Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2598]

[Bullinger
an Ambrosius Blarer]
[Zürich],
26. September 1546

Abschrift von Kanzleihand: Augsburg Stadtarchiv, Literaliensammiung, 26. 9. 1546, f. 128r.—129v. Ungedruckt

Am Abend sind die [Zürcher] Gesandten [Johannes Haab und Itelhans Thumysen] von [der Badener Tagsatzung] zurückgekehrt. Die [Vier protestantischen Stadtkantone Basel, Bern, Schaffhausen und Zürich] wollten von den Fünf [katholischen] Orten erfahren, was sie von diesen zu erwarten hätten. Diese antworteten, dass sie bereit wären, die Bünde und den [Zweiten]Landfrieden [von 1531] zu halten, doch dass sie ganz gegen den Glauben der Vier Orte seien. Gegenüber dem französischen Gesandten [Antoine Morelet du Museau]beteuerten sie, dass sie, falls Franz I. und die Vier Orte zu Hilfe der Schmalkaldener in den Krieg ziehen würden, zum Schutz ihres Glaubens dem König das [Sold]bündnis [von 1521] und den Vier Orten die Bündnisse kündigen müssen. Darauf erwiderte der Gesandte, dass es sich beim [Sold]bündnis nicht um eine Unterwerfung [Franz'], sondern um ein Freundschaftsabkommen handelte und Frankreich im Falle einer Kündigung des [Sold]bündnisses ein Abkommen mit [den Schmalkaldenern] und den Vier Orten in Erwägung zöge. Die Fünf Orte sind ganz verbittert! Die Vier Orte haben ihnen aber zu verstehen gegeben, dass sie auch nicht bereit wären, ihren Glauben aufzugeben. [Der Zürcher Rat] wundert sich, dass der [Konstanzer Rat] nicht schreibt, und auch nicht über die eidgenössischen Fähnlein berichtet, die [nahe Füssen] bei der Klause [Ehrenberg]liegen, wo doch viele Zürcher daran beteiligt sind. Konstanz soll sich nach der dortigen Lage erkundigen und Zürich benachrichtigen. Es wäre fahrlässig, wenn man die [von Italien heraufziehenden und die bereits in Deutschland befindlichen kaiserlichen] Truppen zusammenkommen ließe! Möge der Herr [die Protestanten] schützen! Bullinger hat Blarers Brief [Nr. 2592] vom Überbringer [...] der für [Hans] Schöner bestimmten Sendung empfangen. Daher soll Blarer die Bemerkung in Bullingers Schreiben vom Vortag [nicht erhalten], dass der Brief nicht angekommen sei, ignorieren. Die Venezianer warten wohl ab, wie die Lage sich entwickelt. Sie sind ja schließlich auch [Italiener]. Bisher hatten die [Protestanten] Glück. Sollte es sich wenden, gäbe es viele, auf die man nicht mehr zählen könnte. Die Berner haben beschlossen, sich an die [Abendmahlslehre], die sie während der Disputation [von 1528] verabschiedet hatten, zu halten. Weil aber etliche ihrer Pfarrer sich als lutherisch erweisen, werben nun die Berner in Zürich um einen Prediger. Bullinger wird sich zusammen mit Walthart Schwarz [darum] bemühen. Weiterhin wird von Friedensverhandlungen berichtet. Ein guter, ehrlicher Friede wäre zwar zu begrüßen, doch angesichts der bereits geleisteten großen Ausgaben für diesen Krieg ist zu Kriegsbeginn von einem faulen Frieden abzuraten. Vielmehr sollte man sich wehren! Dies soll Blarer an [Georg] Frölich und an andere schreiben. Angeblich soll es Unordnung unter den eidgenössischen [Fähnlein]bei Füssen geben. Die Konstanzer sollen dort für Ordnung sorgen. -Grüße.

1 Dass Bullinger der Verfasser des vorliegenden Briefes ist, geht aus der Anmerkung des Kopisten unten Z. 46f und aus dem Inhalt hervor. Blarer lässt sich als Empfänger bestimmen, da sich der Brief inhaltlich gut in die Korrespondenz zwischen den beiden einreiht. Bullinger geht auf die von Blarer in den vorhergehenden
Briefen Nr. 2592 und Nr. 2595 angesprochenen Themen ein, wie etwa auf die Venezianer (Z. 30f) und die Berner (Z. 33-36). Einen weiteren Beweis, dass Blarer der Empfänger ist, liefert die Anspielung unten Z. 27f auf Sabina Schöners Brief an ihren Bruder Hans.

