[2978]

[Johannes Haller]
an Bullinger
[Augsburg],
4. August [1547]

Autograph: Zürich StA, E TI 359, 3068r.-3069v. [Anfang] und 3065r. [Schluss] (Siegelspur) Ungedruckt

[J] Am 2. August kam endlich der erwartete [Zürcher Stadt]bote [Andreas Müller]. Die Antwort des Zürcher Rates [vom 28. Juli], die dieser mitbrachte, war allerdings unerwartet! Was wollen denn die Zürcher von Haller? Er war der erste Zürcher Pfarrer in Augsburg, und als Letzter ist er immer noch da. Stets war er bemüht, sich dem Willen des Rates anzupassen, doch zollt man ihm dafür keine Anerkennung und kümmert sich kaum um sein Heil! -[2]Für Bullingers Bemühungen ist er aber dankbar. Thoman Ruman wird dem Zürcher Rat Hallers Lage gut geschildert haben. Doch alles umsonst, genauso wie auch Hallers Brief [vom 24. Juli] und die Fürsprache des Schwiegervaters Ulrich Kambli und der Verwandten. -[3] Wie Bullinger schon schrieb [in Nr. 2969], wird es Gottes Plan entsprechen, dass Haller trotz all dieser Versuche weiterhin in Augsburg mit Worten und vielleicht sogar mit seinem Tod Zeugnis für Christus ablegt. Gottes Wille geschehe also! Haller wäre bereit, sein Leben aufzuopfern, wenn seiner Gemeinde die gegenwärtige Tyrannei erspart bliebe und die Wiedereinführung der alten Irrtümer (in einem wohl noch schlimmeren Maß als früher) verhindert werden könnte! Da er aber seiner Gemeinde nicht behilflich sein kann und die aufrichtigsten Gemeindemitglieder ihn dazu anhalten, die Stadt rechtzeitig zu verlassen, ja sogar nicht begreifen, warum. er dies nicht schon getan hat (wo er doch gute Grunde dazu hätte), begann er, sich Gedanken über sein Heil zu machen, zumal er die ihm von Gott angebotenen Gelegenheiten nicht leichtfertig verschmähen will. Und da er unter den Schutz des Zürcher Rates steht, war er der Meinung, guten Grund zu haben, Augsburg verlassen zu dürfen. Nun aber wurde ihm dieser Ausweg verwehrt, und er sitzt zwischen allen Stühlen! -[4]Alle anderen Pfarrer wären schon längst abgereist, wenn sie wie er einen Zufluchtsort gehabt hätten! Er hat ausgeharrt, und das Schlimmste dabei war, von seinen Kollegen hören zu müssen, er sei vom Zürcher Rat verraten worden, ja dieser stecke mit dein Augsburger Rat unter einer Decke, wie einst Pontius Pilatus und Herodes gegen Christus! -[5] Das alles hat ihn dermaßen aufgebracht (Bullinger wird es gewiss an seinen Briefen gespürt haben!), dass er sich vorgenommen hatte, nicht länger um seine Rückberufung zu bitten. Dann aber verdaute er seinen Ärger wieder. Als sich in Augsburg mit dem bevorstehenden Reichstag und der Ankunft von Kaiser Karl V. eine neue Tragödie anbahnte, vergaß er seinen Vorsatz und bat erneut um Zuflucht bei den Zürcher Ratsherren, die ihn schon einmal zurückgestoßen, ja sogar (laut einigen Augsburgern) verraten hatten. Und prompt wurde er nochmals abgewiesen! Was ihn am meisten in Wut bringt, ist nicht nur, was er dabei empfindet, sondern auch, was die anderen darüber und über ihn denken. -[6] Da aber Bullinger der Ansicht ist, dass die Zürcher Räte ihre Entscheidung nicht aus böser Absicht getroffen haben, unterdrückt Haller seine schmerzvolle Enttäuschung und verteidigt sogar diesen Entschluss den Verleumdern gegenüber. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Zürcher eine zu hohe Meinung von den Augsburgern haben.

