[2501]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
15. Juli 1546

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 235 (neu: 253)(Siegelspur) Ungedruckt

Auf Myconius' letzten Brief [Nr. 2491] hat Bullinger vermutlich wegen des durch die [Badener] Tagsatzung eingetretenen Botenmangels noch nicht antworten können. Myconius hatte Bullinger nach den Nürnbergern gefragt. Inzwischen hat er nichts Gutes über sie erfahren. Sie bleiben sich in ihrer Geschwätzigkeit gleich! Herzog [Moritz] von Sachsen soll heimlich aus Regensburg abgereist sein, daheim gegen die Treulosigkeit Kaiser [Karls V.] wüten und ganz in Waffen sein. Möge es gut ausgehen, auch für die anderen evangelischen Fürsten! Ein aus Regensburg kommender Basler Ritter [...] berichtete, dass [Karl V.] und sein Bruder [König Ferdinand] die Hochzeit der Tochter [Ferdinands], [Anna von Österreich], mit [Albrecht], dem Sohn [Herzog Wilhelms von]Bayern, fröhlich feierten, und dass der Kaiser gesagt habe, dass er nicht wisse, warum die [Schmalkaldener] so rührig sind, wo er ihnen doch nicht schaden wolle. Myconius geriet zuerst außer sich, entgegnete aber dann, dass er diesem Fuchs mit Gottes Beistand seine Meinung sagen würde, wenn es in seiner Macht stünde. Hält er denn die Deutschen für dumm? Ein Fuhrmann [...] berichtete über die [Niederlande]. Die Schwarzen Reiter, die Karl V. [dem König Heinrich VIII. von]England

20 1 Joh 4, 7. 21 Vgl. Eph 2, 14.
22 Siehe oben Anm. 1.
23 In Blarer BW ist aus jener Zeit nur ein Brief Sixt Bircks vom 3. Juli (Nr. 1303) erhalten.
24 gewiss.
25 Vorliegender Brief wurde durch den jungen [...] Herrliberger übermittelt; s. Nr. 2507,1-3.

[gegen Frankreich] zur Verfügung gestellt hatte, sollen nach Spanien verschifft worden sein. Der Weg nach Basel war aber sicher. Man weiß außerdem, dass Straßburg dem [Landgrafen Philipp von] Hessen Söldner schickt. Gestern wurde erzählt, dass das Städtchen Füssen zusammen mit drei Burgen von einem Heerführer [Sebastian Schertlin]eingenommen worden und das kaiserliche Heer von dort nach Bayern entwichen sei. Manche erwarten nichts Gutes von den Fünf Orten. Doch Genaueres wird Myconius nach Abschluss der [Badener] Tagsatzung erfahren. Wenn nur die [Fünf Orte] begreifen würden, dass Karl V. mit seinem Brief an die [Eidgenossen] nichts als Zwietracht stiften will! Pasquill auf Karl von Gent.

S. Ad postremas 1 taces; quod non miror propter comitia 2 , ut quae videntur in causa esse, cur tabellarii isthinc ad nos nulli.

Quesieram de Nurenbergensibus; 3 verum de eis novi, quae nolui. Sunt isti sui similes. Nunquam mihi placuerunt. Praeter enim loquacitatem nescio, si quid aliud habeant, unde queant esse vel in speciem aliquid. 4

Quesieram et de duce Mauricio 5 , sed interea sic accipio: Quatuor tantum equis e Ratisbona clam elapsum 6 et nunc domi saevire contra caesaris 7 perfidiam et esse totum in armis; quod illi felix faustumque sit ut reliquis etiam principibus, qui ab evangelica stant iustitia, exopto.

Sed audi, quid narret civis Basiliensis, eques auratus 8 , e Ratisbona recta veniens. Caesar, inquit, cum fratre 9 laetus vivit. Nuptias celebrant pro more. Iunxit enim Bavarus 10 filium suum 11 filie regis 12 . De bello nihil, nisi quod caesar dicit: "Quid agunt illi 13 ? Quis excitat, cum nec ledam ego, nec ledere tentem?"Equidem his auditis prae iracundia loqui non valui, donec tandem nonnihil restituto verba huiusmodi exciderent: "Wenn ich were, der ich nit bin, 14 es müste 15 mich der Carli nit also verachten. Ich wett imm uff d'hochzytt kon 16 , es warte mirs dann gott 17 . Sol man Tütschland also äffen 18 ?" Utitur vulpes suis artibus. 19 Nam tedium incutere tentat nostris, si sic tandem inopinantes queat obprimere. Sed spero dominum daturum consilium, quo tandem versipellis 20 eiiciatur.

Auriga 21 vehens sarracenos 22 rogatus, quid rerum geratur in Germania Inferiore 23 respondit: "Nihil, nisi quod equites nigri 24 , qui hactenus militarunt Anglo 25 missi a Carob, transfretant in Hispaniam, ubi caesare opera eorum opus habet. Iter fuit alioqui nobis tutum." Haec ille, cum constet Argentinenses subinde milites ad Hessum 26 mittere, non certe sine causa.

