Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2469]

Bullinger
an Ambrosius Blarer
Zürich,
22. Juni [1546]

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 35 (VBS VI), 149 (Siegelspur)

Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 451f, Nr. 1294

Bullinger hat zwei Briefe Blarers empfangen, den ersten vom 8. Juni [Nr. 2458], dem ein von [Georg] Frölich verfasster Brief [Nr. 2453] beigelegt war. Es beunruhigt ihn aber, dass Blarer nichts von [Barbara Winzürn]empfangen hat, die wegen ihres ihr von [Agathe]Studler zugefallenen Erbes in Zürich war. Bullinger ließ ihr nämlich ins [Gasthaus] von Michael Meinrad ein zur Übermittlung [nach Konstanz] bestimmtes Bündel Briefe schicken. Darunter befand sich ein Schreiben Gwalthers nach Augsburg. Blarer soll sie ausfragen. Bullinger bedauert, dass die Ravensburger Kirche auf so unglückliche Weise reformiert wird. Blarer soll ihr weiterhin zu Diensten stehen. Kaiser [Karl V.] hat die rheinischen Adligen betrogen. Seine süßen Worte sind Gift. Auch den Eidgenossen hat er in einem Schreiben viel versprochen. Zum zweiten Brief Blarers vom 21. Juni [Nr. 2468]: Es stimmt nicht, dass [Bischof

33 ihn.
34 Zur Bitte Ravensburgs um Entsendung Marbachs, auf die Straßburg nicht einging, s. PC IV/1 117, Nr. 85.
35 Brandstifter, Räuber.
36 Zu dieser Räuberbande, der auch Schweizer angehörten, s. Karl Wolfart, Räuberunwesen am Bodensee im 16. Jahrhundert, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 65, 1938, 115; EA IV/1d 634 n.
37 Konrad Hofherr.
38 Es findet sich kein Brief Hofherrs an Blarer in Blarer BW aus diesem Zeitraum, obwohl Blarer ihm bereits am 24. Mai geschrieben hatte; s. Nr. 2458,4-7.
39 Herbrot finanzierte das Stipendium Hofherrs; s. HBBW XV 132 und Anm. 1.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Inhalt.

Johann von Weeze] 14 Tage kostenfrei in Zürich beherbergt wurde. Er traf am Abend des [10. Juni] in Zürich ein. Erst am nächsten Morgen erfuhr der Rat von seiner Ankunft. Bürgermeister [Hans Rudolf Lavater] und einige Räte statteten ihm als Reichsfürst einen Besuch ab. Sie bewirteten ihn mit zwei Maltern Hafer, Fischen und Wein, ohne großen Aufwand zu betreiben. Der Bischof erzählte, er sei von den [Innerschweizern] gewarnt worden, dass die Zürcher Pfarrer ihn rechtlich belangen wollten, weil er sie zu Ketzern erklärt habe; doch hat er dies nicht getan und wolle es auch nie tun. Daraufhin erklärte ihm der Bürgermeister, dass sich die Pfarrer nicht beklagt hätten, dass aber der Rat gegen ihn gerichtlich vorgehen würde, falls er sie verketzern sollte. Am Nachmittag ritt der Bischof mit den Seinen wieder davon, weil er zum [Pfingst]fest [in Konstanz] sein wollte. Niemand hielt etwas von ihm; viele sagten, der Teufel hätte ihn nach Zürich getrieben. Blarer möge Bullinger weiterhin auf dem Laufenden halten, denn er ist besorgt. Der gegenwärtige Briefbote [...] war es, der gegenüber Bullingers Tochter [...] nicht freundlich war, als diese ihm einen Brief Bullingers ins [Gasthaus] "Zum Roten Hus" mitgeben wollte. Bullinger gegenüber war er gefällig. Es würde jedoch nicht schaden, wenn Blarer die Boten generell ermahnen würde, ohne sich dabei auf Bullinger zu beziehen. Bullinger hat [Konrad]Hofherr Blarers Meinung mitgeteilt. Mehr kann er nicht tun. [Der Zürcher Rat] wird sich bei den Eidgenossen [für den Schmalkaldischen Bund] einsetzen. Blarer soll die Brüder in Schwaben stärken.

