Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2433]

Bullinger an
Eberhard von Rümlang
Zürich,
27. April 1546

Autograph: Zofingen Stadtbibliothek, Pa 14.1, Nr. 26 (alt: 21)(Siegelspur) Ungedruckt

Schon lange wartet Bullinger vergeblich auf einen Brief von Rümlang. Dieser kann dem zuverlässigen Überbringer [...] eine Antwort auf Bullingers vorhergegangenen Brief [nicht erhalten]mitgeben. Gestern hat der Emdener Gerhard thom Camph den beigelegten, an die Berner Pfarrer adressierten Brief aus Ostfriesland geschickt. Thom Camph lehrt, dass das Abendmahl an Kranke nicht [gesondert]ausgeteilt werden soll; eine Haltung, die offen zu Tage liegt, der Brief hingegen ist verschlossen! Gewiss weiss Rümlang von Luthers Bestattung in der Wittenberger Schloss[kirche]. Auf dem [Sterbebett]äußerte Luther nichts, was zur Bewahrung der reinen Lehre, zum gegenseitigen Verzeihen, zur Einheit der Kirche oder zur Abschaffung der sittlichen Missstände an der Wittenberger Universität beitragen würde. Er rief jedoch Christus an, der ihm wohl seine Irrtümer verzeihen wird. Die Auflösung des [Zweiten]Regensburger [Religions]gesprächs erfolgte aufgrund der ungerechten Vorschriften Kaiser [Karls V.]gegenüber den [evangelischen]Kolloquenten, was [Kurfürst Johann Friedrich von]Sachsen veranlasste, zur Abreise aufzurufen. Anbei eine aus Augsburg stammende Beschreibung des in Neuburg an der Donau verübten Brudermordes. Rümlang soll sie mit demselben Boten wieder zurückschicken. Der Vorfall wurde brieflich sowohl von [Alt]bürgermeister Hans Welser [Nr. 2409] als auch von dem Augsburger Stadtschreiber Georg Frölich [Nr. 2405]bezeugt. Auf dem Weg nach Regensburg kam [Karl V.]nach Donauwörth, wo ihn die dorthin abgesandten Augsburger [Alt]bürgermeister Welser und [Jakob] Herbrot nach Augsburg einluden. [Karl V.] stellte einen Besuch für die Zeit nach dem [Regensburger] Reichstag in Aussicht, sofern seine Geschäfte es zuließen. Mit Schmeicheleien und Versprechungen zielt er auf eine Auflösung des Schmalkaldischen Bundes ab. Er traf sich mit [Landgraf Philipp von]Hessen, [Kurfürst Friedrich II. von der]Pfalz und ferner mit Herzog [Ulrich von]Württemberg. Nun kann nur noch Gott verhindern, dass dieser Spanier sein in Deutschland angestrebtes Vorhaben verwirklicht! Ein Junge [Peter Zeller] soll im Berner Barfüßerkloster ein verleumderisches Lied gegen die "Schwärmer", d.h. gegen die Zürcher, geschrieben haben. Dadurch wird [natürlich]auch die Berner Disputation [von 1528]in Verruf gebracht. Die [Berner]sollten sich dies gut überlegen, zumal die Zürcher als ihre Verbündeten weiterhin bereit sind, die Übereinstimmung ihrer Disputation mit Gottes Wort zu verteidigen. Rümlang soll dies u.a. dem Seckelmeister [Sulpitius] Haller und dem Venner Peter Im Haag mitteilen. Grüsse an die Schultheißen [Hans Franz Nägeli und Hans Jakob Wattenwyl], an [Sulpitius Haller], [Peter] Im Haag, [Johannes] Wäber und an die anderen Pfarrer.

Salve, charissime mi Eberharte. Diu iam tuas expecto, amicorum iucundissime, sed nullas recipio prorsus. 1 Proinde admoneo te tui officii. Poteris mihi per hunc 2 respondere ad priores meas 3 . Fidelis est et fideliter reddet tuas.