1 Brief Nr. 2491 vom 8. Juli.
2 Die Badener Tagsatzung, die am 5. Juli begonnen hatte; s. Nr. 2474, Anm. 6.
3 Siehe Nr. 2491,64-66.
4 Vgl. auch Bullingers Meinung über Nürnberg in Nr. 2496,55-60.
5 Herzog Moritz von Sachsen. — Siehe Nr. 2491,57f.
6 Moritz von Sachsen war am Abend des 20. Juni aus Regensburg (wo der Reichstag stattfand) abgereist; s. Viglius van Zwichem 3.
7 Karl V.
8 Unbekannt.
9 König Ferdinand I.
10 Herzog Wilhelm IV. von Bayern.
11 Albrecht V. von Bayern.
12 Anna von Österreich, Tochter Ferdinands.
13 Gemeint sind die Schmalkaldener.
14 D.h. wenn ich einem höheren Stand angehörte.
15 dürfte.
16 kommen. — Eine Redewendung (Grimm X 1641), mit der Myconius droht, dass er dem Kaiser seine Meinung sagen würde.

Heri relatum oppidum Fiessen 27 occupatum a duce 28 curn tribus arcibus 29 . Et exercitum caesaris ibi collectum evasisse profectumque in Bavariam, ducern autem subsequi. Nescio, verum sit annon.

De Quinquepagicis divinant quidam non bene. Certi nihil audio tamen 30 Expecto comitiorum finem. 31 Nisi rem praesentem recte consideraverint, fieri potent, ut in malum id cessurum sit totius patriae. Utinam intelligerent Carolum nihil aliud literis suis 32 ad nostros voluisse quam fovere dissidiurn inter nos! Abeat, quo dignus est!

Tu vale in Christo cum tuis et fratribus omnibus. Basileae raptim. 15. iulii anno 1546.

Pasquillus ad Carolum Gandavurn 33

Quando Germanarn statuisti perdere gentem
Et vis tutoris proditor esse loco,
Vaticinor tibi te pro tam crudelibus ausis
Materni proavi 34 fata manere tui.

Os. Myconius

tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] D. Heinricho Bullingero doctissimo, fratri ac domino in Christo suo. Z[unic]h a .

a Teilweise auf das nicht mehr erhaltene Verschlussband geschrieben.
17 es warte mirs ... gott: wenn Gott mir dazu beistehen würde.
18 verspotten; s. Fischer 1108.
19 Vgl. Wander I 1240. 1243, Nr. 5. 99.
20 Gemeint ist Karl V.
21 Unbekannt.
22 Wohl als "frumentum saracenicum" (= Buchweizen) zu verstehen; s. Kirsch 2527.
23 Niederlande.
24 Die militärische Einrichtung der "Schwarzen Reiter" kam unter Karl V. zustande. Sie entsprach einer "mittleren (halbschweren) Cavaleriegattung" mit dunkler Rüstung; s. Julius Moritz Carl von Hardegg, Anleitung zum Studium der Kriegsgeschichte, Bd. 2/2: Von 1350 bis 1790, Darmstadt/Leipzig 1868, S. 74.
25 König Heinrich VIII.
26 Landgraf Philipp. — Siehe dazu Nr. 2481 und Anm. 4.
27 Füssen.
28 Sebastian Schertlin. —Zur Einnahme Füssens s. zuletzt Nr. 2498,77-125.
29 Gemeint sind u.a. die Burg und die Klause Ehrenberg; s. Zürich StA, A 177, Nr. Il.
30 Wohl das Gerücht, laut dem die Fünf Orte die Zürcher überfallen werden, sobald
der Kaiser die Schmalkaldener angreift; s. EA IV/ld 659 k.
31 Die Gesandten Basels verließen Baden am Morgen des 17. Juli 1546 und trafen am 18. Juli spätabends in Basel ein; s. Johannes Haab und Itelhans Thumysen an den Rat von Zürich, Baden, 18. Juli (Zürich StA, A 227/1, Nr. 82); PC IV/I 252, Nr. 229.
32 Zum Brief Kaiser Karls V. an die Eidgenossen sowie zur Mitteilung einer Abschrift dieses Briefes an Myconius s. Nr. 2491 und Anm. 32.
33 Gent; der Geburtsort Karls V. — Dieses Pasquill wurde als Zusammenfassung zu dem Gedicht "Caroli Gandavi deploratio" von Sebastian Lepusculus (Häslin) verfasst und vermutlich auch gedruckt, nämlich in Basel. Lepusculus sandte davon am 22. August 1546 an Georg Frölich ein zur Zeit Roths noch erhaltenes Blatt mit den beiden oben erwähnten Gedichten, auf dem er auch eine Widmung anbrachte; s. Roth, Augsburg III 403 (Abdruck des Pasquills); 433, Anm. 88 (das zugehörige Gedicht).
34 Karl der Kühne; vgl. HBBW XVI 214,48f.

Projektseite
Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung