[2764]

Sulpitius Haller und die Berner Schulherren
an Bullinger und die Zürcher Schulherren
Bern,
23. Januar 1547

Autograph: Zürich StA, E II 359, 2818f (Siegelspur)

Ungedruckt

[1] Die Berner Obrigkeit ist dankbar, dass auf ihre Anfrage hin der Zürcher Rat den gegenwärtigen Studenten Johann Knechtenhofer, Johannes Fädminger, Abel Mühlhofer und Jonas Danmatter (welche vor ihrer Rückberufung nach Bern auf Kosten ihrer Obrigkeit in Straßburg studiert haben) bewilligt hat, ihr Studium in Zürich fortzusetzen. Bullinger soll für die vom

e Korrigiert aus 1544.
61 Vgl. Nr. 2762,35f.
62 gebührenden.
63 würde.
64 Anspielung auf Zwicks Plan; s. Nr. 2762,53-80.
65 bevorstehende.
66 d.h. nicht nur vonseiten Gottes, sondern auch vonseiten dieser Welt.
67 es ist am end: das Ende ist da.
68 der letzte Tanz (s. Fischer IV 333f), hier
im Sinne von Ende (vgl. Wander II 1235, Nr. 3 s.v. Kehraus).
1 Die Erstellung eines Namensverzeichnisses der Berner Schulherren ist für diese Zeit nicht möglich. — Wir danken Barbara Studer-Immenhauser vom StA Bern für ihre entsprechenden Ermittlungen.
2 Siehe dazu HBBW XVIII 416, Anm. 3.

Zürcher Rat angeführten Unterhaltskosten zwei Schüler bei Otto Werdmüller, die zwei anderen bei Benedikt Euander, und falls dies nicht möglich wäre, bei weiteren geeigneten Kostgebern unterbringen. [2]Die Berner Jugendlichen sollen genauso wie ihre Zürcher Schulkameraden behandelt, unterwiesen und unterrichtet werden, damit sie später imstande sind, ihren Kirchen als wohlerzogene und gut ausgebildete Männer zu dienen und vorzustehen, und sich ferner an die Beschlüsse der Berner Disputation [von 1528] und an die bisher anerkannte Religion zu halten. [3]Sie sollen ihren Zürcher Lehrern gehorchen, den Unterricht fleißig besuchen und sich an den Disputationen, Vortragsübungen und sonst gängigen Übungen fleißig beteiligen. Sie sollen sich anständig, willig und zurückhaltend verhalten, um ihrem Ruf und dem ihrer Obrigkeit nicht zu schaden. Die Schulherren haben dies den vier Studenten ebenfalls eingeschärft. [4] Falls aber diese sich daran nicht halten sollten und sie sich der Faulheit, des Übermuts oder anderer Verfehlungen schuldig machen würden, sollen sie genauso wie die anderen Studierenden gestraft werden. [5]Außerdem dürfen sie ohne Kenntnis und Bewilligung ihres Vorgesetzten kein Geld von anderen leihen und nichts (weder Bücher noch Kleider oder sonst etwas) kaufen, zumal die Berner Behörden für diese Kosten aufkommen müssen. Da Bullinger wohl nicht die Zeit haben wird, sich um die Bedürfnisse der Studenten zu kümmern, soll er jemand anderen dazu ernennen, dem die Studenten ihre jeweiligen Anliegen vortragen können, soweit diese vernünftig und gebührend sind. Die Buchhaltung soll detailliert und für jeden Studenten separat geführt werden. Jedes halbe Jahr soll abgerechnet werden. Der Berner Rat wird die Rechnungen pünktlich begleichen. [6] Der Rat und die Schulherren von Bern werden sich dankbar und hilfsbereit zeigen.

Unnser früntlich grus und gutwillig dienst nach unserm vermögen zuvor, hoch und wolgelertten, fürnemmen, wysenn herrn, günstigen, lieben und guthen fründe. Nachdem unnser g[nädigen] herrn by 3 üwern herrn, iren getruwen lieben Eidtgnoßen, irs anmutens 4 früntliche antwurt 5 und bewilligung ußgebrachtt 6 , das sy 7 ire studiosos (die sy vor 8 uf anndern schulen in irem costen uferzogen, aber da dennen 9 gevordertt) a nu mer by inen 10 in ir statt und schulen zu bringen unnd erhaltten mogent (das sy mit danck von inen ufgenommen des erbiettens 11 , inen in glichem und merem ouch ze dienen), habent wir uß irem 12 bevelch dise vier so darvor zu Strasburg gsin (Johannem Knechttenhover 13 , Johannem Vedminger 14 , Abelum Mülishover 15 und Jonam Tammatter 16 ) zu üch abgeverttiget, der frünntlichen bitt an üch,

