Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2430]

Die Schul- und
Klosteraufseher von Chur,
Luzi Heim,
Johannes Travers,
Wilhelm Muggli,
Johannes Comander und
Johannes Brüning, an die
Schulherren von Zürich
Chur,
24. April 1546

Original, möglicherweise von der Hand des ehemaligen Churer Stadtschreibers Johannes Brüning: Zürich StA, E II 365, 50f (Siegel) Ungedruckt

Nachdem in Zürich und anderswo bemerkt wurde, dass die Verwendung der Klostergüter für die Ausbildung der Jugend vorteilhaft ist und eine gute Aufnahme findet, finanziert auch die Obrigkeit von [Chur]die Ausbildung der [Bündner]Knaben schon seit drei Jahren auf diese Weise. Da man mit dem Ergebnis zufrieden ist, hofft die Obrigkeit, auch in Zukunft so fortfahren zu können. Zu den Stipendiaten gehörte auch der Überbringer des vorliegenden Briefes, Paulus Blasius, der Sohn von Johannes, dem Pfarrer an der Regulakirche in Chur. Als Paulus' Stipendium auslief rückte ein Anderer [...]nach. Da Paulus die Prüfung erfolgreich absolviert hat, und damit die bisher aufgewendeten Kosten nicht umsonst gewesen sind, rieten die [Churer Schulherren]dem Vater, den Sohn zur Fortsetzung seiner Ausbildung nach Zürich zu schicken. Bullinger und seine Kollegen sollen den talentierten Knaben freundlich aufnehmen. Der Vater wird selbst noch bei den Zürchern vorsprechen.

Erwurdigen, wolgelerten, frommen und ersamen, lieb herrn, euch sygen zu voran berait unser fruntlich und willig dienst, sampt was wir eeren, liebs und guts vermögen.

Gunstig, lieb herrn, nachdem unnd 1 unsere herren und obren ouch von euch und andren erlichen stetten mer ain gutt abnemen 2 , ain nottwendig und loblich insechen 3 gemerckt 4 , und nemlich 5 der clöstergutter halb 6 die furhin 7 uff die jugent in gutten kunsten der sprachen uff ze erziechen und ze underrichtten 8 anzewenden furgenomen, 9 unnd also 10 jetz drü jar lang etlich

1 nachdem unnd: nachdem, da.
2 Aufnahme.
3 Anklang.
4 feststellen konnten.
5 besonders.
6 wegen.
7 fortan.
8 Zur allmählichen Übertragung der Güter des Prämonstratenserklosters St. Luzi und des Dominikanerklosters St. Nikolai in Chur zugunsten der Lateinschule dank des Einsatzes von Johannes Comander und Bullinger während der Jahre 1538 und 1539 s. Comander an Bullinger, 24.
Juni 1538 (HBBW VIII, Nr. 1140); Oskar Vasella, Geschichte des Predigerklosters St. Nicolai in Chur. Von seinen Anfängen bis zur 1. Aufhebung (1280—1538), Paris 1931, S. 80f; Conradin Bonorand, Die Entwicklung des refomierten Bildungswesens in Graubünden zur Zeit der Reformation und Gegenreformation, Thusis 1949, S. 241. 29.
9 Gemeint ist: ... und [nachdem wir] beschlossen [haben], die [Klostergüter] weiterhin für die Erziehung und den Unterricht zu verwenden.
10 auf diese Weise.

der unsern landen jungen knaben mit dem verordnetten stipendio ze lernen angericht 11 , versucht 12 und erhalten 13 , das 14 uns ouch bishar gefellig 15 und anmuttig 16 worden, verer 17 also zu vollfuren gesinnet, got geb gnad.