19 Antistes.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Briefinhalt.

Wüssten sie, wie es wirklich mit diesen steht, dann hätten sie anders entschieden! Erst wenn man selbst eine Zeit lang mit den vornehmsten Leuten der Stadt zu tun gehabt hat, weiß man, wie übel es in diesem "Sumpf von Lerna"zugeht! -[7]Haller schweigt also besser zur Lage, jetzt, wo der schmutzige Abschaum aller Völkerschaften in der Stadt zusammenfließt und die Spanier, die schlimmsten unter allen Menschen, das Sagen haben. Ein ganzer Tag würde nicht reichen, um zu beschreiben, wie gewalttätig diese gegen die Bürger vorgehen, wie sie diese aus ihren Häusern vertreiben, aus ihren Betten werfen und ihnen alles rauben! Fast jeden Morgen werden Leichname Ermordeter aufgefunden. Es gibt viele Meuchelmörder, die für nur wenig Geld Menschen umbringen. Der Kaiser weiß nichts davon, und der Augsburger Rat erweist sich schwächer als eine Fliege! - [8]Einiges darüber wird Bullinger aus Hallers letzten hier beigelegten Briefen [Nr. 2970, Nr. 2972 und Nr. 2973]entnehmen können. Haller wollte sie nicht [zu einem Brief]umschreiben, da sie sehr ausführlich sind. Er konnte sie nicht, wie geplant, tiens eidgenössischen Boten [...]mitgeben, weil dieser sich immer noch in Augsburg befindet. -[9]Entgegen dem früheren Versprechen werden die Pfarrer gezwungen, ihre Kirchen zu verlassen und sie dem Teufel und dein Aberglauben zu überlassen. Dies führt zu Gewissensbissen, auch wenn man sonst bereit ist, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Haller muss an Ambrosius von Mailand denken. Denn wenn man diesen oder Christus (der die Religionshändler vertrieben hat) nachahmen wollte, würde man nicht anderes tun [können], als jegliche Predigt [der Gegner](auch jene, die nur für private Kreise bestimmt ist) abzuschaffen. Zwar ist alles erlaubt, aber nicht alles erbaulich. Daher können die Pfarrer nicht offen gegen die Gottlosigkeit vorgehen. Allerdings ermahnen sie in ihren Predigten die Leute, nicht an diesen gottlosen Bräuchen teilzunehmen. -[10]Am 1. August begann man, den Mariendom, dessen Vorsteher Wolfgang Musculus war, zu schmücken, besser gesagt zu verunstalten. Dabei bedient man sich der von der Augsburger Obrigkeit aufbewahrten Götzen (in der Vergangenheit hatten die Pfarrer vergebens sowohl persönlich als auch öffentlich dazu aufgerufen, diese Götzen heimlich zu verbrennen)! In der Dominikanerkirche werden täglich Messen und Totenmessen für die verstorbene Königin Anna von Böhmen abgehalten. Um deren Seele aus dem Orkus zu retten, schreit die frevelhafte Schar der Baalsanhänger den ganzen Tag lang! Man kann gar nicht alles aufzählen, was sonst noch dergleichen geschieht. Der Kaiser ist stets von zwölf italienischen und spanischen Bischöfen umgeben, die wiederum ganze Scharen von Pfaffen um sich, haben, so dass die Stadt voll von diesen Drecksleuten ist. -[11]Die Pfarrer werden hingegen wie Abschaum behandelt und sind für die Schlachtbank bestimmt. Doch ob tot oder lebend, gehören sie Christus an und müssen das Maß seines Leidens erfüllen. Haller weigert sich nicht, für Christus (der sein Leben ist) zu sterben. Leider gehen die [Kaiserlichen] nicht mit offener Gewalt, sondern mit tückischer List gegen sie vor, bis sie alles erneut unter ihre Macht gebracht haben. Haller würde sie lieber wie früher bekämpfen dürfen, als ansehen zu müssen, wie sie ihre alten Irrtümer wieder einschmuggeln. Doch geschehe der Wille des Herrn! -[12]Haller weiß nicht, was in der Antwort des Augsburger Rates an den Zürcher Rat [vom 4. August]steht. Viel wird versprochen und nichts gehalten, zumal der Rat machtlos ist. Dieser konnte nicht einmal Sebastian Lepusculus verteidigen, als Letzterer aus seinem Haus vertrieben wurde und den Spaniern Wein und Holz überlassen musste! Wenn Haller nicht auf Gottes Hilfe zählen könnte, hätte er Augsburg schon längst verlassen. Hans Welser versprach, dass er innerhalb von vier oder fünf Wochen beurlaubt sein werde. Er gestand zudem ganz offen ein, dass der Rat nicht in der Lage sei, ihm Schutz zu gewähren. Doch wer weiß, ob es tatsächlich zu dieser Entlassung kommen wird, und ob Welser damals nicht von anderen beauftragt war, ihm dies in Aussicht zu stellen. Haller wird ausharren, so lange er es vermag. Er weiß, dass er (falls nicht von den Zürchern) bestimmt von Gott dafür belohnt wird. -[13]Gruß, auch an die Kollegen, besonders an Rudolf Gwalther. Haller schreibt diesem so selten, weil er weiß, dass Bullinger ihm alles mitteilt. Anderenfalls würde er für diesen stets einen gesonderten Brief beilegen. Gut, dass der Sturm um ihn [und dessen "Endtchrist"]sich gelegt hat! Wurde doch auch Hallers Lage ein so gutes Ende nehmen! -[14]Soeben kommt Musculus und erzählt, dass gestern Abend um 6 Uhr drei berittene und mit Jagdspießen bewaffnete [kaiserliche]Hauptleute einen Sohn [...] des Bürgermeisters Jakob Herbrot, zusammen mit dem in Herbrots Geschäft angestellten [Georg] Feuchtweck und mit einem Sekretär

