Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2471]

[Ambrosius Blarer]
an Bullinger
[Konstanz],
25. Juni 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 718f (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 453f, Nr. 1297

Am Vortag hat Blarer Bullingers Brief an Vadian [nicht erhalten] empfangen und einigen [Rats]herren gezeigt. Bullingers Ratschlag gefiel diesen so sehr, dass sie ihn sogleich umsetzten, was die Zürcher vom Konstanzer Gesandten [Ludwig Kürnstaller]schon erfahren haben werden. Herzog Ulrich von Württemberg hat in einem Schreiben an Ulm seine bedingungslose Unterstützung zugesagt. Angeblich haben die Ulmer mehrere Wagen mit Speeren, die für Kaiser [Karl V] bestimmt waren, beschlagnahmt, die Ware jedoch den Fuhrleuten bezahlt. Falls die [Inneren Orte] nicht bereit wären, [dem Schmalkaldischen Bund] Beistand zu leisten, sollen die Zürcher auf Bitte des Konstanzer Rats diese Orte dazu bewegen, dass wenigstens die [protestantischen Orte dem Bund] ihre Hilfe anbieten dürfen. So würden die [Inneren Orte] den Kaiser zufriedenstellen, und die [von den Eidgenossen]geleistete Unterstützung wäre zugleich umso effizienter. Der Konstanzer Gesandte [...]auf dem [Städtetag] in Ulm schrieb, dass der Kaiser Herzog [Wilhelm] von Bayern gebeten habe, sein Vermögen für die Erhaltung der Religion sowie zugunsten des angefochtenen Ansehens des Kaisers

a Textverlust durch Entfernung des Siegels.
1546 (Text in ARCEG VI 148 — wir danken Rainer Henrich für den Hinweis). Am 4. Juni leitete der Landgraf die Nachricht an Bucer weiter; s. Lenz II 458. Tatsächlich verfassten im Mai oder Juni 1546 Julius Pflug und Michael Helding auf Karls V. Wunsch den sogenannten Regensburger Entwurf einer Vergleichsformel; s. Vogel 504f (Text der Vergleichsformel in ARCEG VI 185-255, Nr. 15).
17 Nicht erhalten. Gwalther beantwortete den Brief am 17. Juni (Autograph: St.
Gallen, Kantonsbibliothek, Ms 35, Nr. 147; Kopie: Zürich ZB, Ms S 60, Nr. 133). — Wir danken Herrn Kurt Jakob Rüetschi für diese Angaben.
18 Unbekannt. In Frage käme sowohl ein Zürcher Gelehrter als auch ein Zürcher Student (wohl in Basel, Straßburg oder Marburg). Konrad Gessner kommt hier kaum in Frage, da er sich anscheinend erst einige Tage später nach Basel begeben hat; vgl. Nr. 2478,36.
19 Regula, geb. Zwingli.

einzusetzen. Der Herzog soll geantwortet haben, dass er der Religion halber niemanden bekriegen werde, sich jedoch gegenüber dem Kaiser angemessen verhalten wolle. Darauf soll der Kaiser nichts Vertrauliches mehr mit ihm verhandelt haben. Etliche trauen der unklaren Antwort des Herzogs nicht. Der rheinische Adel hat dem Kaiser seine Unterstützung verweigert, obwohl dieser sich sehr darum bemüht hatte und etliche Adlige dazu bereit waren. Blarer hat [Barbara Winzürn] noch nicht zu sich gerufen, hegt aber keinen Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit, wenn sie das für [Konrad]Hofherr bestimmte [Stipendium] übermittelt hat. Bezüglich Bischof [Johann von Weeze] ist alles geklärt. Aus bestimmten Gründen weiß der Bote [Ludwig Kürnstaller] nicht, dass der ihm von Blarer anvertraute Brief ebenfalls von Blarer verfasst wurde. Bullinger soll es ihm auch nicht sagen. Er darf ihm aber einen Brief für Blarer mitgeben. Hoffentlich ist der Bote freundlich. Blarer wird Bullinger weiterhin mit Nachrichten versehen. [Thomas Blarer] und K[onrad] Zwick lassen grüßen. Einige Augsburger fliehen nach Konstanz, und die Reichsten bringen ihre Frauen und Kinder in Sicherheit.

Lieber herr und püder. Ewer schreiben an den Vadianum 1 ist mir uff gestert zukommen. Hab ich glich ettlich miner herren anzögt. Hat der rattschlag sehr wolgefallen, daby anzögt. das die sachen 2 sonst ouch uff diß weg gericht seyen, wie ir dann yetzund schon von unserer herren gesanten 3 , der by euch gewesen, bericht mögen sein, dann es wirt, hör ich, alles dermassen angesechen 4 . Der truw gott lass es zu gutem end gerathen!

So wisst, das hertzog Ulrich von Wirtemperg gantz trostlich denen von Ulm zugeschriben mitt anzögung, das er on alles zytteren (diß sind sine wort) lyb, leben, gut und blut mitt allem vermögen zu diser sach setzen welle. 5 Yetz kompt sag, das die von Ulm etlich wegen 6 mitt spieß nidergelegt 7 habind dem kaiser 8 , doch den furleuten die spieß bezalt. Wirt danecht 9 glouplich anzögt.

Es sech ettlich miner herren für gut an, wann die gemainen Aidgnossen um hilff angelangt wurden, das ir doch die sachen uff sölich wäg richten möchten, das die anderen Aidgnossen, wa 10 sy nitt helffen wellten, nichts destweniger beschechen liessind, so die anderen, die mitt dem evangelio daran sin 11 hilff thain 12 wellten. Dann diß were das best, diewyl sy damitt den kaiser zufriden behielten und dann der anderen evangelischen Aidgnossen hilff den unsern dest gluckhaffter were. Ir wisst im 13 wol ze thain. Nicht erhalten.