Gnad unnd frid. Unnsere botten 2 seind heut nacht heim kummen. Brinngenn aber nit besonnders, dann das die funnff ortt 3 uff der unnsern 4 beger, was sie sich zu inen versehen 5 sollen, geanntwurtt haben: Pundtnuß unnd lanndtfriden 6 wollen sie anemen unnd hallten. 7 Seind in summa wider unnsern glauben verbitert ganntz unnd gar. Gegen 8 der franntzösischen bottschafft 9 habennd sie sich uffgethon 10 : Sy 11 können merckhen, wie es der Frantzoß 12 mit dem reich 13 habe. So 14 aber daselb a15 oben lig 16 , werden sie, die von funnff ortten, von irem glauben trenngt 17 . Wann sich nhun der Franntzoß auch in dem krieg mischen unnd die 4 ortt 18 , ire eydgnossen b , dem reich zuziehen, 19 wollen sie auch besehen, wie sie irem glauben schirm thuenend 20 , unnd dem konig die einigung 21 unnd den 4 ortten die punndt heruß geben 22 , etc. Hat die bottschafft geanntwurt, der könig hab sich mit der vereinigung inen nit unnderworffen, sonnder zu freund angenomen. Geben sie im die vereinigung herauß, so wolle er besehen, ob er mit dem reich unnd den 4 ortten ein verstannd machen konne, etc. In summa: Sy 24 seind bitter. Die unnsern einhellig haben inen angezaigt, das sie iren glauben nit lassen können, etc. So vil diser zeit in eil.

a In der Vorlage derseib. —
b In der Vorlage die Lesung eydgnoschafft, die wohl auf eine irrtümliche Auflösung der sonst bei Bullinger bezeugten Abkürzung eydg. durch den Abschreiber zurückzuführen ist.
2 an der Badener Tagsatzung vom 20. September, nämlich Johannes Haab und Itelhans Thumysen.
3 die fünf katholischen Orte Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug.
4 der vier protestantischen Orte Basel, Bern, Schaffhausen und Zürich.
5 zu inen versehen: von ihnen erwarten.
6 Der Zweite Landfrieden von Kappel, November 1531.
7 Siehe dazu EA IV/1d 682 e,1: 6821 g.
8 Gegenüber.
9 Antoine Morelet du Museau, Seigneur de la Marche-Ferrière, von März bis November 1546 erneut Gesandter Frankreichs in der Schweiz; s. Edouard Rott, Histoire de la représentation diplomatique de la France auprès des cantons suisses, de leurs alliés et de leurs confédérés, Bd. 1: 1430-1559, Bern 1900, S. 332— 334; PC 4/1 366, Anm. 2. Zu diesem Gespräch ließ sich nichts ermitteln. Vgl. auch Nr. 2597,32-40.
10 sich uffgethon: ihre Gesinnung offenbart; s. SI XIII 383.
11 Die Fünf Orte.
12 König Franz I.
13 Gemeint sind die Schmalkaldener, wie etwa schon in Nr. 2494,39f. — Auch Johannes Sturm hatte berichtet, dass der französische König sie unterstützen wolle; s. Nr. 2590,2-6.
14 Da.
15 Das Reich (die Schmalkaldener).
16 oben lig: siegt; s. SI I 50.
17 in Bedrängnis gebracht.
18 Siehe oben Anm. 4.
19 d.h. offiziell auf Seiten der Schmalkaldener in den Krieg ziehen.
20 schirm thuenend: schirmen würden.
21 Das französische Soldbündnis von 1521 mit der Zusicherung gegenseitiger militärischer Unterstützung, dem sich Zürich nicht angeschlossen hatte; s. Christian Moser und Hans Rudolf Fuhrer, Der lange Schatten Zwinglis. Zürich, das französische Soldbündnis und eidgenössische Bündnispolitik. 1500-1650, Zürich 2009, S. 25-33.
22 heruß geben: aufkündigen.
23 Vertrag.
24 Die Fünf Orte.