[...]des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen angriffen, als diese sich auf dein Weg in die Stadt von dein vor den Stadttoren gelegenen Garten Herbrots befanden. Der sächsische Sekretär wurde schwer verletzt und starb schon, als man, ihn in die Stadt hineinbrachte. Feuchtweck wurde schwer verwundet. Was mit Herbrots Sohn geschehen ist, weiß Musculus nicht. Haller wird sich erkundigen ([Am Rande nachgetragen:] Er konnte sich in Sicherheit bringen). Dies wurde im Beisein von Musculus geschrieben. -[15]Jederzeit muss man mit so etwas rechnen. Man möge für die Augsburger beten! Viele Familien von gutem Ruf verlassen die Stadt, damit ihre Kinder (besonders die Knaben) nicht geschändet werden. [Schulrektor] Sixt Birck wurde über zwanzigmal wegen Knaben aus der Schule angesprochen, und es ist klar, weshalb! -[16]Haller wird noch bis Ende Monat abwarten. Glauben ihm bis dann die [Zürcher], ist es gut. Wenn nicht, wird er sich mit Gottes Beistand davonmachen, was ihm bestimmt keiner, der die Lage in Augsburg kennt, übelnehmen wird. - [17] Gruß. -[18][P.S.:]Bullinger soll das vorliegende Schreiben und die ihm beigelegten Briefe den Ratsherren, den Kollegen und dein Landvogt von Kyburg, Bernhard von Chain, zeigen. Haller kann nicht jedem schreiben. -[19]Beiliegend ein Pasquill, das am Hof des Kaisers entstanden ist und die [Protestanten] verspottet. -[20] Ferner die Geschichte der Gefangennahme des Kurfürsten von Sachsen. - [21] Schließlich eine Darstellung der Unterwerfung des Landgrafen. Dieser wird immer noch in Donauwörth gefangen gehalten.

S. Venit tandem 2. augusti expectatus nuncius 2 , inexpectatum tamen Tigurini senatus afferens responsum 3 . Miror profecto, quid tandem de rne sentiant 4 aut quid me perpeti velint. Fui primus; 5 sum nunc postremus 6 Augustae, ipsorum voluntati perpetuo me attemperare studens, cuius aliam non reporto gratiam, quam quod video meam salutem ipsis parum curae esse!

Fecisti tu tuum officium, 7 pro quo tibi gratias ago maximas. Exposuit Romanus, ut arbitror, mearum rerum statum et conditionem. 8 Rogavi ego per literas; 9 rogarunt etiam mei, ut audio, socer 10 et affines", sed nihil potuimus impetrare omnes.