a Dieses und alle anderen Klammerpaare mit Ausnahme des letzten ergänzt.
3 von.
4 irs anmutens: ihres (der Berner) Gesuchs. — Ein entsprechendes Schreiben der Berner ist nicht bekannt.
5 Unbekanntes Antwortschreiben der Zürcher.
6 erlangt; s. SI V 719.
7 Die Ratsherren von Bern.
8 zuvor.
9 da dennen: von dort weg.
10 Den Zürchern.
11 Angebots.
12 Der Berner.
13 Zu Johann (Hans) Knechtenhofer (gest. 1569), der von 1559 bis 1567 Professor für Griechisch in Lausanne war und vor-
her und nachher verschiedene Pfarrstellen versah, s. Pf-Bern 389. 463. 484. 491. 504. 524. 605. 648; Crousaz, L'Académie 538.
14 Johannes Fädminger.
15 Abel Mühihofer. — Dieser Stelle zufolge ist in ganz HBBW XVIII der auf Lohners Angaben hin (im Pf-Bern 242. 269) angeführte Vorname "Adam" im Einklang mit der in HBBW XVIII 392, Anm. 52, erwähnten Straßburger Quelle in "Abel" zu korrigieren. Diese Richtigstellung erfolgt aufgrund von Mühlhofers eigenem Eintrag im Berner Prädikantenrodel (Bern StA, B III 21, Nr. 223).
16 Jonas Danmatter.

sy nach üwerm besten beduncken underzebringenn, je zwen zesamen (by herrn Werdmüller 17 zwen und by hem Benedicto Evandro 18 ouch zwen) oder wo sy üwers achttens ouch nach gestalt der zit und personenn am basten 19 versechen 20 umb 21 die summ, wie unsern hem hievor zugeschribenn. 22 ,

Hieruf empfelchennt wir sy üch allen gemeinlich 23 , sy in straf 24 , 1er und underwysung ze haltten glicher gestaltt 25 wie anndre der herrn von Zürich oder üwer eignen, darmit sy in züchttigem wanndell unnd leben, ouch in reiner 1er des heiligen evangelii und andern guthen künsten uferzogen, darinn geübt und geschickt werdent zur er 26 unsers hem gottes, ouch zu dienst unsern g. hern und irer kilchenn (das sy denselben hernach nutz sin und vorstän mogent ||2818v. als gelertte, wol erzogne männer und diener), sy by heilligem gotswortt, by ir disputation, 27 by angenomner 28 und bißhar gebruchtter religion in aller einfalt und warheitt des heilligen evangelii zu erhaltten; in dem (sovil an üch gelegen) trüw und flys gegen inen nit ze sparen, wie wir uns genzlich zu üch allen gemeinlich und sunderlich 29 versechent 30 .

Dargegen söllent sy ouch üch als irenn preceptoribus in dem allem schuldige, willige ghorsame leisten, alle lectiones flyßig besuchen, sich ouch laßen bruchen und anstellen in disputacionibus, orationibus und in allen andern erlichen geschefften und übungen, wie es ouch uf andern schulen und sunderlich 31 by üch gehaltten wirtt. Sy söllent sich ouch sunst mitt irem wandell, leben und wasen nitt ußschweif 32 , sunder ghorsam und inzogen 33 tragen, wie frommen, züchttigenn jünglingen zustat, darmit ir lob 34 nit vor unnsern g. hem und andern stincke; welichs wir inen alles mit ernst vorhin 35 gesagtt.

Wer unnd welche sich des nit b haltten, mit unflyß, stölze und anndrer unghorsame sich strafwirdig befinden, an dem unnd denselbenn bevelchent