1 Rümlang hatte zuletzt am 7. Dezember 1545 an Bullinger geschrieben (HBBW XV, Nr. 2306) und ihn um seine Versetzung aus Bern gebeten.
2 Unbekannt.
3 Nicht erhalten; vermutlich die Antwort auf HBBW XV, Nr. 2306.

Pridie ex Frisia Orientali inclusas has recepi concionatoribus vestris inscriptas. Misit eas Gerhardus zum Camph Aembdanus, vir pius et doctus, amicus meus singularis. 4 Docet egregiis argumentis coenam aegrotis non esse afferendam, etc. Patent ea; 5 literae occlusae sunt.

D. Lutherum non ignoras e vivis excessisse, et inter principum Saxoniae mausolea esse tumulatum in arce Wittenbergensi. 6 Vulgari morte excessit. Nullos sermones habuit de servanda puritate doctrinae, de condonandis erroribus et quam proclive sit errare, de pace et incolumitate ecclesiarum, de corrigendis universitatis Wittenbergensis moribus corruptissimis. Invocato tamen Christi nomine feliciter exhalavit. Ac satis repentina morte extinctus est. Non putarunt symmistae ipsum adhuc moriturum, nec ipse serio putavit sibi iam esse moriendum; interea tamen excessit. Dominus haud dubie condonavit ei ex misericordia errores, delicta et ignorantias.

Ratisbonae evanuit colloquium. 7 Nam caesar 8 colloquentes nostros sive nostrarum partium iniquis pressit praescriptionibus, ideoque Saxo 9 ipsos ad sua redire iussit.

Parricidium Neoburgi factum ad Danubium, uti ab Augusta accepi, habes hic; 10 sed ut exemplum scriptionis per hunc tabellionem remittas. Verum esse, non est, quod dubites. Pari enim modo descripsere et d. Ioannes Welserus consul et d. Georgius Laetus, archigrammateus Augustanus, datis ad me literis. 11

Caesar 6. aprilis Werdam ad Danubium 12 , Ratisbonam contendens, venit. Salutatus est ibi a consulibus Augustanis, d. Welsero et d. Herbroto 13 , et Augustam invitatus, quo se venturum recepit amicissime, finitis comitiis, 14 siquidem res eius ita ferant. 15 Totus in eo est caesar, ut blanditiis et promissis

4 Das hier erwähnte Schreiben an die Berner Pfarrer wurde möglicherweise einem der beiden erhaltenen Briefe Gerhard thom Camphs an Bullinger, dem vom 31. August 1545 (HBBW XV, Nr. 2231) oder dem vom 7. April 1546 (Nr. 2415), beigelegt, zumal kein weiteres Schreiben des Emdeners an Bullinger belegt ist. — Dass thom Camph an die Berner schrieb, erklärt sich daraus, dass er sich im April 1545 in Bern aufgehalten hatte (s. HBBW XV 301, Anm. 9), gerade als die Berner Pfarrer sich über die Angemessenheit einer Austeilung des Abendmahls an Kranke stritten; s. aaO, S. 359, Anm. 7.
5 Auch Bullinger lehnte eine (separate, von der Gemeinde getrennt erfolgende) Austeilung des Abendmahls an Kranke ab; vgl. seinen "Bericht der Kranken" von 1535 (HBTS V 221,31—222,3; s. auch HBSchr I 147f) und die (erstmals im
März 1551 gedruckte) 9. Predigt aus der 5. "Dekade" (HBTS III/2 1011,22—1012,34; s. auch HBSchr V 471—474).
6 Siehe dazu Nr. 2418,79—84.
7 Das Zweite Regensburger Religionsgespräch.
8 Karl V.
9 Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen. — Zur Sache s. Nr. 2399,6—17.
10 Die Beschreibung der Ermordung von Juan Diaz in der von Johannes Haller übermittelten Briefbeilage (Nr. 2406,50—102).
11 Siehe Nr. 2409,44—47 (Johannes Welser, der Hallers Beilage - s. oben Anm. 10 — ankündigte) und Nr. 2405,24—44 (Georg Frölichs Bericht).
12 Donauwörth.
13 Jakob Herbrot.
14 Der Reichstag zu Regensburg.
15 Vgl. Nr. 2422,6—13.