Age, si ita visum est domino (ut tu scribis 12 ), ut nobis omnibus reclamantibus hic Christum ore confitear et sanguine tester, flat domini voluntas, cui me immolo et consecro, quandoquidem ab omni humano video me destitutum

2 Der Zürcher Stadtbote Andreas Müller, der am frühen Morgen des 29. Juli von Zürich aufgebrochen war; s. Nr. 2969 und Anm. 22.
3 Das an Haller gerichtete Schreiben des Zürcher Rats vom 28. Juli; s. Nr. 2969, Anm. 5.
4 Subjekt sind die Zürcher Ratsherren.
5 Haller war bereits am 17. oder 18. November 1545 nach Augsburg gekommen, also fast ein ganzes Jahr früher als seine Kollegen Lorenz Meyer (Agricola), (Hans) Thoman Ruman (Römer) und Rudolf Schwyzer d.Ä., die am 22. September 1546 in Augsburg eintrafen; s. HBBW XV 649, Anm. 1; XVII 417f, Anm. 21.
6 Meyer und Schwyzer d.Ä. hatten Augsburg bereits am 5. März 1547 verlassen (s. HBBW XIX 284, Anm. 6), und Ruman war am 22. Juli 1547 abgereist; s. Nr. 2970,19.
7 Zu Bullingers Bemühungen s. Nr. 2917,1-7; Nr. 2958,1f.
8 Ruman war am 28. Juli in Zürich angekommen und hatte nur wenig später vor dem Zürcher Rat Bericht erstattet; s. Nr. 2969,2f.
9 Mit einem nicht mehr erhaltenen kurzen Brief, den Haller am 24. Juli Ruman anvertraut hatte; s. Nr. 2962,55f.
10 Ulrich Kambli. 11 Siehe dazu Nr. 2908. Anm. 20.
12 Siehe Nr. 2969,9-12.

auxilio! Scripsi prius aliquando, 13 quod etiam nunc scribo et ex animo scribo, me velle, imo cupere, si possibile esset, liberare ecclesiam meam sanguine meo 14 et vita ab hac tyrannide, qua video veteres errores omnes cumulatim reduci et redire spiritum illum malignum assumptis septem nequioribus et fieri postrema peiora primis. 15 Sed quoniam video nec me hac in parte succurrere posse ecclesiae nec ecclesiam mihi, imo syncerissima ecclesiae membra mihi consulere, ut ad tempus secedam, et mirari, quod non faciam, cum tantas habeam opportunitates, 16 hoc me fecit etiam cogitare de salute mea, nec me temere abdicare mediis et opportunitatibus mihi a domino concessis. Inter quae media primum fuit Tigurini senatus tutela, ad quam volui confugere, sed nunc cum etiam ab hac respuor, inter sacrum prorsus et saxum 17

Hoc scio nullum ex fratribus omnibus esse, qui non iam pridem discessisset, si, quo sibi confugiendum esset, ut ego scivi, scivisset! Sed distuli usque patiendo omnia, etiam hoc acerbissimum sustinendo, quod audire coactus sum a fratribus quibusdam, me prodi a meo magistratu Tigurino, et colludere inter se magistratus in negotiis nostris, sicut Pilatum 18 et Herodem 19 in negotio Christi. 20

||3068v. Haec licet me aliquando exacerbarint supra modum, sicuti in aliquibus tua pietas sensit proculdubio literis, ita ut statuerim nunquam amplius petere revocationem, 21 tamen illum stomachum ita denuo concoxi et digessi, ut immemor mei propositi iterum hac nova suboriente comitiorum 22 et caesaris 23 adventus tragoedia confugerim ad eos 24 , a quibus prius repulsam passus, et, ut ahi 25 interpretabantur, proditus eram. Sed nec nunc quidem impetravi aliud quam prius responsum! Unde non modo apropter id a , quod ego cogito, denuo plurimum exacerbor, sed maxime propter Id, quod cogitant et mihi exprobrant ahi 26 .

Sed quoniam etiam tuo testimonio non malevolo hoc decernunt 27 animo, ideo meos ego supprimo dolores et eos, sicuti pium est, ab his calumniis defendo. Imaginantur sibi (sat scio) nescio quae splendida; sed si pro his imaginationibus scirent, quomodo se res haberent in veritate, forsitan aliter

