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[2595]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
22. September 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 200 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW ll 510f, Nr. 1351

Blarer hat Bullinger am (20. September] mit dem Überbringer [...] der für [Hans] Schöner bestimmten Brief- und Geldsendung geschrieben (Nr. 2592]. Kaiser [Karl V] liegt in Ingolstadt. Die Italiener und Spanier [des kaiserlichen Heeres] haben seltsame Sitten. Ein Spanier [...]vollzog die Ehe mit einer Italienerin [...] in der Nebenkapelle der Kirche, während der Zugang von den Dienern des Bräutigams versperrt wurde. Die [Schmalkaldener]

d An der linken Seite der Adresse brachte Frölich die Bemerkung cito, cito, an, indem er im Halbkreis eines großen C die Buchstaben ito ito untereinander schrieb.
44 Die Abschrift dieser Artikel ist in Zürich nicht erhalten geblieben. —Ob es sich dabei um die Artikel zum Thema der Sünde unter den Erlösten handelt, die Naogeorg während seines Verhörs in Weimar am 26./27. August 1546 (s. dazu Nr. 2576, Anm. 64) vorgehalten wurden, und die bei Seckendorf II, Lib. III, S. 665, abgedruckt sind, bleibt offen. Noch wahrscheinlicher könnten damit die vier Anschuldigungspunkte gemeint sein, die ihm während des zuvor erwähnten Verhörs vorgehalten wurden und bei Friedrich, Kirchmair 97 in einer deutschen Zusammenfassung vorliegen. — In seinem
Brief vom 7. Oktober 1546 an Bullinger (Zürich StA, E II 345, 329) schreibt Frölich: "Articulos transmissos negat se [= Naogeorgum] eo modo, quo positi sunt, asseruisse". Dies behauptete Naogeorg schon während des Prozesses; s. Friedrich, Kirchmair 97.
45 Mit Brief Nr. 2571 vom 7. September, der in Augsburg am 18. eintraf; s. Nr. 2596,1-3. — Die aus Zürich gesandten Pfarrer trafen in Augsburg bereits am 22. September ein; s. Nr. 2596,3-6.
46 Der zuletzt in Nr. 2585, Anm. 50, erwähnte Bote.
47 Antistes.

liegen noch bei Donauwörth. Ihre Pläne sind unbekannt. Die italienischen [Truppen] sind unwillig und etliche ziehen ab, obwohl der Kaiser die Hinrichtung von Deserteuren angeordnet hat. Auch die deutschen Soldaten [des kaiserlichen Heeres] sind ungehalten, da anscheinend eine Seuche im Lager grassiert, Entbehrungen in Kauf genommen werden müssen und es an Geld mangelt. Es wäre gut, wenn man die Sache hinter sich hätte! Die Venezianer wollen sich die Deutschen nicht zu Feinden machen. Es soll eine erneute Verstimmung zwischen Frankreich und England geben. Genaueres weiß Blarer nicht. Bullinger soll beten. [P.S.:]Gruße.

Scripsi ad te nudius tertius 1 per postam 2 missis etiam ad Schönerum 3 literis cum pecunia. 4 Nihil vero prorsus accessit novi, quod nunc scribam.

Der kaiser 5 ligt zu Ingolstadt in der statt.

Die Italiäner und Spanier habend seltzam hauß 6 . Am Spanier 7 ist ainem italianischen weyb 8 hold 9 worden. Hat iren willen 10 erlangt. Darnach in der kirchen hat man sy im zugefürt in ain näbencapelle. Habend inn seine diener verwaren 11 müssen, byß er sinen muttwillen ausgestossen 12 hat, etc.

Die unsern ligend noch zu Thainowwerd 13 . Nitt waist man, was sy fürnemmen wellend. Die Italiäner 14 sind gantz unwillig. Ziechend sich teglich ab, unangesechen 15 das sy der kaiser pryß geben hat. 16 So 17 sind die teutschen knecht ouch ganz unwillig, dann es wirt constanter gesagt, das ain sterbet 18 under des kaiser knechten seye und grosser mangel aller ding, ouch an gellt. 19 Nitt waiß ich, wie es zugeht. Were güt, man keme ab 20 der sach.

Die Venediger wellen die Teutschen nitt zu finden machen. 21

Es soll sich naiswas 22 newes unwillens zwyschen Franckrich unnd Engeland widerum zutragen haben. 23 Kan nitt aigentlich 24 hören, wie oder was.

1 Nr. 2592 vom 20. September.
2 Unbekannt.
3 Hans Schöner.
4 Ein Sendung von Schöners Schwester Sabina; s. Nr. 2592,30-32.
5 Karl V. — Damals befand sich jedoch der Kaiser bereits in Neuburg ad. Donau (s. Nr. 2594, Anm. 42), das er schon am 23. September verlassen sollte; s. Nr. 2596,28-30; Viglius van Zwichem 94-96. — Das hier übermittelte, falsche Gerücht findet sich ebenfalls in einem Brief Heinrich Thomanns vom 19. September (EA IV/Id 737; Zürich StA, A 177, Nr. 34) und ist wohl auf eine Kriegslist des kaiserlichen Lagers zurückzuführen.
6 hier: Sitten.
7 Unbekannt.
8 Unbekannt.
9 geneigt.
10 Zustimmung.
11 abschützen; hier: den Zugang zur Kapelle versperren.
12 muttwillen ausgestossen: seinem sexuellen Drang freien Lauf gelassen; s. SI XV 1291.
13 Donauwörth; vgl. Nr. 2585 und Anm. 36.
14 des kaiserlichen Heeres.
15 obgleich.
16 Zu verstehen ist: Italiener werden fahnenflüchtig, obwohl der Kaiser die Hinrichtung von Deserteuren angeordnet hat; vgl. Nr. 2602,58-66.
17 Desgleichen.
18 Seuche (Grippe?). Vgl. Nr. 2602,67-69; und einen in Nürnberg am 16. September verfasten Bericht: "In des kaisers lager soll es auch sterben" (zitiert in Georg Voigt, Die Geschichtschreibung über den Schmalkaldischen Krieg, Leipzig 1874, S. 755).
19 Vgl. dazu Nr. 2582,7-9.
20 keme ab: werde frei von; s. SI III 270 s.v. abkommen.
21 Vgl. Nr. 2592,12-16.
22 irgendetwas.

Tu bene vale, mi venerande et charissime Bullingere, et dominum pro me nostraque ecclesia diligenter interpella. 22. septembris 1546.

Tuus Amb. Bl.

Salveant fratres et amici. Salutant a te nostri omnes.

[Adresse auf der Rückseite:]Bullingero suo. Tiguri. b