 34-344; Ulrich Gäbler, ,Johannes Bünderlin von Linz (vor 1500 bis nach 1540). Eine biographische

pertinaciores sevire in nos non cessant. Pergamus igitur gladio spiritus 10 arcere a caulis lupos rapaces 11 et tandem in Christo vincemus. Amen. ,

His, mi humanissime Bullingere, bene vale et hoc epistolium verius inter occupationes effusum quam scriptum boni consule et me nostramque ecclesiam Christo tuis commenda precibus. Salutabisque meo nomine diligenter symmystas tuos omnes, nominatim autem, quos novi Rodolphum 12 Marpurgi et Theodorum 13 Francofordiae 14 . Iterum atque iterum vale.

Francofordiae, 3. aprilis 1534.

Dionysius Melander

tuus deditissimus.

[Ohne Adresse.]