a-a Am Rande nachgetragen.
13 Vgl. HBBW XVIII 445; XIX 97. 253f.
14 Vgl. Röm 9, 1-5; 2Kor 12, 15.
15 Vgl. Mt 12, 45 par.
16 Vgl. Nr. 2970,19-22.
17 Vgl. Adagia 1, 1, 15 (ASD 11/i 128f, Nr. 15).
18 Pontius Pilatus.
19 Herodes der Große.
20 Vgl. Lk 23, 1-12. -Vgl. unten Z. 36; Nr. 2962 und Anm. 8.
21 Vgl. Nr. 2884,43-45; Nr. 2894,117-123.
22 Der für den 1. September angekündigte Reichstag; s. Nr. 2952, Anm. 6.
23 Karl V. - Zu dessen Ankunft in Augsburg s. Nr. 2970,23-48.
24 Gemeint sind die Zürcher Räte.
23 Anspielung auf die oben in Z. 27-30 namentlich nicht angeführten Personen.
26 Augsburger, wie es aus dem weiteren Text deutlich wird.
27 Subjekt sind die Zürcher Ratsherren, die beschlossen hatten, dass Haller noch in Augsburg bleiben müsse; vgl. Nr. 2969,3-7.

rebus meis consulerent. Impossibile est, ut quis vel cogitet, quid sit Augusta et qualis Lerna malorum 28 , nisi qui aliquamdiu hic inter primores 29 versatus oculo dextro animadverterit.

Taceo ergo, quid nunc sit, ubi omnes nequitiae sordes ex omnibus nationibus tanquam in unam et huic rei congruentem confluunt sentinam, ubi nequissimi hominum Hispani omne tenent imperium. Non possem, si integrum scriberem diem, satis describere, quam exerceant violentiam, quibus miseros nostros cives afficiant iniuriis: 30 eiiciunt ex aedibus, deiiciunt et excutiunt e lectis, furantur et diripiunt, quaecunque possunt. Rarus illucescit dies, quo non inveniantur aliqua caesorum cadavera. 31 Sicariorum magna est copia, qui minima conducti pecunia trucident quemvis. Caesar haec ignorat. Magistratus foster muscae viribus impotentior est! 32 Scripsi quaedam in superioribus literis 33 , quas cum his mitto. Nolui eas mutare 34 , quia admodum copiosae, nam ille communis Helvetiorum nuncius adhuc haeret. Ex his coniicere potes alia.

Praeter omnia promissa eiicimur ||3069r nunc ex tempus, 36 cogimur locum dare Satanae, cedere superstitioni. Ecquis tandem haec omnia ferret, etiamsi quis corporis salutem neglexerit prorsus, sed saltem conscientiae pacem observaverit? Memini, quid aliquando fecerit Ambrosius 37 . Quod si vero illum quis modo imitari voluerit aut Christum eiicientem hos ecclesiasticos mercatores 38 , ille nihil aliud effecerit, quam ut omnis, etiam privata, tolleretur praedicatio. 39 Ideo (licet omnia liceant, sed non omnia aedificent 40 ) b non possumus huic impietati aperta vi resistere. Interim tamen in nostris concionibus monemus nostros, ne ipsi his impietatibus communicent.

1. augusti templum illud cathedrale Marianum 41 , cui praefuit Musculus 42 , coeptum est oman, imo deformari idolis ad hoc usque a dominis nostris 43

b Klammern ergänzt.
28 Lerna, ein Sumpf in Griechenland, in dem das siebenköpfige Ungeheuer Hydra beheimatet war; s. Adagia 1, 3, 27 (ASD II/I 338-340, Nr. 227).
29 inter primores: bei den Vornehmsten.
30 Vgl. schon Nr. 2970,49-53. 58.
31 Vgl. auch unten Z. 100-110.
32 Vgl. Nr. 2972,4-38.
33 Hallers Briefe Nr. 2970 (vom 29. Juli) und Nr. 2972 und Nr. 2973 (31. Juli).
34 ändern [indem er sie in einen Brief zusammengezogen hätte].
35 Der schon in Nr. 2970,5f, Nr. 2972,1-3 und Nr. 2973,1-3, erwähnte, namentlich nicht genannte eidgenössische Bote, der allerdings Augsburg mit der Antwort des Kaisers an die Eidgenossen vom 28. Juli ohne Hallers Wissen bereits verlassen haben wird.
36 Siehe zuletzt Nr. 2970,67f, Nr. 2973,1-5, und unten Z. 68-73.
37 Ambrosius von Mailand, Kirchenvater aus dem 4. Jh. Vielleicht spielt Haller hier auf die Begebenheit an, die in HBBW VI 116, Anm. 54; XIII 41,195- 199, angesprochen wird.
38 Mt 21, 12 par.
39 Gemeint ist die katholische Predigt, darunter auch die im Rahmen privater Messfeiern abgehaltenen Gottesdienste.
40 1Kor 10, 23.
41 Der Augsburger Dom (Mariä Heimsuchung); s. Nr. 2962, Anm. 5; Roth, Augsburg IV 50f; 69, Anm. 27.
42 Wolfgang Musculus. - zu seiner Vertreibung aus dem Augsburger Dom s. Nr. 2973,1-5.
43 den Augsburger Ratsherren.

