Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2464]

[Bullinger]
an Georg Frölich
[Zürich],
18. Juni 1546

Autograph: Augsburg Staatsarchiv, Aut. Nr. 189 (Siegelspur) Ungedruckt

Frölich hat sicher einen Grund für sein Schweigen auf Bullingers letzten Brief [nicht erhalten]. Dennoch schreibt Bullinger ihm [erneut]. Der Bischof von Lund und Konstanz [Johann von Weeze]trieb einige Wochen lang in den Fünf Orten sein Unwesen und kam dann für einen halben Tag nach Zürich. Auf Anweisung der Obrigkeit saßen einige Räte mit ihm nicht als einem Bischof sondern als einem Reichsfürsten zu Tisch. Man hielt aber trotzdem [Aufwand und Kosten] ganz gering. Er wollte den Eindruck erwecken, als wäre er mit König [Ferdinand] und Kaiser [Karl V. ] nicht ganz zufrieden. Die Klügsten aber halten das für eine Täuschung und denken, dass er die Fünf Orte dazu gebracht habe, den Reichsstädten in dem wohl bevorstehenden Krieg ihre Unterstützung gegen den Kaiser zu verweigern. Die Augsburger sollen dem intriganten Kaiser bloß nicht vertrauen! Es wird von Musterungen im Bistum Augsburg und Truppensammlungen von Spaniern und Italiern in Füssen gesprochen, die angeblich für Portugal bestimmt sind. Viele Eidgenossen sind den Augsburgern, dem Evangelium und dem Reich wohlgesinnt, auch wenn die Fünf Orte voraussichtlich auf der Seite des Papstes [Pauls III.] stehen werden. Das Reich und der [Schmalkaldische] Bund sollten sich beizeiten via Konstanz in der Eidgenossenschaft um Kriegsknechte bemühen und auch für deren Sold vorsorgen. Dafür könnte man die engen Verbindungen des kriegserfahrenen Wernli Schlosser aus Schaffhausen zu den eidgenössischen Hauptleuten sowie die Kontakte der Konstanzer nutzen. Wenn die [Schmalkaldener]sich die Dienste der eidgenössischen Knechte als Erste sichern, würden danach die Obrigkeiten [der Eidgenossen] keine Musterungen gegen sie erlauben, und so wäre auch der Plan des Kaisers vereitelt. Er müsste sogar befürchten, dass die Eidgenossen gegen ihn ziehen könnten. Wartet man aber zu lange ab, wird das [eidgenössische]Kriegsvolk dem Kaiser zulaufen. Bullinger schrieb dies in Eile und bei Nacht. Frölich soll Bullingers Namen verschweigen. Falls der Bund den Eidgenossen die für ihn, Köln, Sachsen und Hessen vom Kaiser ausgehende Gefahr vortragen will, soll er werben wie zuletzt an Ostern; er wird bestimmt Unterstützung finden. Grüße an [Hans] W[elser], [Jakob]H[er]b[rot], [Johannes]Haller und [Michael) Keller.

Gnad und frid von gott. Fürgeliepter herr und brüder, ich acht wol, es beschäch nitt one ursäch, das ir mir uff min iüngstes a schryben 2 bißhar nüt geantwort habend. 3 Yedoch mag ich nitt lassen, üch ze berichten, das bischoff von Lundis, genempt der bischoff von Constantz 4 , in den V orten 5 der eydgnossen ettlich tag oder wuchen gewest, da gefyrmet 6 und vil aferzall 7

a In der Vorlage iügstes. Das Autograph wurde 1995 von James Thomas Ford (University of Wisconsin, Madison) entdeckt, dem wir für eine am 19. Mai 1995 übermittelte Xerokopie danken.
2 Nicht erhalten; s. Nr. 2453, Anm. 1.
3 Frölichs Antwort Nr. 2453 war noch nicht eingetroffen; s. Nr. 2458, Anm. 2.
4 Johann von Weeze, Bischof von Konstanz,
auch Erzbischof von Lund. — Zu dessen Besuch in der Eidgenossenschaft s. Nr. 2463,4-17.
5 Die fünf katholischen Kantone Uri, Schwyz, Unterwalden, Luzern und Zug.
6 Vgl. Nr. 2463,5.
7 "aferzaal" bedeutet vermutlich dasselbe wie "affenziel", d.h. Betrug, Kungelei; s. FNHDW I 673. Weitere Belege ließen

