[2503]

[Ambrosius Blarer
an Bullinger]
[Konstanz],
16. Juli 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357, 180-183 (ohne Siegel)

Zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 472f, Nr. 1313

Blarer hat Bullingers Brief vom 12. Juli [Nr. 2496] durch einen Überbringer [...] aus St. Gallen erhalten. [Hans Rych], dem Bullinger einen Brief für Blarer [Nr. 2493] anvertraut hatte, ist nicht erschienen. Wer weiß, was ihm zugestoßen sein mag. Bullinger soll sich über ihn informieren, während Blarer sich in Augsburg nach ihm erkundigen wird. Da Blarer erst [mit Nr. 2500 vom 15. Juli]geschrieben hat, gibt es nichts Neues zu berichten. Blarer will gerne schreiben, sooft er kann. Dennoch ist es ihm nicht möglich, seine Briefe ohne weiteres dem Stadtschreiber [Jörg Vögeli d.Ä.]für die Übermittlung anzuvertrauen. Er muss nämlich seine an Bullinger gerichteten Briefe stets mit guten Ausreden rechtfertigen, da [Vögeli] der Meinung ist, dass die Prädikanten sich nicht um [politische]Angelegenheiten kümmern sollten. Deshalb hat Blarer bisher nur selten Briefe über die Stadtboten geschickt. Und wenn er dem Konstanzer Rat etwas berichten musste, das er aus einem Brief Bullingers erfahren hatte, verheimlichte er seine Quelle [Vögeli]gegenüber. Wie Bullinger sähen es auch die [Konstanzer] gern, wenn die [eidgenössischen Söldner]alle miteinander in einer eigenen Abteilung unter einem der Hauptleute [der Schmalkaldener] blieben, und wenn man sowohl unter den [eidgenössischen als auch unter den deutschen] Söldnern eine gute [Sitten]ordnung halten würde. Doch werden die Konstanzer diesbezüglich kaum etwas bewirken können. Außerdem wird sich das [Kriegs]volk einer solchen Disziplin nicht unterordnen wollen. [Konrad Zwick] lässt grüßen und zweifelt nicht, dass Bullinger wohl etwas einfallen wird, wie er [den ihm gespielten Scherz] vergelten kann. Zwick wird sich dann auch etwas Neues einfallen lassen! Aber im Ernst: Der Herr möge die schwierige Lage zu einem gutem Ende bringen! Blarer übersendet anbei ein [Geheim]alphabet, das er einst mit dem verstorbenen Johannes Zwick für vertrauliche Mitteilungen brauchte. Nun gilt es wieder vorsichtig zu sein, damit niemand zu Schaden kommt. Blarer möchte deshalb [dieses Alphabet im Briefwechsel mit Bullinger benutzen können]. Aktuelle Nachrichten wird Bullinger wohl aus dem beiliegenden

1 Der Absender ergibt sich aus der Handschrift, der Empfänger aus dem Inhalt
des Briefes und allein schon aus der Angabe in Z. If.

Schreiben des Konstanzer Rates an den Zürcher Rat erfahren. Die Lage [der Schmalkaldener] entwickelt sich besser, als diese es verdient hätten. Dem Herrn sei Dank! Aus Baden hat Blarer vernommen, dass die Prediger von Zürich beschuldigt werden, die Bevölkerung zum Krieg zu hetzen. Dies kann natürlich nicht stimmen. Die Prediger werden wohl ihre Obrigkeit aufgefordert haben, verantwortungsvoll zu handeln, was wiederum von böswilligen Menschen so gedeutet wurde, als hätten die Prediger zur Anwerbung aufgerufen. Da man nun aber [keine Söldner mehr braucht], ist es auch nicht mehr erforderlich, dass die Pfarrer ihre Behörden ermahnen. Dem [Konstanzer Rat] ist es lieber, dass Männer aus dem Thurgau, dem Toggenburg, dem Appenzell und von woanders als von Zürich [zum Solddienst nach Deutschland]gelaufen sind, denn so stehen ihnen im Notfall die Zürcher noch zur Verfügung. Die Thurgauer haben keinen Oberst. Deshalb sind sie auch nicht so effizient. Die Zürcher Söldner jedoch würden stets von einem Zürcher Oberst, dem sie gehorchen müssten, flankiert sein. Sollte es zwischen den Eidgenossen zu Unruhen kommen (in Baden kommt man angeblich nicht gut miteinander aus), stünde es schlecht um die Zürcher, wenn deren wackere Kriegsleute sich in der Fremde befänden. Wollten sie dann ihre Söldner zurückrufen, könnte dadurch den [Schmalkaldenern] ein großer Nachteil erwachsen, ja vielleicht wäre es den Zürchern sogar nicht einmal möglich, ihre Männer [aus Deutschland] zurückzuziehen. Da [die Schmalkaldener] eher zu viel als zu wenig Kriegsvolk haben, sollen die Zürcher ihre Leute daheim behalten, bis man ihrer bedarf Denn angesichts der Stärke des Kaisers [Karl V] und des Reichtums der Pfaffen wird sich dieser Krieg wohl noch länger hinziehen. Grüße an die Familie und an die Freunde. [Thomas] Blarer und Konrad Zwick lassen grüßen. Diesmal hat Blarer den Stadtschreiber [Vögeli]gebeten, den vorliegenden Brief dem Konstanzer Botendienst anvertrauen zu dürfen. Blarer liegt seit drei Wochen mit einem vor einem Jahr eingetretenen Leistenbruch darnieder. Bullinger soll für ihn beten, damit er nicht operiert werden muss.