(quicquid nos publice et privatim monuerimus, ut vel clam cremarentur) reservatis. In aede Praedicatorum 44 quotidie fiunt missae et exequialia reginae 45 . Vociferatur toto die scelesta illa turba Baalitarum 46 , ut revocent animam illam ex Orco 47 . Talia fiunt innumera, quae singula non occurrunt, et si occurrerent, scribere non possem. 12 episcopi Caesarem sequuntur perpetuo, Itali partim, partim Hispani, uque totas secum trahunt pfafforum catervas, ita ut urbs plena sit hac hominum fece.

Nos sumus peripsemata mundi, 48 et tanquam oves occisioni destinatae. 49 Age, sive vivimus, sive moriamur, domini sumus; 50 opus nos supplere in corpore nostro afflictiones Christi. 51 Non detrecto mori propter illum, qui mihi vita est, 52 sed non aperta vi hommes uif 53 agunt nobiscum. Dolo se insinuant, donec omne iterum nanciscantur dominium. Mallem ergo in posterum 54 redire et denuo eos expugnare quam nunc aspicere illos suos ita reducentes errores! Sed fiat domini voluntas. 55

Quid senatus noster rescribat senatui Tigurino, 56 nescio. Pollicentur multa, 57 sed praestant nihil! Quid vero praestarent, cum nihil possunt? Tam nihil possunt, ut Lepusculum 58 non potuerint defendere, quin sit coactus discedere ex aedibus et vinum ac ligna, quae habuit, illis Hispanis relinquere! ||3069v. Proinde nisi ego magis domini respexissem semper auxilium quam illorum, iam pridem discessissem et maxime nunc non unicam manerem horam. Promisit Welserus 59 ipsos me dimissuros intra 4 aut 5 septiman[as]c , nam ille (ut candidior) fatetur eos mihi nullam praestare posse tutelam et defensionem. Sed nescio, an fiat aut an ab aliis etiam habeat hoc mihi promittendi in commissis. Ego sustinebo adhuc, quamdiu possum sciens me, si non a Tigurinis, tamen a domino amplissimum praemium reportaturum. 60

Vale. Saluta fratres omnes, maxime Gvaltherum meum, cui ideo rarius scribo, quia scio vobis omnia esse communia; alioqui proprias haberet semper tuis iunctas. Sustinuit et ipse periculum non exiguum. 61 Deo sit gratia,

c Wort teils im engen Einband verdeckt.
44 Dominikanerkirche (Predigerkirche).
45 exequialia reginae: Totenmessen für die am 27. Januar 1547 verstorbene (und in Prag beigesetzte) Königin Anna von Böhmen, Gemahlin Ferdinands I.; s. HBBW XIX 306, Anm. 9.
46 Anbeter von Baal. -Vgl. 1Kön 18, 1-40.
47 Der Orkus, das Totenreich.
48 1Kor 4, 13.
49 Jes 53, 7.
50 Röm 14, 8.
51 Vgl. Kol 1, 24.
52 Vgl. Kol 3, 4.
53 Die (katholischen) Kaiserlichen.
54 Als man sich während des Schmalkaldischen Krieges noch offen bekriegte.
55 Mt 6, 10.
56 Zu diesem Brief vom 4. August s. Nr. 2977, Anm. 2.
57 Vgl. Nr. 2962,24f; Nr. 2970,95f; Nr. 2972,44-47; und die in Nr. 2953, Anm. 27, angeführten Verweise.
58 Pfarrer Sebastian Lepusculus (Häslin). - Vgl. Nr. 2962,29-34; Nr. 2970,104-110.
59 Hans Welser. -Vgl. Nr. 2942,3-13.
60 Vgl. Kol 3, 24.
61 Anspielung auf den Streit um Gwalthers "Endtchrist"; s. Nr. 2879, Anm. 3 und Anm. 5.

quod illa tempestas sit sedata. 62 Utinam etiam meae res tam tranquillum sortirentur exitium!