Under welchen stipendiatischen junglingen ouch amer gewesen ist, Paulus Blasius 18 zaiger dis brieffs, des wurdigen und wolgelerten Johannis Blasii, pfarrer und im wort des herren der kirchen Sant Regulen zu Cur vorstender, eelicher sone, den wir jetz und mer malen sines lernens nach insatzung 19 flissig examiniert und nach gstalt 20 siner jugent in der ler befunden, das uns gefallen und wir uns sunders gutter hoffnung zu im vertrosten 21 . Wyl und aber 22 die jar sines versprochnes stipendiums er vollendet 23 und ain andrer 24 in sin statt angenomen, habent wir dis knaben lieben und erlichen vatter beredt 25 , damit diser an sinem son bishar angewendter costen nit vergeblich, das er uns zu gfallen 26 , ouch im und sinen son selbst zu eeren und nutz (als wir ouch bas 27 , sin fug sin, 28 ,29 bedacht habent), sinen genanten son witter in gutten kunsten und sprachen wil lassen anhalten, lernen sol, 30 und in witter 31 verschicken wil, sunders 32 mit unserm rath in ewere statt und schulen sich ze verfugen und vor euch, unsern gunstigen herren, erstlich sich zu ertzaigen furnemens 33 ist. So bitten wir euch gantz ernstlich 51 || hoch flissig, ir wellent disen jungling nit allain von unsertwegen (als wir besonder gutt vertruwen zu euch tragen) oder von sines vatters wegen (der dann uns gantz angenem, ouch der sich hierin dis schulen an und uff ze richtten vil bemuet und groß furdrun[g]a gethun), sunders 34 dis knaben gschicktlichait halber furdern, im behilfflich sin, in bevolhen haben und, sovil muglich, inne fruntlich, guttwillig und gned[ig]klich uffnemen und euch gegen im ertzaigen, als dan sin vatter ouch 35 selbst mit euch reden wurt. 36 Das stadt

a Hier und unten im engen Einband verdeckt.
11 bestimmt.
12 erprobt.
13 beibehalten.
14 was.
15 passend.
16 angenehm.
17 weiterhin.
18 Paulus Blasius. Als er 1546 zur weiteren Ausbildung nach Zürich kam, wurde er von Otto Werdmüller aufgenommen (s. Graubünden, Korr. I XVIIIf). Er immatrikulierte sich im Schuljahr 1548/49 in Basel (M-Basel 58, Nr. 32 von 76 Einträgen). Am 11. November 1550 starb er in Chur an der Pest (s. Graubünden, Korr. I XIX. 182f).
19 nach insatzung: vorschriftsgemäß.
20 nach gestalt: entsprechend.
21 sunders gutter hoffnung zu im vertrosten: besonders große Hoffnung in ihn setzen.
22 Wyl und aber: Weil aber; s. SI I 322 (oben).
23 Ein Stipendiat der Churer Nikolaischule hatte höchstens während dreier Jahre Anrecht auf ein Stipendium; s. Bonorand, aaO, S. 27.
24 Unbekannt.
25 [mit dem Vater] abgesprochen.
26 uns zu gfallen: unserem Wunsch entsprechend.
27 eher; gründlich.
28 dass es sein Nutzen sei.
29 Anrecht.
30 wil lassen anhalten, lernen sol: möge [ihn] ermutigen zu lernen.
31 nämlich in die Fremde.
32 vornehmlich.
33 willens.
34 sondern.
35 als dan ... ouch: wie dann auch [später].

uns, als ewer besonder gutt frund gantz dienstlich gnaigts willens, in der glich und mererem gegen euch und den eweren zu verglichen 37 .

Datum zu Cur und mit gemaines gotzhus 38 Cur aigen insigel beschluslich 39 verwart 40 uff 24. tag aprell des 46. jars.

Ewer willige

der closter und schulen zu

Cur verordnet verwalter,

comissarii und sunders uffsecher der schulen,

Lutzi Haym 41 , burgermaister zu C[ur],

Ioannes Travers, aman zu Zutz 42 ,

Wilhelm Mugkli 43 , aman zu Trim[mis],

Iohannes Comander, pfarrer by der

kirchen zu Sant Marti,

Iohannes Brüning, alter statschriber

zu Cur.

[Adresse auf f. 46a,v.:] Den erwurdigen, wolgelerten frommen unnd ersamen N. der schulen zu Zurich ver[orjdnetten b uffsechern und schulherren, unsern [gun]stigen, besonders lieben herren und gutten frunden.