triben hat. Ze letst ist er alihie Zürych durchgeritten und nitt über ein halben tag gebliben. Uß der herrberg ist er nie kummen. Ettlich von rädten habend mitt imm geässen, also geordnet 8 von der oberkeit, nitt alls by einem bischoff, sunder, wie er gehallten wirt, alls ein fürst des rychs. Doch hatt man es alles lassen bim ringisten 9 blyben. Er hatt sich lassen mercken, alls ob er nitt wol an köenig 10 und keyser 11 sye, etc. Mee b , vil frommer lüt und die verständigisten habend es darfur, es sye alles bübery 12 , unnd er hab in den V orten sin prattick 13 angericht, das sy wider den keysser den rychstetten nitt behölffen 14 syend, dann man entlich vermeinen will 15 , der keysser werde Tütschland nitt unangewendt 16 lassen.

So ir nun des ettwas mercken 17 wöltend, lieber, so übersähend 18 üch nitt. Trüwend dem keysser nitt ze vil. Ich fürcht, er habe sin prattick starck und sye valsch. Sol er sine knächt mustern c imm bisthumb Augspurg, söllend Hispanier und Italiener kummen uff Fiessen 19 zu. 20 Ob er glych wol sagt, es sye umb Portigal ze thun, 21 so ist ein betrug zu besorgen. Sind 22 aber dappffer und unerschrocken in dem herren, 23 wachend und hättend; 24 lügend, daß ir ouch gerüst syend.

In eydgnossen habend ir noch vil guter fründ, die dem evangelio und dem rych wol wollend, wiewol ich besorg, vil der V orten werdint dem bapst 25 züfallen und züziehen. Da were aber güt, wenn das rych und der pundt 26 by güter zyt 27 sin kundtschafft ouch machte 28 durch Constantz in die eydgnoschafft umb knächt, diewyl ir doch werdint gällt bruchen und zu besoldung gaben. Es ist ein alter man, der kriegen kan, zu ||v Schaffhusen. Heist Wemher

b Lesung unsicher.
C Nach mustern gestrichenes ze Yngolstadt.
sich nur in Bullingers Schriften finden: 1) in Bullingers Materialien zur Reformationsgeschichtsschreibung der Jahre 1523— 1528; s. Moser, Bullinger II 515, Z. 23 (,,afferzal"); 2) in Bullingers "Offenbarung Christi" von 1558 (HBBibl I 335), dort Kap. 13, Predigt 60: "und durch kein bös kunst oder aferzal und zauberey".
8 angeordnet.
9 schlichtesten.
10 Ferdinand I.
11 Karl V.
12 böses Treiben.
13 Intrige.
14 behilflich.
15 vermeinen will: annimmt.
16 unangegriffen.
17 des ettwas mercken: Schlüsse daraus ziehen; vgl. FNHDW IX 2307f.
18 täuscht; s. SI VII 547.
19 Füssen (Lkr. Ostallgäu, Bayern). — Vgl. Nr. 2462,6f.
20 Sowohl diese als auch einige weiter unten folgende Angaben sind aus einem Schreiben des Konstanzer Rates an den Zürcher Rat vom 17. Juni (Zürich StA, A 177, Nr. 2) entnommen. Dort ist u.a. von Musterungen in Ingolstadt und in den Bistümern Eichstätt und Augsburg die Rede.
21 Auch im oben Anm. 20 angeführten Brief erfährt man, dass als Vorwand für die kaiserlichen Musterungen behauptet wurde, die Truppen seien für das "kungrich Portugal, wo der kung [Johann III.] mit tod abgangen"(was jedoch stimmte).
22 Seid. 23 Vgl. 1 Kor 15, 58; Phil 4, 1.
24 Mt 26, 41 par.
25 Paul III.
26 Der Schmalkaldische Bund.
27 by güter zyt: rechtzeitig.
28 kundtschafft ... machte: Erkundigungen einholen würde.

