Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2600]

Ludwig Lavater
an Bullinger
Straßburg,
26. September 1546

Teilabschrift von unbekannter Hand (17. Jh.): Zürich ZB, Ms F 64, 647 Ungedruckt

Lavater erhielt den Brief [Nr. 2557]Bullingers, der es ihm zu verübeln scheint, dass er sich in der Abendmahlsangelegenheit an ihn als Schiedsrichter gewandt hat. Doch hatte Lavater gute Gründe für sein Schreiben [nicht erhalten]. Bullinger soll ja nicht denken, dass er seine Meinung geändert hätte oder gar zu den Lutheranern übergelaufen wäre! Es geht hier

27 Hallwyl zweifelt also nicht, dass die Vier Orte handeln werden.
28 wahrgenommen habe.
29 geeignete.
30 Weisen.
31 Vgl. Dan 12, 10.
32 Num 6, 25.
33 In einem Brief des Churer Rats an Zürich vom 15. Oktober 1456 (Zürich StA, A 248/1, Nr. 144) wird ein Schreiben Zürichs verdankt, über das allerdings nur bekannt ist, dass damit die Bündner gewarnt wurden, "wie durch anreysung [= Anstiftung] der Keyserischen, das Saltz mitt kalch und anderm verderplichem unrath vergifftet werdt"; eine Angelegenheit, die u.a. am Treffen der Drei Bünde von Davos (Tafas) am 24. Oktober 1546 diskutiert werden sollte; s. Zürich StA, A
248/1, Nr. 145 (Luzi Heim an Bürgermeister und Rat von Zürich, 20. Oktober). — Zur Sache s. ferner Nr. 2570; Nr. 2576, Anm. 72; Nr. 2577,67f.
34 des.
35 Verzögerung (indem er sich bemüht, den Krieg in die Länge zu ziehen).
36 nit bass vernittiget: nicht besser vernichtet.
37 dan fil frembder hendt im das harr zerichten: als wenn viele fremde Hände ihm [dem Kaiser] in die Haare geraten; s. SI II 1503.
1 Datum, Unterschrift und Adresse wurden durch einen Vermerk am Briefanfang ersetzt: Ludov[icus] Lavatherus ad Bulling[erumJ, 26. septembris 1546.