Grad wie ich d das schrib, so kumpt Musculus. Sagt mir aber 63 etwas nüws. Gester umb 6 znacht ist deß b[urgermeister] Herbrots sun 64 und einer uß siner schribstuben, der Füchtwegg 65 genannt, und mitt inen ein sachsischer secretari 66 , so dem churfürsten 67 noch zugehört, vor dem thor in des burgermeisters garten gsin, und als si heimgangen, sind inen dry hauptlüt, rytende, begegnet mitt schwynspießen 68 , die sie angschrüwen "Das sind der rechten" und si angrennt 69 . Der sachsisch secretari ist gstochen worden, das man inn bloß 70 zum thor inbracht hatt, ist gestorben. Der Füchtwegg hatt zwo tödlich 71 wunden. Deß burgermeisters sun weißt Musculus nitt, wohin er kommen. Ich wils aber auch erfaren und üch wüßen laßen. e Imm ist nüt bschehen, dann er hatt sich bi zyt packt 72 .e Haec in praesentia Musculi.

Selichs ding 73 müßend wir all stund und augenblick gwarten 74 . Dorumb bittend gott für uns. Vil biderber lüt zühend hin 75 , das si nun ire kind vor schand bhaltind 76 . Buben sind weniger sicher dann das wybßbild 77 . Gott erbarms imm himmel! Xystus 78 ist ob 79 20 malen angsprochen umb buben uß der schul, das er gmerckt, wozu man si bruchen wolt.

Ich wil noch den monet zusehen 80 . Haltend si mir 81 , ist gilt; wo nitt, wil ich gott zum ghilff nen 82 und mich dises wäsens entschütten 83 . Kein verstendiger wirt mirs für übel han. Vale denuo. 4. augusti.

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Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung

Nosti manum.

d Fehlt in der Vorlage. -
e-e Später am Rande nachgetragen.
62 Vgl. Nr. 2958,30.
63 wieder. -Vgl. Nr. 2973,1-5.
64 Welcher von den Söhnen Jakob Herbrots (s. zu diesem Augsburger Eliten 265f) hier gemeint ist, konnte nicht ermittelt werden.
65 Georg Feuchtweck, ein Diener Herbrots, der nachweislich seit 1541 der Kaufleutestube angehörte; s. Mark Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger. Soziale Beziehungen, Normen und Konflikte in der Augsburger Kaufmannschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts, Berlin 1998, S. 253 mit Anm. 547.
66 Unbekannt.
67 Johann Friedrich I. von Sachsen.
68 Schweinsfedern, d.h. Spieße, die als Jagdund Kriegswaffe dienten; s. SI X 576f; Grimm XV 2446.
69 angegriffen (haben).
70 nur mit Mühe; gerade so; s. Si V 157.
71 lebensgefährliche; vgl. SI XII 491. - Er verstarb nicht, da er 1557 noch nachgewiesen
ist; s. Häberlein, aaO. S. 205. Siehe ferner Nr. 2987,40-43.
72 dann er hatt sich bi zyt packt: denn er hat sich rechtzeitig davongemacht: s. Fischer I 566.
73 Selichs ding: Solche Dinge.
74 gewärtigen. - Vgl. auch Hallers Mitteilungen in Nr. 2972.
75 weg (aus Augsburg).
76 vor schand bhaltind: vor Schändungen bewahren; s. Si VIII 879f.
77 dann das wybßbild: als die Frauen.
78 Sixt Birck, Schulrektor in Augsburg.
78 über.
80 abwarten; s. Grimm XXXII 820.
81 Haltend si mir: Wenn sie (die Zürcher) mir Glauben schenken; s. Fischer III 1082f; vgl. SI 111224f.
82 nehmen.
83 mich dises wäsens entschütten: mich aus diesem (schlimmen) Zustand freimachen; s. SI VIII 1557f; XVI 1861f. - Vgl. Nr. 2972,55-57.

||3065r. Ich bitt üch, ir wellend dise mine schriben 84 alle mine herren, auch die brüder alle sehen laßen, auch den herren von Kyburg 85 , dann ich hab nitt wil 86 jedem jedes zu schriben.