Gratiam et pacem. Binas a te literas accipio, frater omnium charissime, priores 8. iunii datas 2 , quibus fratris amicissimi Laeti 3 literas 4 inclusisti. Magis vero miror et maxime solicitus sum, quod nullas te accepisse ais per mulierculam illam 5 , quae Stüdlerae 6 haereditatem adiit et obtinuit, 7 cui, nisi prorsus desipiam, misi fasciculum literarum in aedes Michaelis Meinradi 8 tibi deferendum. Inclusae tuis 9 erant Gvaltheri Augustam scripta 10 , etc. Vocatam ergo diligenter examinabis, an in itinere amiserit aut quid excusationis afferat. Nisi enim totus insaniam, scio illi creditum fasciculum.

Ravenspurgensem ecclesiam valde doleo post turbas tot tam misere reformari. Tu non cessabis hic tuum facere officium."

2 Nr. 2458.
3 Georg Frölich.
4 Nr. 2453 vom 3. Juni.
5 Barbara Winzürn, die als Briefüberbringerin fungiert hatte; s. Nr. 2458,1-9.
6 Agathe Studler; s. Nr. 2458, Anm. 6.
7 Zu Winzürns Bemühungen um das Erbe Studlers s. Nr. 2458, Anm. 5.
8 Michael Meinrad (Meynrat), Wirt des Gasthauses "Zur Sonne" an der Strehlgasse in Zürich, später "Zur Linde" an der Stüssihofstatt. 1497 wurde ein Kürschner dieses Namens aus Buchhorn (heute Friedrichshafen) Bürger in Zürich und verstarb anscheinend vor 1533. Somit handelt es sich hier wohl um einen Sohn gleichen Namens. — Lit.: Glückshafenrodel
322,45 (mit Anm. 5)377,59— 62; 416,10 (mit Anm. 1. 2. 4); Keller, Jakob Ruf V 176 und Reg. — Winzürn wohnte anscheinend während ihres Aufenthalts in Zürich in Meinrads Gasthaus.
9 Ein nicht erhaltener Brief Bullingers an Blarer, der zwischen dem 24. Mai und dem 8. Juni geschrieben wurde; vgl. Nr. 2458,1-9.
10 Ein nicht erhaltener und vor dem 8. Juni verfasster Brief Gwalthers nach Augsburg, der wohl an Haller gerichtet war; vgl. Nr. 2462,1. — Wir danken Herrn Kurt Jakob Rüetschi für diesen Hinweis.
11 Blarer hatte die lutherisch geprägte Reformation in Ravensburg bedauert; s. Nr. 2458,18-25.

Caesar 12 nobilibus Rheni imposuit. 13 Omnibus mellita proponit, imo propinat verba, ut veneno occidat. Multa eaque varia promisit Helvetiis scriptis nuper literis. 14 Ich gloub, es sye bübery 15 .

Alteras 21. junii datas 16 modo recepi. Und ist nitt waar, das er 17 14 tag hie Zürych xin 18 oder das man inn kostfry gehallten. Also ists ergangen: Vor pfingsten donstags 19 ze nacht ist er yngeritten und ist des abendts nie niemandts 20 zu imm kummen. Morndes 21 ist sin zukunfft 22 imm radt anzeigt. Ist ein wunder xin, 23 das er kummen. Abgeradten 24 , der burgermeister 25 solle ettlich der radten mitt imm nemmen, imm schencken wie einem fürsten des rychs 2 malter 26 haber 27 , visch und den wyn 28 und damitt nitt vil wäsens mitt imm triben. Das ist also beschähen. Da hatt der bysdschaff 29 anzeigt, er sye gewarnet in lendern 30 , er sölle nitt gen Zürych ryten, dann die predicanten werdint inn annemmen mitt rächt 31 alls die er solte kätzert 32 haben. Das habe er nitt than, und sölle sich nimmer finden 33 , etc. Hatt der burgermeister geantwort, von predicanten habe er kein klag. Das sölle aber der bysdschaff wüssen: so er kätzeret, wurdent inn min herren annemmen und rächtens nitt erlassen, 34 etc., mitt vil worten. Weyß nitt, wie imm die sach gfallen. Nach mittag ist er uffgsässen - a er sagt, er müste heim uffs fest 35 — und ist mitt den sinen darvon geritten, und hatt nieman nutt uff imm gehept 36 , merteyls gesagt, der tusentüfel 37 habe inn herin tragen, etc.