nämlich ebenfalls um die Frage, ob ein Zwinglianer mit Lutheranern Abendmahlsgemeinschaft halten kann, ohne dass beide dabei ihren Glauben preisgeben. Lavater war sich sicher, dass Bullinger davon abraten würde. Bullinger hatte ihm gesagt, wie das Abendmahl zu verstehen sei und was den Nachfragenden zu antworten wäre, nämlich, dass er nicht [nach Straßburg] gekommen sei, um zu disputieren, sondern um sich in den freien Künsten ausbilden zu lassen. Da aber Bullinger ihm nicht ausdrücklich verboten hatte, am Abendmahl teilzunehmen, und da [Konrad] Gessner ihn aufforderte, sich von Bullinger beraten zu lassen, damit seine Präzeptoren [in Straßburg]feststellen können, dass er nicht halsstarrig ist, hat er, wenn auch ungern, an Bullinger geschrieben. Die oben gestellte Frage wird von scharfsinnigen Menschen unterschiedlich beantwortet. Ein Zwinglianer [...] meinte, dass nichts gegen eine Teilnahme spräche, insofern die Feier ja auf die Verdienste Christi verweise und die Elemente [Brot und Wein] die gleichen seien. Grundsätzlich würde Lavater sich nicht wegen Lehrunterschieden vom Abendmahl fernhalten. So nahm Hans Zart aus Winterthur (der behauptet, weiterhin an seinem Glauben festzuhalten) am Abendmahl teil; so auch alle Konstanzer in Straßburg, und dies auf Rat des mit Bucer befreundeten [Ambrosius] Blarer (wobei jene Konstanzer sich für die Religion ihrer Heimat schämen). All diese Überlegungen sind jedoch von keiner großen Hilfe. Dies sowie auch [Konrad]Gessners Aufforderung erklärt, warum Lavater von Bullinger erfahren wollte, was zu tun sei, zumal er wohl weiß, wie sehr Luther sich über diejenigen ärgern würde, die eine Abendmahlsgemeinschaft mit Zwinglianern halten. Lavaters [Weigerung, am Abendmahl teilzunehmen], ist also nicht etwa eine Vermessenheit! Er sucht nur eines, nämlich mit seinem Glauben (der den Symbolen eine Wirksamkeit zuerkennt, ja auch eine Anwesenheit Christi bekennt) am Abendmahl teilnehmen zu dürfen, ohne denjenigen, die ihn zu dieser Teilnahme ermahnen, die Behauptung zu erlauben, sie hätten ihn von seiner Religion abgebracht. Kurz zu den Ereignissen. Was Bullinger an Lavater schrieb, teilte dieser den Straßburgern nicht mit, da diese ihm ja auch nicht erzählten, was sie damals Doktor [Konrad Gessner] sagten. Seit [Gessners Abgang] wurden Jakob Gessner, der Schaffhausen Kostgänger [...]Zingg und Lavater vor ihre Lehrer vorgeladen. Sie mussten erklären, warum sie in diesen gefährlichen Zeiten nicht am Abendmahl teilnähmen. Sie gaben ihnen die schon früher erteilte und von ihnen nicht gern gehörte Antwort. Bucer wollte dann wissen, ob die Straßburger Kirche gut oder schlecht lehre, oder ob sie gar zu exkomrnunizieren wäre. Lavater antwortete, dass es ihm nicht zustünde, darüber zu urteilen. Sie fragten dann, ob er das Basler [Erste Helvetische] Bekenntnis ableugne. Er verneinte, fügte aber hinzu, dass er nur das ablehne, was der Wittenberger [Konkordie] ähnlich sei. [Bucer] bemühte sich um ein Übereinkommen. Er fragte, warum Lavater denn behaupte, dass die Straßburger mit den Papisten zu vergleichen wären. Lavater antwortete (wie (schon] seinem Kostgeber [Johannes Marbach]), dass er sich vom Abendmahl fernhalte, weil er den Unterschied zwischen dem Abendmahl der Straßburger und dem der Papisten nicht verstünde, da in beiden Fällen eine leibliche Präsenz Christi behauptet wird. Das Verhör wurde daraufhin unterbrochen, und die Studenten wurden aufgefordert, die Angelegenheit besser zu erwägen. Daraufhin gab [ihnen]ein guter Freund [...] zu verstehen, dass man sie von der Schule verstoßen werde, wenn sie nicht nachgeben würden. Das wühlte Lavater völlig auf Er beauftragte [Jakob]Gessner, mit [Petrus] Dasypodius (der von der [Vorladung] nichts wusste) zu sprechen. Dieser begab sich sogleich furchtlos zu Bucer und fragte, was man denn mit den Zürcher Studenten vorhatte. Bucer bestellte dann diese wieder zu sich und erinnerte sie daran, dass die Alte Kirche diejenigen exkommunizierte, die nicht am Abendmahl teilnahmen. Er beruhigte sie aber zugleich: Man wolle sie nicht voreilig aus der Schule verweisen; man werde zuerst an ihre Lehrer [in Zürich]schreiben und diesen erklären, was man von ihren Studenten erwartet, und warum. Lavater gab schon zu verstehen, dass die Haltung der Zürcher Studenten Bullingers Meinung entsprach. Bucer tat aber so, als ob er nichts davon gewusst hätte, und die Zürcher Studenten erklärten sich mit einem Schreiben an Zürich einverstanden. Man hätte ihrem Studium sehr schaden können, hätte man ihnen verboten, die Lehrveranstaltungen zu besuchen. Wenn also Bullinger den Straßburgern antwortet, soll er den Willen Zürichs klar erörtern, dabei zeigen, dass die Angelegenheit ernst ist, und dass die Studenten nicht starrköpfig gehandelt haben. Er soll sich aber nicht aggressiv zeigen, zumal Lavater von Bucer nicht

schlecht behandelt wurde. Wahrscheinlich wurde [ihnen] die ganze Angelegenheit von dem neuen Kostgeber [...]eingebrockt.

Accepi literas tuas 2 , collendissime pater, quibus diuturni silentii causas et, quid in negotio eucharistiae mihi agendum sit, significasti. Videris nescio quo pacto mihi indignari 3 , quod hanc causam apud te iudicem agam. Verum, si penitius ea, quae scripsi, 4 introspicias, quam iustas causas habuerim, facile poteris colligere. Non eo animo scripsi, quod desierim esse, qui fui, quodve Lutheranorum partibus accesserim. 5 Hanc suspitionem iubeo ex animo tuo expuere et meliora tibi de Lavatero polliceri.

