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[2702]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
4. Dezember 1546

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 265 (neu: 281)(Siegel) Ungedruckt

[1] Nur [Francisco] de Enzinas hat von Bullingers Mitteilung in seinem Brief vom 27. November [Nr. 2695]erfahren. Am Tag nach dem Erhalt dieses Briefes brachte [Rudolf Bitzinger], der Zürcher Bote, ein [von Zürich] an mehrere [Orte]gerichtetes Schreiben ähnlichen Inhalts. Die [Basler] Obrigkeit hielt die Sache streng geheim, da Myconius' Informanten nichts desgleichen unter den Bürgern vernehmen konnten. [2] Vor kurzem berichtete ein guter Mann [...] aus Brugg (im Aargau) von einem Gespräch im Kloster Königsfelden mit Hartmann von Hallwyl, der gerade aus dem [schmalkaldischen]Feldlager zurückgekehrt war: [Landgraf Philipp von] Hessen hätte diesem beim Abschied gesagt, dass er trotz des Geldmangels lieber im Lager verfaulen als abziehen würde. Über den [Kurfürsten Johann Friedrich von]Sachsen sagte Hallwyl, dass dieser von geradezu ansteckender Fröhlichkeit wäre, so dass viele der Meinung seien, dass die Lage in Sachsen längst [nicht so schlecht] sei wie dargestellt! [Johannes] Gast kam dazu und bestätigte, dass die früheren [schlechten] Meldungen über Sachsen nicht stimmten. Er habe gestern von einem Stuttgarter Boten [...], der vor einigen Wochen in Sachsen war, erfahren, dass dieser dort zwar von einem Angriff der Böhmen gehört, jedoch keinen einzigen Feind gesehen hätte. [3]Im Schreiben der Zürcher wird ferner berichtet, dass [König Franz I.] von Frankreich sich dem [König Heinrich VIII.] von England angeschlossen habe. Möge Bullingers Mitteilung zum Bündnis [der Schmalkaldener mit Franz I.] stimmen! Warum er dies möchte, wird Myconius später erörtern, falls Bullinger es wünscht. Das Gerücht, dass Franz I. um Mainz Soldaten anwirbt, ist nicht verbürgt. [4][Matthias Claudius], der Diener des reichen Augsburgers [Hieronymus Sailer], welcher einst länger als Enzinas in Spanien lebte, schrieb am 29. November aus St. Gallen im Auftrag seines Herrn an Enzinas, dass der Landgraf mit seinem Heer in Württemberg überwintern wolle. Beim Versuch, dies zu verhindern, wären 2'000 von insgesamt 6'000 kaiserlichen Reitern gefallen. Kaiser [Karl V.]sei aber mit acht Pferden nach Lauingen entkommen. Gestern erzählte ein Soldat [...] aus dem [schmalkaldischen] Lager Ähnliches: [Sebastian] Schertlin habe durch tapfere Gegenwehr bei einem Überfall der Kaiserlichen deren Streitmacht niedergestreckt. Seltsam, dass die Zürcher nichts darüber berichten! [5] Gestern erzählte auch ein habsburgischer Adliger [...], dass es im Lager des Kaisers Feuerwerk und Freudenschüsse gegeben habe, als man erfuhr, dass [Herzog]Moritz 24'000 Fußsoldaten und 6'000 Reiter in [Kur]sachsen getötet hätte. Das glaube, wer will! (6) Myconius hat von einem Ratsherrn [...] erfahren, dass Jodocus [Kilchmeyer] Entsetzliches in Bern versuche. Wenn Bullinger davon wüsste, ist es merkwürdig, dass er nichts dagegen unternimmt. Es gäbe doch viel bessere Mittel zum Frieden! [7]Gruße, auch an die Amtskollegen.

S. Que scripsisti 27. novembris, 1 nemini praeter Dryandrum 2 indicavi. Altera die post acceptas venit nuncius Tigurinus 3 et eadem adtulit pluribus

108 Dieser Brief wurde dem Diener des Zürcher Kannengießers Hans Wyss mitgegeben; s. Nr. 2706,1f.
1 Mit Brief Nr. 2695.
2 Francisco de Enzinas. — Bezug auf Bullingers Wunsch in Nr. 2695,22-26.
3 Rudolf Bitzinger (s. Zürich StA, F III 32, Seckelamtsrechungen 1546/47, S. 63 der Ausgabenabteilung für laufende Boten).

tamen scripta. Ea satis sunt habita occulte vel a capitibus 4 , nam aures satis institueram ad audiendum, si a civibus aliquid huius liceret audire.