2 Es ging um die Stellung der Eidgenossenschaft im bevorstehenden Krieg. Die Zürcher rieten zu einer Gesandtschaft der Schmalkaldener an die bevorstehende Tagsatzung zu Baden; s. EA IV/1d d 628, Nr. 298, wo der Brief des Konstanzer Rats an Zürich vom 28. Juni 1546 (Original in Zürich StA, A 205/1, Nr. 213) abgedruckt ist. Siehe ferner PC IV/Id 191, Anm. 1, Nr. 4. — Zur Gesandtschaft s. bereits Nr. 2466 und Anm. 10. Wohl der Konstanzer Ratsschreiber Ludwig Kürnstaller; s. EA IV/Id 628, Nr. 298. Siehe ferner Zürich StA, Seckelamt
Rechnungen F III 32, Rechnungsbuch 1545/46, S. 106 der Ausgabenabteilung (ohne Namensangabe des Gesandten). angeordnet. Dieses Schreiben vom 18. Juni ist erwähnt in Rommel, Ulm 17 und Anm. 27; PC IV/1 135, Nr. 102; 148, Nr. 117.
6 Wagen. beschlagnahmt.
8 Karl V.
~ überdies.
10 wenn.
11 Gemeint sind die protestantischen Orte der Eidgenossenschaft.
12 hilff thain: Hilfe leisten.

So schribt unser gesanter von Ulm 14 , das der kaiser dem hertzog von Payer 15 yetzund angemutet 16 hab, er welle sein vermögen darthain 17 zu erhaltung der religion und dann zum andern zu erhaltung kaiserlicher majestat reputation, welche von ettlichen ungehorsamen stenden mitt schmachbüchlin, schrifften und gemälden schwärlich verklaineret seye, etc. Daruff er geantwurt, das er von der religion wegen nieman kriegen werde, 18 was aber kai. mt. reputation betreffe, darinn well er sich gepurlich halten; daruff kai. mt. weyter nichts mehr vertrauwlichs mitt dem hertzogen habe handlen wellen. Doch mainen ettlich, dis antwurt möge wol ain zwyfelstrick und amphibolus 19 sein. 20

|| 718v. So hat der reinisch adel nach stattlicher 21 beratschlagung dem kaiser die begerten hilff abgeschlagen, wievyl er inen güter wort geben und wol ettlich under inen die anderen gern vermögt 22 hetten, und wenig gefallt 23 , es were bewilliget worden. 24 Gott hab lob!

Mulierculam illam 25 nondum vocavi, quamquam de illius fide non ausim dubitare, si reddita est pecunia Curioni 26 destinata, etc.

Des bischoffs 27 halber steht es recht. 28 Ich schrib in höchster yl und waist der bott 29 nitt, das der brieff von mir kompt, uss ursachen. 30 Ligt aber nichts dran, das ir mir ainen widerum an mich gebend. Drum sagen im nichts davon, das ich diß geschriben. Ich hoff, er solle holdselig 31 und willig sin. Ist oder wirt im und andern von miner herren wegen undersagt 32 .

Datum zu dry uren nach mittag, 25. juni 1546. Bitten gott trulich für unß und thaind aller ding das besst. Was ich yeder zyt erfar, lass ich euch wissen. Min lieber brüder 3 und C. Zwick 34 empieten

13 darin.
14 Unbekannt. — Wegen des drohenden Krieges fand damals eine Tagung der oberländischen Städte in Ulm statt; s. Fischer, Chronik, 123; Roth, Augsburg III 345; Rommel, Ulm 19f.
15 Wilhelm IV. von Bayern.
16 dem hertzog angemutet: vom Herzog verlangt.
17 verwenden.
18 So auch in EA IV/Id 628, Nr. 298.
19 zwyfelstrick und amphibolus: Zweideutigkeit; s. Fischer VI/1 1430 (mit Zitat dieser Stelle). — Zweifel an der Haltung des Herzogs finden sich auch in PC IV/I 125 (3. Zettel).
20 Zur Unzuverlässigkeit dieser Nachricht s. Nr. 2467, Anm. 4.
21 gründlicher.
22 die anderen vermögt: die anderen dazu gebracht; s. Fischer 111242.
23 [hätte daran] gefehlt.
24 Siehe dazu schon Nr. 2458,29-33; Nr. 2469,11f.
25 Barbara Winzürn; vgl. nämlich Nr. 2469,3-8.
26 Konrad Hofherr. — Das Stipendiengeld von Jakob Herbrot; vgl. Nr. 2468,34-37.
27 Johann von Weeze, Bischof von Konstanz.
28 Siehe Bullingers Beschreibung des Besuchs des Bischofs in Zürich auf die Rückfrage Blarers hin in Nr. 2469,14-30.
29 Unbekannt. Nachgewiesen in Zürich StA, Seckelamt Rechnungen F III 32, Rechnungsbuch 1545/46, S. 107 der Ausgabenabteilung.
30 Vgl. auch Anm. b. —Blarer eröffnete Bullinger den Grund dafür in seinem Brief vom 16. Juli; s. Nr. 2503,15-29.
31 geneigt, freundlich.
32 eingeschärft.

euch alles guts. Ettlich Augspurger fachend an her zu unß fliechen, und schikend die richsten ire wyb und kind hinweg. 35

[Ohne Unterschrift.]

[Adresse auf f. 719v.:] An maister Hainrich Bullinger zu Zuri[ch]a , minen gluten fru[nd]. b