Alia tractabatur quaestio, utrum videlicet Zwingliano, ut vocant, cum Lutheranis in c[oena]d[omini] communicandum esset inviolata fide utriusque. Quantum ad me, certus eram te mihi suasorem huius rei non futurum. Dixisti quidem, quid mihi sentiendum esset de hoc sacramento, quidve fidem meam sollicitantibus esset respondendum, me scilicet non disputandi, sed literarum causa adesse. Haec et alia nondum animo meo exciderunt. Sed quia discedenti, quod sciam, non dederas mandata, ut ab illa communione in totum abstinerem, deinde quia d. Gesnerus 6 hortabatur, ut te consulerem, quo praeceptores 7 intelligerent me non pertinacem esse, scripsi, sed invitus.

Et quantum ad rem ipsam pertinet, hanc quaestionem in utramque partem audio ab acutis hominibus disputari. Audivi a quodam nostrae religionis homine 8 , qui dicebat, quantum ad memoriam beneficiorum Christi et externa symbola res est eadem, mihi rite sumenti non potent hic cibus obesse. Nec volo propter diversam doctrinam abstinere hac communione. Praeterea ea res non caruisset exemplo, nam Sardenus ||647v. Vitoduranus 9 , qui patriam religionem dicit se non negasse, non abstinuit. Idem faciunt Constantienses, quotquot Argentinae sunt, nimirum non absque Blaureri consilio, qui Bucero familiaris est. Sed hoc quidem certum est, Lutherani sunt, et pudet eos patriae religionis. Haec omnia parum 10 . Vox autem et hortatus d. Gessneri plurimum animum meum commoverunt, ut ex te audirem, quid mihi agendum esset. Non quidem sum ignarus, quomodo Lutherus stomachetur in eos, qui cum Zvinglianis, ut vocat, communicant a , quidque illis suadeat. Vides igitur nihil temere a me actum esse. Accedat ad haec omnia, quod hoc

a In der Vorlage communicat.
2 Brief Nr. 2557 vom 31. August.
3 Vgl. Nr. 2557,1-3.
4 In einem nicht erhaltenen Brief, der sehr wahrscheinlich Konrad Gessner (damals auf der Durchreise in Straßburg; s. unten Anm. 6) mitgegeben wurde; vgl. unten Z. 15f und 26-28.
5 Vgl. Nr. 2557,4-6.
6 Gemeint ist Konrad Gessner, der sich um die Zeit der Straßburger Messe (um den Johannestag, 24. Juni) nach Straßburg begab; s. Nr. 2478, Anm. 29, sowie den
Brief der Straßburger Pfarrer an ihre Kollegen in Zürich vom 6. Dezember 1546 (CO XII 438). — Im Ostergottesdienst (25. April 1546) hatten sich die Zürcher Studenten trotz Marbachs Aufforderung (s. unten Anm. 20) geweigert, am Abendmahl teilzunehmen; s. CO XII 438.
7 Wohl die von Straßburg.
8 Unbekannt.
9 Hans Zart aus Winterthur.
10 Haec omnia parum: Das alles ist (aber) von keiner großen Hilfe.

unicum postularem, ut accedam 11 mea fide instructus (modo non inania symbola esse dicam, sed aliquam praesentiam Christi statuam), nec aperte mihi mutandae religionis voluerunt esse authores. Subtilis igitur ista quaestio ad superiorem iudicem 12 erat referenda.