Furgeliepter herr und brüder. Ewer langer brieff, des datum den 12. iulii zu 9 ur vormittag, 2 ist mir durch ainen 3 von Sant Gallen uff 15. iulii nach drey uren aubends überantwurt. Daruff in kurzem yn grosser yl.

Erstlich wisst, das diser jung 4 , von dem ir schreibt, 5 nitt bey mir gewesen, ouch kain brieff des innhalts, davon ir schribt, 6 mir von yemand überantwurt worden. Darum wellt nachfrag halten, wa bott und brieff hinkommen. Es ist aller falsch und untreuw in der wellt, und gilt warlich uffsechens, dann es ist alles voller verreterey. Vyllicht ist dem gesellen sonst etwas begegnet. Ich will mich auff Augspurg auch erkundigen, ob ich in erfarung kommen möchte, was er fur ain mensch seye.

Sonst darff 7 es dismals nitt schreibens. Hab euch aller erst geschriben, 8 und ir wisst nunmehr, wie sich all sachen bys anher verloffen. Gott geb gluck und gnad, das gutem anfang besser fürgang unnd der aller best ussgang widerfare, und mitt gottes forcht und yfer alles gehandelt werde.

Ich will euch gern schreiben, alls offt ich mitt fügen kan 9 ; aber mitt unserm stattschreiber 10 kan ich dis orts nichts den graden weg usrichten. Ich

2 Brief Nr. 2496; vgl. dort Z. 98.
3 Unbekannt.
4 Hans Rych von Rapperswil.
5 In Nr. 2496,1-15, vom 12. Juli.
6 Brief Nr. 2493; s. Nr. 2496,9-11.
7 bedarf.
8 Blarer meint seinen Brief vom Vortag (Nr. 2500).
9 alls offt ich mitt fugen kan: sooft ich Gelegenheit dazu habe.
10 Jörg Vögeli d.Ä

muß selten kommen und die sach ain krommen weg inher bringen, das ich durch inn bottschafft hinin 11 haben und euch by derselbigen schreiben möge. Dann er ist warlich ain sehr frommer, redlicher mann. Aber in ettlichen dingen hat er seine aignen rechnungen 12 , darab er sich nitt bringen lasst; under welchen ouch diß ains ist, das er glatt nitt zu gut halten kan, wann er nun argwonet, daß die predicanten sich sölcher hendel ouch annemmind. Derhalb ich euch bys anher ouch gar selten hinein geschriben by denen botten, die der stattschreiber von meiner herren wegen hinein fertiget. Item, wan ir mir etwas von sölichen sachen schreibend, das meinen herren anzuzögen ist, verhüt ich zum besten, das der stattschriber nitt gedencke, daß sölichs von euch komme, dann sunst wer es im gar zuwider. Hat sunst die prediger sehr lieb, aber er mag nitt, daß sy sich in ainch 13 weg diser ding annemind.

|| 18I Das ir gern sechind, 14 das die eweren all an ainem sondern hauffen wehren under unserer hoptleut ainem und das ain gute ordnantz 15 gehalten wurde zu baiden tailen, 16 sechind wir all ouch gern. Welten gern helffen und rathen, wa etwas zu unß stände 17 . Aber wir achtend, es werde allso alles uff zimlich und lydlich weg gebracht. Diß volck alles will sich nitt recht gedinen noch maisteren lassen 18 , wie ir wisst. Mann will an denen orten mitt zucht schlapen 19 , wie mans anfacht 20 .