Meine herren 25 haben groß verwundern, das die eurn 26 gar nit schreibenndt, 27 unnd insonnders vom unnsern eidgnodschafft 28 inn der Clauß 29 , wie es umb sie stannde, ||128v. unnd wie unnd waß die sachen syennd. Dann meine herren haben vil irer leut da ligen 30 unnd mochten leiden, die eurn machten kundtschafft zu inen unnd unnderrichten sie dann, wie es stund. Ich bitt, ir wollennd euch die sachen lassen angelegen sein unnd anzeugen. Man hatt warlich nit gut sorg 31 , das man die zug 32 also last zamenkomen, wo es annders 33 nit gotts will ist, das der unfasel 34 aller an ainem hauffen funden werde, inen selbs oder unns zur straff. Der ewig gott wolle unnß behuetten!

Eurn brieff 35 sampt des Schoners 36 hab ich empfanngen uff unnd von der posst 37 . Darumb haben khain acht, das ich gester schreib, 38 ich hette in noch nit empfanngen.

Die Venediger lugen auch, wie die kugel fallen wölle. 39 Es seind auch Walchen 40 ! Den unnsern 41 ist es noch wol gangen von gnaden gottes. Solte es weltzen 42 , des untrewen wurde genug.

25 Der Zürcher Rat.
26 Der Konstanzer Rat.
27 Nach seinem Brief vom 16. September (Zürich StA, A 177, Nr. 33) hatte der Konstanzer Rat wieder am 23. September an den Zürcher Rat geschrieben (aaO, A 205/1, Nr. 227). Allerdings ging es im letzteren Brief nur um den Postweg der für das Lager (u.a. für Heinrich Thomann) bestimmten Briefe des Zürcher Rats. Am 24. September bestätigte der Konstanzer Rat mit sechs Zeilen die Weiterleitung eines vom Zürcher Rat verfassten Briefes (A 177, Nr. 44). Erst am 25. September (A 177, Nr. 45) übermittelte der Konstanzer Rat erneut ausfürliche Nachrichten über den Krieg an Zürich. Doch am 26. September konnte Bullinger noch nichts davon wissen.
28 Am 9. September hatte Haller von sechs eidgenössischen Fähnlein (s. Nr. 2576, 40-42) und am 14. September von einem ausschließlich aus Zürchern bestehenden Fähnlein (s. Nr. 2555,3l1) berichtet, die alle auf dem Weg zur Klause Ehrenberg waren, um dort dem Feind den Durchzug zu erschweren. Daraufhin wurde ein zusätzliches Fähnlein unter der Leitung von Jakob Reinhart gegründet, dem auch Bullingers Cousin Michael Hedinger angehörte; s. Nr. 2596,119-123. Am 22. September schreibt Haller von "13 fennli Eidtgnoßen und etliche Landtsknecht", die bei der Klause liegen sollen (s. Nr.
2596,126). Dass sechs eidgenössische Fähnlein sich nach Füssen begeben hatten, geht ebenfalls aus dem Brief des Konstanzer Rats an den Zürcher Rat vom 16. September (Zürich StA, A 177, Nr. 33) hervor.
29 Die Klause Ehrenberg, die am 5. September von den Kaiserlichen zurückerobert worden war; s. die Verweise in Nr. 2582, Anm. 1, und Nr. 2574, Anm. 46.
30 Bullinger teilt am 4. September mit Nr. 2564,1, mit, dass 150 Stadtzürcher sich im schmalkaldischen Dienst befinden. Siehe auch oben Anm. 28.
31 Man hatt nit gut sorg: Man ist fahrlässig.
32 Gemeint sind die von Italien heraufgeführten italienischen Truppen unter der Führung von Francesco di Castellalto (s. Nr. 2529, Anm. 3) sowie die bereits an der Donau liegenden kaiserlichen Truppen.
33 wo es annders: wenn es denn.
34 das schlechte Volk.
35 Nr. 2592 vom 20. September, wonach Blarer sich in seinem Brief Nr. 2595 vom 22. September erkundigt hatte.
36 Gemeint ist Sabina Schöners Sendung an ihren Bruder Hans; s. Nr. 2592,30-32.
37 vom unbekannten Überbringer der von Sabina Schöner abgefertigten Sendung an ihren Bruder Hans; s. Nr. 2595,1f.
38 mit einem nicht erhaltenen Brief.
39 Zu Blarers Berichten über die Venezianer s. Nr. 2592,12-16; Nr. 2595,14.