Mox venit e Bruge Heroie 5 vir bonus 6 , qui cum a Hartmanno de Hallwil 7 pransus fuerat in monasterio Campi Regii 8 . Is mihi narravit, que ex illo recta ex castris veniente audivisset. Inter ea fuerat non postremum, quod Hessus 9 ad ipsum dixerat abiturum malle se in castris putrescere quam abire, quamvis pecunie inopia 10 valde premerentur. De Saxon 11 : Virum esse tam letum, ut, quisquis eum b intueretur, et ipse cogeretur esse letus. Hinc multos esse, qui apud se dicerent: "Forsitan in Saxonia res aliter se habent, quam fert fama."12 Interim dum colloquimur, et Gastius accedit et, ubi de dictis pariter audierat: "Hanc ob causam" inquit "vos adii, ut narrarem mendacia esse, que hactenus sunt dicta de Saxonia. Heri nanque fuit hic tabellio Stutgardianus 13 , qui intra 14 paucas septimanas venit e Saxonia. Pro certo narravit is audisse quidem se de Boemis rumorem nescio quem, quod essent in armis, sed hostem in electoris ditione non visum tunc, ne unum quidem." Hec Gastius ad nos.

In literis praeterea dominorum tuorum'5 15 Anglus 16 fuit iunctus Gallo 17 . Utinam vero, quae scripseras de foedere, 18 non essent vana. Post dicam causas huius voti mei, dum fuerit ocium et tu ita volueris. Rumor est et nil nisi rumor circa Maguntiam conscribi clam milites Gallo.

Ex Sangallo scribit ad Dryandrum famulus 19 ditissimi cuiusdam civis Augustani 20 , qui in Hispania diutius aliquando vixit quam ipsemet Dryander.

a Über der Zeile nachgetragen.
b — Fehlt in der Vorlage.
Da er einen Brief Zürichs überbrachte (nämlich ein Schreiben an Bern, Basel, St. Gallen und Schaffhausen vom 28. November, Zürich StA, B IV 16, f. 94; vgl. PC IV/1 502, Nr. 469, Anm. 1 —wir danken Rainer Henrich für diesen Hinweis) und er am 30. November wieder in Zürich war (s. Zürich StA, aaO), wird er am 29. und Bullingers Brief am 28. in Basel eingetroffen sein.
4 Die Stadtoberhäupter Basels.
5 Brugg im Aargau.
6 Unbekannt.
7 Er hatte das schmalkaldische Lager am 16. November verlassen (s. Nr. 2648, Anm. 44), ehe dieses am 22. aufgehoben wurde (s. Nr. 2662, Anm. 20). Er wird diesem Brief zufolge noch vor Anfang Dezember nach Brugg, seinem Wohnsitz (s. HBBW XVII 317, Anm. 1), gelangt sein.
8 Das an Brugg angrenzende Kloster Königsfelden (Kt. Aargau).
9 Landgraf Philipp von Hessen.
10 Siehe dazu Nr. 2662,9-18; Nr. 2663,61— 84; Nr. 2671,43-45; Nr. 2684,16-19; Nr. 2689,5-13; Nr. 2691,5f; Nr. 2710,103.
11 Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen.
12 Anspielung auf die Besetzung Kursachsens durch Herzog Moritz.
13 Unbekannt.
14 vor; s. LHSz II 235. 15 Der in oben Anm. 3 erwähnte Brief der Zürcher.
16 König Heinrich VIII. von England.
17 König Franz I. von Frankreich.
18 Bezug auf Nr. 2695,22-26.
19 Matthias Claudius. — Der hier angeführte Brief ist auch in Nr. 2699,1-6, und Nr. 2705 belegt.
20 Hieronymus Sailer. — Er hatte "manches Jahr in Spanien zugebracht" und lässt sich dort bis nach 1531 nachweisen; s. Conradin Bonorand, Hieronymus Sailer aus St. Gallen, Schwiegersohn des Augsburger Großkaufherrn Bartholomäus Welser und seine Tätigkeit im Lichte seines