a-a Am Rande ohne Einfügungszeichen nachgetragen.
12 Karl V.
13 Zu den vom Kaiser einberufenen Adelsversammlungen s. Nr. 2458,29-33.
14 Hier kann nur das Schreiben des Kaisers an Zürich und die Eidgenossen vom 12. März 1546 gemeint sein (s. Nr. 2452, Anm. 5), da der am 14. Juni verfasste Brief des Kaisers an dieselben erst am 2. Juli in Zürich eintraf; s. Nr. 2484, 17-19 und Anm. 26.
15 böses Treiben.
16 Nr. 2468.
17 Bischof Johann von Weeze. — Zu dessen Aufenthalt in der Eidgenossenschaft und in Zürich s. Nr. 2463,4-17. Zu Blarers Rückfrage s. Nr. 2468,4-9.
18 gewesen ist.
19 Am 10. Juni 1546.
20 nie niemandts: niemand.
21 Am folgenden Morgen.
22 Ankunft.
23 Ist ein wunder xin: Man verwunderte sich.
24 Es wurde beschlossen.
25 Hans Rudolf Lavater, Bürgermeister des Natalrates.
26 Etwa 166 Liter; s. Paul Kläui, Ortsgeschichte, 2. Aufl., Zürich 1956, S. 122f, korrigiert nach HBBW XV 222,74, wo (sollte letztere Angabe stimmen) ein Malter mit zwei (und nicht vier, wie bei Kläui) Mut gleichgesetzt wird.
27 Hafer.
28 Vgl. Nr. 2463, Anm. 20.
29 Bischof. — Zum Ausdruck s. Nr. 2463, Anm. 5.
30 Die Innerschweizer Orte; s. SI III 1298.
31 inn annemmen mitt rächt: ihn vor Gericht ziehen.
32 verketzern.
33 [das] sölle sich nimmer finden: das wird auch nie vorkommen.
34 inn ... annemmen und rächtens nitt erlassen: nicht versäumen, ihn vor Gericht zu ziehen.
35 Pfingstsonntag, 13. Juni 1546.
36 hatt nieman nutt uff imm gehept: niemand hat etwas von ihm gehalten; s. SI II 882, Nr. A.l.3a.
37 schrecklicher Teufel. — Zu "tusen" (tausend) als Anspielung auf den Teufel s. SI XII 711; XIII 1832 2aa1.

Der böuff begar ich, wöllind mich eigentlich 38 alle zyt berichten, dann ich vast 39 angsthafft bin. Besorg übel, untrüw und verrätery. Doch wollend wir [gott]b trüwlich bitten.

|| 149v. Diser löuffer 40 was den abendt, alls er vormals kummen, gägen miner dochter 41 , die ich hinab zum Rooten huß 42 gesandt, nitt willig xin. Ward aber 43 gen mir gar willig und stalt sich früntlich. Den brieff hat ich aber schon geschriben. Mag nut schaden, wenn ir schon mitt inen redent, das er und ander willig syend, wenn man inen brieff uffgäbe. Wölt aber nitt, das imm insonders und umb minetwillen ettwas sölte gesagt werden, und bitt darfur. 44

Curioni 45 hab ich üwere meinung gesagt. Mee kan ich nitt. 46

Gott mitt üch. Min herren werdent ernstlich gen eydgnossen handlen. 47 Confirma fratres per Sueviam. Oremus dominum. Gott mitt üch.

Datum Zürych, 22. iunii ze nacht umb 10 ur.

Bullinger.

[Adresse darunter:] Suo charissimo fratri et colendissimo domino d. Ambrosio Blaurero, Constantiensi antistiti. Constantz. c