[2724]
Bullinger
an Oswald Myconius
[Zürich],
25. Dezember 1546
Autograph: Zürich StA, E II 342, 184 (Siegelspur)
Ungedruckt[1] Gute Wünsche zum neuen Jahr, auch an Myconius' Gattin [Margret] und an die Hausangehörigen.
Im Hinblick auf die gegenwärtigen Gefahren kann man Glückwünsche brauchen!
— [2] Die Stadt Ulm wird keine Lorbeeren für Tapferkeit ernten, denn angeblich hat sie sich
recht leicht mit dem "Sanherib" [Kaiser Karl V.]ausgesöhnt! Dies als vertrauliche Mitteilung.
Nördlingen, Giengen, Bopfingen, Dinkelsbühl, Rothenburg ob der Tauber und Schwäbisch
Hall befinden sich in der Hand des Kaisers. Bullinger macht sich große Sorgen um den
eine solche Gefahr bestanden hatte, kam
es jedoch in diesem Territorium nicht zu
Brandschatzungen; s. Bauer, aaO, S.
289-291; PC IV/1 531, Nr. 495.
gelehrten [Johannes] Brenz. Reutlingen und Esslingen sind wegen der Besetzung Weinsbergs
durch die weiter [südwärts] voranrückenden Kaiserlichen bedroht. [Die Festungen] Schorndorf
und Asperg [bei Stuttgart]sind [aber noch von Herzog Ulrich von Württemberg]besetzt.
Dieser ist am Dienstag [21. Dezember] mit 200 Pferden [südwärts] auf die [Festung] Hohentwiel
[im Hegau, in der Nähe von Konstanz]geflüchtet. Jetzt wird es um die Kornkammer
der Eidgenossenschaft geschehen sein! Da aber diese mehrheitlich zum Kaiser hält und sich
der Krähe [des habsburgischen Hauses] unterwürfig erzeigt hat, verdient sie es, vom Kolkraben
[Karl V.]ausgeraubt zu werden. Gott wird aber die Seinen behüten! —[3] Der Zürcher
Rat hat einen [Eil]boten [Melchior Vogel] mit einem Brief an Herzog Ulrich nach Hohentwiel
geschickt. In dem Brief fragen die Zürcher als befreundete Nachbarn nach dem Stand der
Dinge. Der Bote wird wohl morgen oder am Montag [27. Dezember] wieder in Zürich sein.
—[4] Im gegenwärtigen Unglück muss das Volk zum Gebet und zur Buße angehalten werden,
denn bestimmt wird nun auch die Eidgenossenschaft bedroht! —[5] Was hat Myconius über die
Niederlande und Frankreich erfahren? —[6] Gestern hat Bullinger vergeblich auf [Francisco
de]Enzinas gewartet, der vermutlich durch die Arbeit aufgehalten wurde. Grüße an ihn. Gruß
auch an (Johannes] Gast. Dieser soll die Wolle mit dem gegenwärtigen Boten [...] senden,
falls er es noch nicht getan hat. Bullinger erwartet noch eine Antwort auf seinen vorigen Brief
(Nr. 2721]. —[7][Darunter eine später eingetragene Notiz von Myconius:]Aus Konstanz wird
gemeldet, dass König [Christian III. von] Dänemark gegen Herzog Moritz [von Sachsen]
gezogen sei und viele tausend Mann getötet habe.
Früntlicher, fürgeliebter herr und bruder, ich wünschen üch, üwer lieben
hußfrowen 1 und dem gantzen hußgesind 2 von gott durch unsern herren ein
gut glückhafft jar. Des bedörffend wir ouch wol, dann die sachen stand
gantz spitzig 3 und gfarlich. Gott der allmächtig wölle sich unser erbarmen.
Ulm wil 4 nitt vil guts rhümbs haben der dappfferkeit. 5 Man mumlet 6 sy
vertrügend sich gern mitt dem Sanherib 7 ; quod tibi dictum volo. Nörlingen 8 ,
Giengen, 9 Boppffingen, 10 Dinckelspühel, Rotenburg an der Tuber, Hall in
Schwaben, 11 alles und noch mee vomm keyser yngenommen! Ich bin gantz
Wien, Bd. 12, S838, S.
259-261) gedruckt wurde unter dem Titel:
"Schöne außlegunge deß XVIII. und
XIX. Cap. im II. Büch der künig, wie
Sanherib, ein Gottloser Künig der Assyrer,
den frommen künig Ezechiam verfolget
hat ... zu trost allen frommen
Christen, so zu unser zeit von wegen
Gottes Worts verfolgung leiden müssen".
angsthafft umb den herrlichen gelerten Brentium. 12 Der allmächtig gott erhallte
inn. Rütlingen und Eßlingen stand in gfaar, 13 dann Winsperg 14 und
anders darumb 15 in Wirtemberg ist schon von keyserischen yngenommen.
Die ziehend für. Das land ist erschrocken. Schorndorff 16 , der Asperg 17 , etc.,
ist besetzt. 18 Der hertzog 19 ist jetzund zinstags 20 mitt 200 pferden uff Hohen-Twyel
21 entritten. Ich förcht, es sye uns umb unsern brotkasten 22 gethan!
Und beschicht uns eydgnossen eben rächt, dann meerteyls orten gönend
dem keysser guts. Dorumb sind wir wärt, das uns der rapp 23 fügeli 24 , diewyl
wir der schwartzen kreyen 25 so hold sind. Gott aber wirt die sinen nut des
minder erhallten. Dem hört der sig alein. 26
Min herren habend hütt ein botten 27 hinwäg gesandt. Sol louffen tag und
nacht uff Thwyel 28 . Geschriben an hertzogen, 29 wie doch die sach stande;
darumb begärind sy alls trüw nachpuren bescheid, etc. Achtend, der bott
werde morn oder uff montag 30 wider hie sin.
Nostri officii fuerit in tantis calamitatibus inhortari populum ad preces
assiduas et ad poenitentiam. Certo, certo inveniet et nos malum istud!
der Württembergischen Veste
Hohenasperg und ihrer merkwürdigsten
Gefangenen, Stuttgart 1858, S. 20-22.
Lieber, was habend ir uß dem Niderland und uß Franckrych?
D. Dryandrum 31 , deß ich gester gewartet (aber gedencken mag, imm sye
ze schaffen worden a , grüssend mir. Wünschend imm vil guter jaren, ouch d.
Gastio. Habend diß gemein 184v.
|| mitt in. Beschickend Gastium, bittend
inn vo[n]b minetwägen, das er mir die wollen [ze] würcken 32 by disem
botten 33 zuschicke, so fleer] er sy koufft und sy noch nitt gesandt hat. 34 Ich
hab uff min ersts schryben 35 noch ke[in] antwort empfangen. Gott mitt üch
allen.
Datum uff dem heyligen tag der gepurt u[n]sers herren Christi, anno
1547 36, zu 5 [ur] nach mittag.
H. Bullinger.
[Darunter Notiz von Myconius:] Ex Constantia. Danus 37 contra Mauricium 38
duxit exercitum et occidit multa millia. 39
[Adresse darunter:] Sinem fürgeliebten herren und brüder, h. Oßwalden
Myconien, predicanten zu Basel.