Scribit autem 3. kalendis decembris domini iussu ad hunc modum: "Accepimus Hessum voluisse proficisci cum suis in Wirtenbergam, ut illic hybernaret. 21 Caesarem 22 sex millibus equitum conatum esse illum praevenire, et hinc exortam pugnam et duo millia equitum ex cesareanis interfecta, caesarem aufugisse cum octo tantum equis Lauvingam. 23 Et hoc addit: "Certam est." Heri quoque miles 24 venit ex castris, qui rem eandem recensuit paucis mutatis: Schertlium nescio ubi locorum a cesare petitum veluti de improviso, illum autem, ut est promptus per dominum, fortiter occurisse et ingentem vim cesareanorum prostravisse. 25 Mirum, quod vos ea de re nihil.

Hoc horrendum scilicet: Fuit hic Habsburgensis quidam nobilis 26 heri qui vulgavit se venisse paulo ante ex castris caesareae maiestatis et vidisse illic ignes 27 per tota castra et audisse bombardarum tonitrua, signa grandis leticie; nam advenisse nuncium longe certissimum in Saxonia Maunicium 28 24'000 peditum et 6'000 equitum interfecisse. 29 Hec ita adseruit, tanquam sint vera. Credat, qui velit.

Iodocus 30 dicitur Bernae nescio que horrenda tentare praeter necessitatem. Minim, quod virum, si nosti, haud compescis. Ad pacem venin potuisset longe alia et quidem meliore via. Ex senatu quidam 31 ca de re mihi dixit, alioqui prorsus ignota.

Briefwechsels mit Vadian, in: Zwa XX, 1993, 106. 114.
21 Aus dem am Abend des 22. November in Heidenheim verfassten Brief Heinrich Thomanns an die Zürcher (Zürich StA, A 177, Nr. 149) geht hervor, dass man vorhatte, in Württemberg zu überwintern. Zwei Regimenter und einige Reiter sollten die Winterlager beziehen, doch herrschte große Ungewissheit, wo dies geschehen sollte (s. PA I 580f). Landgraf Philipp selbst kam am 25. November nach Stuttgart, um mit Herzog Ulrich zu verhandeln; jedoch vergebens. Von dort begab er sich via Bauerbach bei Bretten nach Heidelberg (28. November). Am 1. Dezember war er in Frankfurt, ehe er sich dann in Richtung Kassel aufmachte; s. Heyd, Ulrich von Württ. III 433; Konstanz an Zürich, 4. Dezember 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 150); Viglius van Zwichem 176. 207f, Anm. 79. 254 (Nachtrag I).
22 Karl V.
23 Ausführlicheres dazu in Nr. 2701,24-37.
24 Unbekannt.
25 Ein falsches Gerücht, zumal Sebastian Schertlin nichts darüber in seiner Lebensbeschreibung
(Schertlin, Leben) berichtet.
26 Unbekannt.
27 Feuerwerk; s. Kirsch 1402.
28 Herzog Moritz von Sachsen.
29 In der Tat hatte der Kaiser im Lager vor Lauingen in der Nacht vom 8. auf den 9. November "victoria schießen lassen", als er erfuhr, dass Moritz mit der Besetzung von Kursachsen begonnen hatte; s. Schüz, Donaufeldzug 83. — Zu den hier angegebenen Zahlen der Todesopfer vgl. auch Nr. 2691,19. Doch laut Voigt, Moritz 225, war die Besetzung Kursachsens (bis etwa Mitte November) "ohne Blutvergießen, ja ohne Widerstand abgelaufen".
30 Jodocus Kilchmeyer. — Hier liegt wahrscheinlich eine Anspielung auf die Ausweisung des Schulherrn Thomas Grynäus (einer der Anführer der lutherischen Partei in Bern; s. HBBW XV 71, Anm. 3) und dessen Schülers Peter Zeller vor; s. HBBW XVI 347, Anm. 10; Nr. 2708,34-38.
31 Ob es sich dabei um einen Basler oder einen Berner Ratsherrn handelte, ist unbekannt. — Zur gespaltenen religiösen Lage in Bern s. HBBW XIV 17.

Dominus adsit nobis omnibus. Vale in Christo cum fratribus piis omnibus. Basileae, 4. decembris anno 1546.

Tuus Os. Myco.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero, viro doctissimo, ministro Christi optimo, domino suo in Christo venerando. Ti[gu]ri. c