impediat, tandem et dissolvat foedus Schmalkaldicum. 16 Eam ob rem evocato in colloquium Hesso 17 et Palatino 18 , multa cum iis egit; de quibus suo tempore. Fuit a et apud ducem Wirtembergensem 19 . Caesar Hispanus est, et Hispanicis artibus rem suam conficiet in Germania, nisi deus propitius avertent. 20 ||

21v. Lieber herr und bruder, es kumpt uns hie für 21 wie 22 ein lied wider die schwermer, ja wider uns und die unsern, sölle in üwerm barfusser kloster 23 von der jungen einem 24 gemachet sin, darinn wir und unser leer kätzeret, dütleret 25 , und die unser leer anhangend, die kylchen, übel geschent, und deßhalb üwer eigne disputatz 26 sölle geschmacht werden, etc. Da sye man darvor 27 , ist b min ernstlich vermanen, und handle mann darinn mitt ernst! Wir sind üwer lieb brüder, fründ, günner und eydgnossen, sind noch des erbietens 28 , üwere disputatz ze erhallten mit gotts wort. Söllend wir aber in üwer statt und von den üwern so grimmig geschulten 29 werden, könend ir wol gedäncken, was unwillens c volgen möcht, etc. Und bitten, das ir sölichs alles in minem namen minen herren seckelmeister Hallern 30 und venern Imm Hag, 31 etc., anzeigind, ob ettwas daran were 32 , das nach gepür darinn gehandlet werdet d .

Plura iam non potui. Vale cum omnibus piis et tota tua familia. Salvi sint clarissimi viri d. consules 33 , quaestor aerarius, antesignanus Hagius et reliqui, inprimis Weberus 34 et caeteri pii ministri. Tiguri, 27. aprilis anno 1546. Salutant te fratres omnes.

Bullingerus tuus.

[Adresse darunter:] Colendissimo suo Eberharto a Rümlang.

a In der Vorlage Fui. —
b ist min ernstlich vermanen am Rande nachgetragen.
c unwillens am Rande nachgetragen.
d Dazu am Rande zwischen Unterschrift und Adresse von Rümlangs Hand: Wer nit froüd einns dinngs han, der gat sy wol müsig mitt schriben und singen. Ouch was den zuhörern nit angenem, das gestatten sy nit.
16 Vgl. Nr. 2425,37—42.
17 Landgraf Philipp von Hessen. — Zu diesem Treffen s. Nr. 2406 und Anm. 25.
18 Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz. — Zu diesem Treffen s. Nr. 2409 und Anm. 21.
19 Ulrich von Württemberg; s. aber Nr. 2431, Anm. 9.
20 Vgl. Nr. 2375,6f; Nr. 2424.391: Nr. 2425,40—42.
21 es kumpt uns hie für: es wird uns zugetragen.
22 dass.
23 Dort befand sich die Berner Hochschule.
24 Peter Zeller. — Zur Sache s. schon Nr. 2420,38—51; Nr. 2427,3—8.
25 kätzeret, dütleret ... werden: verketzert und [in ihrem Sinn] entstellt werden.
26 Die Berner Disputation von 1528.
27 Da sye man darvor: Dem muss man ein Ende setzen.
28 sind ... des erbietens: sind ... bereit.
29 gescholten.
30 Sulpitius Haller.
31 Peter Im Haag.
32 ob ettwas daran were: falls dies zutreffen würde.
33 Der bis Ostern 1546 [= 25. April] amtierende Schultheiß Hans Franz Nägeli und dessen Nachfolger Hans Jakob von Wattenwyl; s. HBLS II 157.
34 Johannes Wäber.