Berner haben sich erkenndt, bey irem disputatz 43 ze pleiben. Dieweil aber ettlich ir prediger 44 daß nit wol zufriden unnd auf luterische gattung zickhennd 45 , haben sie hie geworben, unnd werben noch, umb einen prediger. 46 Mit dem herren Wiltharten Schwarzen 47 will ich fleiß ankheren 48 .

Witter soll gehanndelt werden von einem anstand unnd friden. 49 Eerend gott, ruffennd alle gutte freund an 50 ||129r. Schreibennd Laeto 51 unnd anndern, das man so grossen kossten nit vergebens angewendt unnd erst 52 ein fuwlen frieden anneme. Wöhr, wer whören mög! Ein gutter, eerlicher friede c aber ist ein gutt dinng.

Es soll auch ein unordnung unnder d den Eidgnossen d53 sein zu Fuessen. Rattent unnd helffennt, das es recht zuganng.

Gott mit euch. Inn grosser eil. 26. septembris 1546.

[Ohne Unterschrift.]

[Ohne Adresse. Anmerkung des Kopisten auf f. 129v.:]Exemplum literarum Bullingeri.

c friede über gestrichenem freund. —
d-d In der Abschrift dem Eidgnodschafft; s. aber Anm. b.
40 Italiener.
41 den Schmalkaldenern.
42 Solte es weltzen: Sollte die Lage sich wenden.
43 Die Berner Disputation von 1528 und die dort verabschiedeten zehn Thesen; s. Nr. 2584, Anm. 49.
44 Gemeint sind Beat Gering und Simon Sulzer.
45 auf luterische gattung zickhennd: sich lutherisch benehmen (mit negativer Konnotation); s. SI II 499f s.v. Gatting, und Fischer VI/1 1175 s.v. zicken.
46 Blarer hatte Bullinger in Nr. 2592,23-27, um Informationen hierzu gebeten. Zur Sache s. Nr. 2583, Anm. 5; Nr. 2584; Nr. 2586 und Nr. 2587.
47 Unbekannt. Es könnte sich sowohl um einen Berner als auch um einen Zürcher handeln. Ob derjenige Johann Walthard Schwarz, der im Jahre 1562 Helfer in Thun und 1563 Pfarrer in Blumenstein (Kt. Bern) wurde (Pf-Bern 66. 354), ein Verwandter des hier genannten Schwarz war, muss offen bleiben.
48 anwenden.
49 Bullinger hatte Blarer diesbezüglich schon früher angesprochen; s. Nr. 2577,
8-18. Anlass zur vorliegenden Bemerkung könnte Nr. 2594,41f (vom 20. September), gewesen sein. Vielleicht wurde er aber auch über den Inhalt des Briefes informiert, den Thomann am 19. September dem Zürcher Rat geschrieben hatte (s. Nr. 2594, Anm. 29), oder erfuhr er sonst etwas über die Bemühungen um eine Aussöhnung Augsburgs mit dem Kaiser, deren Drahtzieher Anton Fugger war. Dieser hatte sich damals ins Tirol zurückgezogen; s. Hermann Joseph Kirch, Die Fugger und der Schmalkaldische Krieg, München/Leipzig 1915 — Studien zur Fugger-Geschichte 5, S. 117— 119.
50 ruffennd ... an: appelliert an; s. Fischer I 249.
51 Georg Frölich. — Ein solcher Brief findet sich nicht in Blarer BW.
52 jetzt; von Anfang an; s. Fischer II 847; SI I 4701.
53 Die in Anm. 28 erwähnten eidgenössischen Fähnlein. — Zu den "Unruhen" s. Nr. 2596,125-135; Blarer BW II 517f, Nr. 1354 vom 6. Oktober; 519, Nr. 1355 vom 10. Oktober.