Mein l[ieber] vetter 21 empiet euch vyl gutz und grutz 22 . Achtet, es werde im an der zalung an euch nichts mangeln. 23 Will dero erwarten und sich beflissßen, das er euch dabey ouch nichts schuldig beleyb. Wolan! Extra iocum, lasst unnß bitten, flehen und von hertzen schreyen, das der herr gott diß sach füren und ussfüren welle zu seinem ewigen lob!

Ich uberschick euch hiemitt ain schrifft 24 , deren unser frommer doctor Hans Zwick selig und ich ain bruch gehapt, so ich etwa nitt hie gewesen hyn, und wir ainander etwas vertraulichs geschriben haben. Were gut in denen löfen behutsam ze sein, wann brieff veruntreuwet wurden, das es yederman on nachtail were. Mir ist sovyl mitt brieffen begegnet, daß ich billich behutsam sein und gwarsamlich handlen sollt, alls ich ouch in vyl weg köndt des schribends halber, so es von nöten sein wellt.

11 nach Zürich.
12 Auffassung. 13 irgendein; s. SI I 280.
14 Vgl. Nr. 2496,100-104. 15 Ordnung, Disziplin.
16 Sowohl von den eidgenössischen als auch von den deutschen Söldnern.
17 wa etwas zu unß stände: wenn es uns zustünde.
18 gedinen ... lassen: dienlich erweisen.
19 nachlässig sein; s. Fischer V 895f.
20 wie mans anfacht: egal wie man [dagegen] vorgeht.
21 Konrad Zwick.
22 Gruß.
23 Gemeint ist, dass Zwick wohl weiß, dass Bullinger sich etwas einfallen lassen wird, um den ihm gespielten Streich zu vergelten; s. Nr. 2496,82f.
24 Geheimschrift. —Abbildung des Geheimalphabets oben auf S. 12.

Was yetzund die zeytung 25 seyen und wie sich all ding schickind unnd zutragind, schreibend hiemitt 26 gantz fleyssig meine herren ewern gehaimen räthen. By denen wellt euch deren ding erkundigen, wie ich dann ongezweyfelt hyn, sy euch des nichts verhaltind, diewyl gut das irs wissind. Es schickt sich doch alles noch woll und besser, dann wir wert seind. Dem herren seye lob und preyß in ewigkait. Den lasst unß mitt allem ernst anrüffen, das er für und für 27 der besser 28 sein, kain alten schaden an unns rechen, sonder mitt unns nach seiner vätterlichen güte und truw zu hailgung seines grossen nammens handlen welle.

||182 Ab dem tag zu Baden 29 vernym ich wol das ir prediger zu Zürich geschuldiget werdind, ir machind den bouff der knecht und predigind trungelich 30 , sy sollind yetz louffen und seyen des schuldig, etc. Aber ich gibs für ain calumniam. Waiß euch vyl baß 31 gesinnt, dann das ir allso die gmainen knecht uffstyflind 32 . Gedenk aber, ir then getruwe meldung, was ainer oberkait hierinn gebure, wie ich dann ausß ainem ewerm schreiben vernomen, das ir ernstlich an der sach seyen und predgind, etc. Sölichs wirt euch dann von den böswilligen dahin gedeut, alls ob ir die knecht selbs ze louffen bewegind und raitzind. Hab ich euch danecht 33 nitt underlassen wellen, anztizögen, euch dest baß wissen in die sachen zerichten, sonderlich die weyl es ouch diser zeyt nitt von nöten, das ouch ewer oberen dahin gewysen werden.

Dann mir ist in vertrauwen angezögt, das mine herren byß anher vyl lieber gesehen habind, das Turgöwer, Dockenburger, Apozeller und ander geloffen seyen, dann Züricher, 34 usß ursachen, das sy lieber wellind, das die Züricher ir volck behaltind, damitt, wa sich etwa by unß unru erhübe, das wir aintweders 35 leut zu ainer besatzung bedörfften, oder wir vyllicht etwa dem find a ain ynfal thain 36 welten, das wir euch dann gehaben 37 möchten, die wir dann vyl lieber dann ander haben welten usß nitt geringen ursachen. Dann Turgöwer. etc., seind ain volck on ain ainigs hopt, und desshalb usß vyl, vyl ursachen schwärlich mitt inen etwas uszerichten, etc. Sonst die ewern wurden allweg 38 neben den unsren ouch von euch ain zugebnen hoptman