Sed nunc, quid actum sit, paucis expediam: Quid mihi scripseris, non indicaveram, quia, quae doctori 13 dixerunt b mihi in faciem dicere noluerunt. Interim Jacob Gessnerus, Zinggius Scaphusianus 14 noster contubernalis, et ego vocati sumus ad professores, ut nostrae fidei et instituti rationem redderemus, 15 et maxime, quae causae essent, cur sacrosancta coena his periculosissimis temporibus abstineremus. 16 Diximus, quae saepe audiverant, quaeque audire non volebant. 17 Ibi voluit me Bucerus ad haec respondere: Utrum eorum ecclesia bene vel male doceret? An esset excommunicanda? Mihi difficile non erat ad istud dilemma respondere. Hoc enim pacto respondebam: Non dico, quod vestra doctrina sit bona, nec dico, quod sit mala. Non enim meum est nec mei similium de hac re pronuntiare. Aliorum sit iudicium. Sic in casses non incidi. Nolui expresse dicere, quid sentirem de eis. Fuisset enim praeter meae personae decorum. Praeterea quaerebant, an negarem confessionem Basileensem. 18 Dicebam me eam non negare, sed hoc negare, quod Wittenbergensi 19 sit similis. Quaerebat aliquam discordiae conciliationem. Cur igitur dixisse nos papistis debere conferri? Ibi dicebam: Audi, quid dictum a me sit, inter alias causas, cur abstinearn a coena (et hanc domino 20 recitavi c: Me non intelligere discrimen inter vestram et papisticam coenam, cum utraque corporalem Christi praesentiam statuat. Et erat paralogismus 21 accidentis a secunda quid ad simplicem. Tum nolebant nos propter certa negotia audire ulterius, iubentes nos rem diligentius expendere.

Ibi tamen submonuit me sincerus quidam amicus 22 , quod, ni pareamus, prohibere nos velint a schola (hoc enim esse excommunicationis fulmen). 23 Hoc ita me commovit, ut nihil non cogitarim, et, quidnam mihi agendum

b In der Vorlage dixeram. —
C Klammern ergänzt.
11 Zu verstehen: ad coenam.
12 Gemeint ist Bullinger; vgl. oben Z. 3.
13 Konrad Gessner.
14 [...] Zingg (Zinck), der laut freundlicher Angabe von Roland E. Hofer, Staatsarchiv Schaffhausen, in den erhaltenen Pfarrlisten nicht vorkommt. Dementsprechend wird er nach seinem Studium anderswie oder anderswo tätig geworden sein. Weiteres über ihn konnte nicht ermittelt werden.
15 Zu dieser Ende Juli/Anfang August erfolgten Vorladung s. den schon erwähnten Brief der Straßburger Pfarrer vom 6. Dezember 1546 (CO XII 439f).
16 Seit dem 27. Juli 1546 wurden in Strassburg
Bußgottesdienste gehalten, in denen das Abendmahl gefeiert wurde; s. Adam, Straßburg 191f; und CO XII 439.
17 Wohl in Anspielung auf Joh 9, 27.
18 Gemeint ist das Erste Helvetische Bekenntnis von Februar 1536; s. Nr. 2455, Anm. 11.
19 Die Wittenberger Konkordie von Mai 1536; s. Nr. 2454, Anm. 13.
20 Gemeint ist Johannes Marbach, bei dem Lavater, Zart und Zingg wohnten; s. Nr. 2557,6f; CO XII 438-441.
21 griech.: Trugschluss.
22 Unbekannt.
23 Vgl. CO XII 440.

esset, circumspicerem. Et satis mirari non possem hoc hominum genus adeo adversum infensumque nobis esse! Quid agerem? Gessnerum 24 monui, ut quamprimum Dasypodium 25 conveniret totumque illi negotium paucis exponeret (nam inscio Dasypodio res agebatur). Dasypodius nullam invidiam veritus Bucerum interrogavit, quid statuissent nobiscum agere. Bucerus iterum in suas aedes nos accersivit 26 multis exponens veteris ecclesiae hunc morem fuisse, ut excommunicaret eos, qui a sacrosancta coena abstinuissent. Valde interim suspitionem de expellendis nobis e schola minuebat, et, ut videamus nihil temere nobiscum geri, se ad praeceptores nostros scripturum omnium nomine, 27 quid postulaverint, quae consilii eorum causae fuerint. Dixi quidem quod tuum esse iudicium; dissimulabat se audire. Sed, ut scriberent, assensum dedimus.

Plurimum enim nostris studiis incommodare possent, si lectiones audiendi potestate privarent. Quare rogo, si rescribis, 28 ita vestram de nobis voluntatem intelligant. Nec in hoc negotio ludendum esse, nec nos esse pertinaces. Ne, rogo, asperius illis scribas, ne mordax verbum teneras eorum mordeat auriculas! Bucerus mihi adeo iniquus non fuisset. Puto hanc tragoediam a novo domino 29 excitatam esse. Habes nunc huius fabulae catastrophen 30 .