oder Wernli Schlosser. 29 Ist nitt übel amm evangelio. Der hatt sin kundtschafft an 30 alle houptlüt in eydgnossen. So der by guter zyt wurde für der hand genommen 31 , und ettlich mitt imm, So d die Constantzer wol anzeigen köndent, und sy ire bescheid machtind 32 in stett und lender, wurde üch wyt der besser huff zu ziehen. Sölichs zeig ich üch gar guter vertruwter meinung an, das ir üch zur zyt der nodt darnach wüssind ze richten; dann mich die sachen der gstallt ansähend, der bschoren huff 33 habe nut güts imm sinn. Wenn dann die gemeinen knächt uß den eydgnossen, die bißhar kriegens gewhondt, besoldet und bestellt werend von üch, wurde die erbarkeit 34 imm land gwüß nitt wider üch noch jemandts ziehen. Und were da dem keysser und bischoffen aber ein prattick brochen. Er müst dann die erbarkeit in eydgnossen entsitzen 35 , sy wurde ouch wider inn zühen. Söltend ir aber gmach darzu thun 36 , das das kriegsvolck alles viel 37 uff die widerpart 38 dem sold nach, hättendts so vil mee hertzens 39 , wiewol es glich also gott stürtzen kan. Den wir hatten wöllend, daß er uns gnädig sye todt und lebend.

Diß hab ich in schneller yl geschriben by nacht. Ir könendts wol zu gutem gebruchen, wo ir wüssend, daß es gut ist und nutz bringt. Doch gedenckend 40 mines namens nitt. Es were ouch gut wo 41 die sach, e das der keyser unfrüntlichs mitt üch, Cölln. Saxen, Hessen fürnemmen wölt e, 42 unß brächen söllt 43 , das ir an die eydgnossen wurbind, wie zu ostern vergangen beschähen ist. 44 Ir werdint alle zyt gut fründ und güner finden.

d so über der Zeile nachgetragen.
c-e Am Rande nachgetragen.
29 Wernli Schlosser aus Schaffhausen erscheint in Zusammenhang mit einer Lösegeldforderung der Fünf Orte an Schaffhausen nach dem Zweiten Kappeler Krieg, die auch den gefangenen Sohn des Schaffhauser Bürgermeisters Hans Ziegler betraf; s. EA IV/lb 1227f; Jürg Zimmermann, Bürgermeister Hans Ziegler, in: Schafthauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte 46, 1969, 355.
30 kundtschafft an: Beziehungen zu.
31 für der hand genommen: angegangen.
32 bescheid machtind: Meldung machen würden (s. SI VIII 216, Nr. lb); hier: dass Söldner angeworben werden.
33 bschoren huff: geschorene Haufen, dli. die Mönche und Priester (mit der Tonsur); s. SI VIII 1128f.
34 Obrigkeit.
35 fürchten.
36 gmach darzuu thun: durch Abwarten zulassen.
37 fiele.
38 Die Seite des Kaisers.
39 Mut.
40 erwähnt.
41 falls.
42 Vgl. den oben in Anm. 20 angeführten Brief aus Konstanz: "Darzu lutet alle kuntschafft, das solches volk erstlich uber den erzbischoff zu Cöln [Hermann von Wied], den churfürsten zu Sachsen [Johann Friedrich I.] und landtgraven [Philipp] zu Hessen gefurt und darnach wither gebrucht werden soll".
43 brachen söllt: vorgebracht werden sollte.
44 D.h. via Konstanz. — Damals bat der Bund die Eidgenossen, fremde Heere am Durchzug durch die Eidgenossenschaft zu hindern; s. HBBW XVI 358,77-82; 371,41-46.

Gott mitt üch und den üwern. Grüssend mir beide herren Burgermeister W. und H.b. 45 , ouch Hallern, Cellarium, 46 etc. In yl, 18. iunii 1546.

Den ir wol kenend. 47

[Adresse auf dem folgenden Blatt:] Dem frommen, fürsichtigen und wysen Jergen Frölich, stattschreibern zu Augspurg, sinem lieben herrenn. 48