Mitto tibi pasquillum in nostros lusum ex aula caesaris. 87

Item historiam capti electoris. 88

Et formam deditionis Langrafii. 89 Is adhuc asservatur Werdae 90 .

84 Gemeint sind der vorliegende wie auch die in Anm. 91 aufgezählten Briefe.
85 Bernhard von Cham, Landvogt von Kyburg in den Jahren 1542 bis 1548; s. Dütsch, Landvögte 78.
86 Zeit (Weile).
87 Vielleicht (in Anbetracht der Art und Weise, wie Haller diese Schrift bezeichnet) das anonym erschienene Schmähgedicht Pasquillus Germanicolatinus non minus salsus quam ridiculus in novi Evangelii propugnatores iniquissimos, s.1. 1547, 2 Bl. in-4 (VD16 ZV 27523), von dein heute nur noch eine Ausgabe und von dieser nur noch ein in der Nationalbibliothek von Budapest aufbewahrtes Exemplar erhalten geblieben ist (wir danken Herrn István Fehér von der genannten Bibliothek dafür, dass er uns mit einer Aufnahme dieser Flugschrift versehen hat). - Theodor Wiedemann, der dieses Spottgedicht vermutlich dank einer in Wien (vielleicht in der Österreichischen Nationalbibliothek) aufbewahrten Handschrift kannte, schrieb es Wolfgang Schmeltzl zu und veröffentlichte es als solches; s. ders., Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Lande unter der Enns, Bd. 4, Prag/Leipzig 1884, 5. 337-339. Diese Zuweisung ist vermutlich falsch; das Gedicht ist eher dem Augustiner-Prior Johannes Hoffmeister zuzuschreiben; s. Nr. 3003, Anm. 14; Elisabeth Wunderle, Die mittelalterlichen Handschriften der Studienbibliothek Dillingen, Wiesbaden 2006, S. 384.
88 Der aus Rothenburg ob der Tauber stammende Buchdruckergeselle Hans Baumann (s. NDB I 652f) veröffentlichte damals einen Bericht über die Gefangennahme des Kurfürsten, von dem sehr viele Drucke erstellt wurden, die jeweils 7 oder 8 Quartblätter beanspruchten (VD16
B859-B861. B863-B868. ZV1134f. ZV5784. ZV22724). In Zürich ZB sind davon drei Exemplare aus drei verschiedenen Offizinen erhalten geblieben: Rara 18.253/22 und Rara 18.1457/6, die im Katalog der ZB dem Augsburger Drucker Heinrich Steiner bzw. Narziss Ramminger zugeschrieben werden. Welchen Nummern des VD16 diese Ausgaben entsprechen, muss offen bleiben; es könnte sich um Ausgaben handeln, die dem VD16 noch unbekannt sind. Letzteres trifft auf jeden Fall beim dritten, im Sammelband Ms F 16, f. 42-49, aufbewahrten, Druck zu (s. dazu Nr. 2894, Anm. 31), der von demselben unbekannten Drucker erstellt wurde wie jener, der für VD16 B860 verantwortlich war. Wegen des kaiserlichen Wappens, das sich auf den Titelblättern der beiden zuletzt erwähnten Ausgaben befindet, könnten wir es mit Erzeugnissen aus der vermutlich transportablen Druckerpresse Hans Baumanns zu tun haben.
89 Philipp von Hessen. - Gemeint ist der ebenfalls von Baumann verfasste Bericht über den Fußfall des Landgrafen. Davon sind etliche Ausgaben erhalten geblieben (VD16 B869-B872. B874-B876. ZV1133. ZV26924). In Zürich ZB sind zwei Exemplare von zwei verschiedenen Ausgaben noch vorhanden: Rara 18.253/23 (das vom Katalog der ZB dem Augsburger Drucker Steiner zugeschrieben wird) und das im Sammelband Ms F 16, f. 50-53, aufbewahrte Exemplar (das VD16 B869 entspricht und dem Augsburger Drucker Valentin Otmar zugeschrieben wird). - Es gab damals auch Drucke, die zugleich die Kapitulation des Landgrafen und die des Kurfürsten enthielten; s. Nr. 2983, Anm. 8.
90 Donauwörth. - Der Landgraf war sich

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. m[agistro]Heinrycho Bullingero, Tigurinae ecclesiae antistiti fidelissimo, domino suo singulariter observando. M[eister]Heinrych Bullinger. 91