b Über der Zeile nachgetragen.
17 Otto Werdmüller, damals Leutpriester am Großmünster. Am 17. November 1547 wurde er dort zweiter Archidiakon; s. Zürich StA, G I 179, f. 6r.
18 Schulmeister am Fraumünster; s. HBBW III 154, Anm. 3; X/a 67 (Corrigenda). — In der zweiten Hälfte 1546 wurde der Schulmeister Euander von der Großmünsterschule in die Fraumünsterschule versetzt, während Schulmeister Johannes Fries vom Fraumünster zum Großmünster wechselte; s. HBBW XVIII 343, Anm. 27; vgl. auch Zürich StA, E I 17, 6; G II 39.2, Schulausgaben der Jahre 1545/46, f. [1], mit aaO, Schulausgaben der Jahre 1546/47, f. [2]. 1547 wurde ferner Fries' Lohn erhöht und dem Lohn des Schulmeisters im Fraumünster angepasst; vgl.
aaO, Schulausgaben der Jahre 1546/47, f. [2], mit E I 17,4.6.9. 11.
19 besten.
20 versorgt (sind); s. SI VII 568. 570f.
21
22 Mit dem oben bei Anm. 5 erwähnten Brief.
23 zusammen.
24 Disziplin; s. SI XI 2082.
25 glicher gestaut: auf die gleiche Weise.
26 Ehre.
27 Gemeint sind die Beschlüsse der Berner Disputation von 1528.
28 anerkannter.
29 einzeln; s. SI VII 1140.
30 sich zu üch versechent: von euch erwarten; s. SI VII 566f.
31 besonders.

wir üch der sach mitt gebürender straf zuzekhommen 36 , wie an anndern, etc.

Dannenthin 37 so söllent sy ouch für sich selbs 38 nüzit ufnemmen, mercktten noch khoufen 39 (bucher, cleider noch annders), diewil es alles uß unser g. hem costen gat und gan wirtt, an 40 vorwüß, rat unnd bewilligen eins uß üch. Deßhalb wir ouch üch umb daßelb sunderlich gebetten, wo ir, herr Bullinger, ||2819r als unnser sunderlicher lieber herr, das nit verwaltten andrer geschefftten halb (wie wir wol abrechnenn c41 ), einen andern uß üch darzu ze ordnen, dem sy ir anligen fürbringen und mit deßelben rhat alles handlen. Was dann inen mangelbar 42 zu ir notdurfft 43 , ouch nach eren 44 unser hem, das mag derselb inen vergönnen und zulaßen, doch das sölichs eigentlich 45 ufgeschriben und je zum halben jar (also ist es bißhar an andren ortten, wie sy ouch selb wol wüßent, gebrucht 46 ), sampt dem costen in den tisch 47 , uns in guther rechnung von stuck zu stuck 48 , eins jeden sunderbar 49 , überschickt. Wirt die bezalung daruf eigenntlich 50 erlegt werden.

Hierinn und anderm von wegen unser g. hem nach unnserm vertrüwen üch bewysen, 51 das werdent wir, vorab 52 unser hem, zu großem dannck von üch ufnemmen und das in glichem und anderm ouch gegen üch beschuldenn 53 .

Hiemit üch gott trüwlich bevelchende, datum 23. ianuarii 1547,

Projektseite
Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung

üwere gutwilligen Sulpitius Haller, seckellmeister, unnd andre von rhäten, predicanten und gelertten, schulhern zu Bern.

[Adresse auf der Rückseite:1 Den hoch und wolgelertten, fürnemmen, wysen hernn meister Heinrichen Bullinger, predicanten, und andern gelerten unnd

c In der Vorlage abrehnenn.
32 sich nitt ußschweif tragen: sich nicht ausschweifend benehmen; s. SI IX 1759.
33 zurückhaltend.
34 Ruf; s. SI III 993.
35 vorher.
36 beizukommen; s. SI III 282f.
37 Zudem.
38 für sich selbs: eigenmächtig; vgl. SI I 956.
39 nüzit ufnemmen, mercktten noch khoufen: nichts (d.h. kein Geld) entlehnen (s. SI IV 736 s.v. ufnemen), nicht handeln (s. ebd. 415f s.v. märkten) und nichts kaufen.
40 ohne.
41 herleiten (können); s. SI VI 122.
42 Was dann inen mangelbar: Was ihnen dann fehlt.
43 zu ir notdurfft: für ihre Bedürfnisse.
44 nach eren: im Einklang mit dem guten Ruf.
45 genau; s. SI I 147f.
46 gehalten worden.
47 in den tisch: für die Verköstigung.
48 von stuck zu stuck: nach jeder einzelnen Position bzw. Ausgabe; vgl. SI VII 883 (oben) s.v. "Salz".
49 eins jeden sunderbar: für jeden separat.
50 pünktlich; s. SI I 147f.
51 Gemeint ist: Was in dieser und in anderen Angelegenheiten von euch (worauf wir vertrauen) wegen unserer Herren erwiesen wird.
52 vor allem; s. SI I 31.
53 vergelten.

fürgesetzten der schulen in der statt Zürich, unsern günstigen, lieben und guten fründenn.