a dem find am Rande nachgetragen.
25 Nachrichten.
26 Das Schreiben des Rates von Konstanz an den Rat von Zürich vom 16. Juli 1546 (Zürich StA, A 177, Nr. 11) mit Nachrichten über die Truppenverlegungen bei den Kaiserlichen, über die Einnahme von Füssen und der Klause Ehrenberg sowie über die eidgenössischen Söldner.
27 für und für: weiterhin.
28 gütigste.
29 Die Badener Tagsatzung, die am 5. Juli begonnen hatte; s. Nr. 2474, Anm. 6.
30 eindringlich.
31 besser.
32 aufhetzt; s. Fischer I 425.
33 dennoch.
34 Was nicht Bullingers Meinung war; s. Nr. 2496,41-46.
35 entweder.
36 tun.
37 zur Verfügung haben.
38 immer.

haben und oberen, den sy entsytzen 39 müssen, etc. Ander ursachen merkt ir selbs wol Kans nitt erschreiben 40 .

Sollte sich dann under den Aidgnossen selbs etwas unru erregen (wie man dann vernympt, das man ubel züsamen sticht 41 zu Baden) und ir alls dann vyl knecht und vyllicht die besten dussen 42 hetten (wie wir dann vernemmen, 43 das iren vyl waidlicher 44 leut und ain kern der ewern gern zugind 45 und gantz bewegig seyen), so were es nitt gut. Dann sollten sy in sölichem fall widerum haim ziechen und euch, wie billich, bystendig sein, das mochte alls dann den unsern vyllicht ain grosser nachtail sein. ||183 Sollten sy dann by den unsern blyben wellen oder alls dann vyllicht die sachen dermassen uff unser seyten geschaffen sein, das sy nitt köndten abziechen, so were dasselbig euch ain grosser nachtail, so ir iren manglen sollen.

In summa: dieweyl die unsren diß mal mitt leuten nach aller notturfft allenthalb versechen und der knecht eh zu vyl dann ze wenig seind, so ist das best, ir rathind in allweg und helffind dahin by sonderen personen der ewern und sonst in gemain, das sy anhaim belybind. Aber so sich mitt der zeyt die obgemeldten fell zutrügind, wie dann vermutlich das ain werde doch beschechen, alls dann sind handtuch und wendend allen möglichen fleyß an, wie wir unß da[nn]gentzlich zu euch versehend 46 damitt wir von den eweren hilff und bystand habind zu der selbigen zeyt. Dann diß sach sicht im gleych 47 , das sy gantz weytlöffig werde, schafft des kaisers 48 grosse macht und der pfaffen schwärer seckel. Werden all ir hail versuchen unnd wol wissen, das es gillt sygen oder gar verderben, und, wie man sagt, bischoff oder bader werden 49 . Derhal[b] vermutlich diser brey werde nitt by ainem führ gesotten. 50 Aber wir sond im herren getrösst.

Grützt ewer haußgesind sampt allen guten herren und freunden. Wir begeren irer und der gantzen kirchen by euch getrüw fürpitt. Min I[ieber] br[üder]51 und vetter C[onradt] Zwick empieten euch alles liebs und guts.

Ich habs dißmal aber gewagt, dieweyl ich vernommen, das meine herren ewern gehaimen räthen schreiben wellen, 52 das ich unsern stattschriber gebetten, euch diß meinen brieff ouch zuzeschaffen.

Datum den 16. iulii 1546.

39 fürchten.
40 zu Ende schreiben; s. Fischer II 841.
41 ubel zusamen sticht: nur schlecht miteinander auskommt; vgl. SI X 1237.
42 draußen.
43 Vgl. Nr. 2493,1-4. 21-23; Nr. 2496,43f.
44 wackere.
45 in den Krieg ziehen würde.
46 wie wir unß ... gentzlich zu euch versehend: wie wir es von euch erwarten.
47 sicht im gleych: sieht danach aus.
48 Karl V.
49 bischoff oder bader werden: Herr oder Knecht werden; s. SI IV 1015; FNHDW II 1679; Wander I 384, Nr. 2.6.9.13.
50 Gemeint ist, dass wohl mehr als eine Kampfhandlung nötig sein wird.
51 Thomas Blarer.
52 Siehe oben Anm. 26.

Ich lig yetz drey wochen inn an ainem brüchlin 53 , das mir vor ainem jar widerfaren. Hofft man, mir ze helfen, das ich mich nitt musß schniden lassen. Und schikt sich die sach wol! Bätend gott, das wol gonnt 54 .

[Ohne Unterschrift.]

[Ohne Adresse.]

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