Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[2336]

John Hooper an
Bullinger
Straßburg,
27. Januar [1546]

Autograph: Zürich StA, E II 343a, 377. 377a (Siegelspur); [Beilage:] E II 369, 194 Druck: Epistolae Tigurinae 21—24, Nr. 21 (Brief); 24f, Nr. 22 (Beilage); englische Übersetzung: Original Letters I 33—38, Nr. 21 (Brief); 38—40, Nr. 22 (Beilage); LP XXI/1, Nr. 131 (Brief); Nr. 132 (Beilage)
24 Sultan Suleiman I.
25 Zum Aufmarsch der Türken in Ungarn im Jahre 1545 s. HBBW XV 233 und Anm. 4. 678f; Nr. 2341,6—9; und MBW-Reg IV, Nr. 4107. In der zuletzt erwähnten Quelle wird ferner berichtet, dass die Türken in den eroberten Gebieten die freie Predigt des Evangeliums zuließen, um dadurch die Bevölkerung für sich zu gewinnen.
26 Johann Friedrich I. von Sachsen.
27 Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig-Wolfenbüttel.
28 Zu Luthers Schrift "An Kurfürsten zu Sachsen und Landgraven zu Hessen von dem gefangenen H. zu Brunswig" s. Nr. 2337, Anm. 6.
29 Der Brief wurde durch einen Konstanzer Metzger übermittelt; s. Nr. 2354,24; und Nr. 2366,9.
1 John Hooper (geb. zwischen 1495 und 1500, gest. 9. Februar 1555) entstammte einer begüterten Familie Südwestenglands. 1519 Baccalaureus in Oxford, danach wohl Mönch im Zisterzienserkloster
Cleeve, Somerset, bis Sir Thomas Arundell ihn 1537 in seinen Dienst aufnahm. Bald darauf wandte sich Hooper der Reformation zwinglianischer Richtung zu. Wegen seiner religiösen Überzeugungen flüchtete er evtl. schon 1540 und erneut 1544 auf den Kontinent. 1546 hielt er sich in Straßburg im Kreise englischer Exilanten wie John Burcher, John Butler und Richard Hilles auf. Im Hause des Letzteren lernte er seine künftige Ehefrau Anne t'Serclaes (s. unten Anm. 5) kennen. Auf dem Kontinent knüpfte er enge Kontakte zu Simon Grynäus, Bucer, Theodor Bibliander, Konrad Pellikan und Bullinger. Ende 1546/Anfang 1547 heiratete er in Basel. Danach kam das Ehepaar nach Zürich, wo es ab 29. März 1547 zunächst für einige Tage in Bullingers Haus wohnte (HBD 35,5—8). In Zürich verfasste Hooper drei theologische Werke, die er bei Augustin Fries drucken ließ (BZD F9. F10. F13). Am 24. März 1549 (HBD 36,1f) verließen die Hoopers Zürich. Zunächst in London wirkend, erreichte Hooper große Popularität und war


Als Hooper vor wenigen Jahren noch als Höfling am Hofe des Königs [Heinrich VIII.]lebte, begann er, eifrig die Werke Zwinglis und die Pauluskommentare Bullingers 2 zu studieren. Seitdem er nämlich als Erwachsener dank der Güte seines Vaters [...] unabhängig leben konnte, hatte er sich dem Religion[sstudium]zugewandt, auch wenn er anfangs einem falschen Gottesdienst ergeben war. Nun aber möchte er Gott mit reinem Herzen dienen. Es beschämt ihn, dies nicht schon früher getan zu haben. Da er die Zürcher verehrt, wollte er diese schon längst besuchen, wurde aber bisher durch Krankheit und finanzielle Schwierigkeiten daran gehindert, zumal sein Vater, dessen Alleinerbe er ist, sich seiner [neuen]religiösen Haltung sehr widersetzt. Hooper beabsichtigt, in einem Monat nach [England]zurückzukehren, um von den weltlichen Ehren, Vergnügungen und Freunden Abschied zu nehmen. Zugleich wird er versuchen, wenigstens einen Teil des ihm zustehenden Vermögens zu erhalten, um damit in Zürich bescheiden leben zu können. Falls Gott es aber anders geplant hat, wird er auf die Schätze Ägyptens (um ein Wort von Paulus zu gebrauchen [Hebr 11, 26]) verzichten und Armut und Verbannung in der Hoffnung auf das ewige Leben auf sich nehmen. Daher bittet er Bullinger und die Zürcher Gemeinde, für seine Reise zu beten, denn er fürchtet die hinterlistigen Bischöfe, denen nichts mehr am Herzen liegt, als das Blut frommer Menschen zu vergießen; eine Gefahr, der er selbst schon öfters ausgesetzt war. Durch die Macht des Gebetes konnte nämlich [König]Hiskia den assyrischen König [Sanherib]bezwingen [2Kön 18, 7. 19, 15—19], Elija Feuer vom Himmel herabrufen [2Kön 1, 12] und [König]Josaphat [die Moabiter und Ammoniter]besiegen [2Chron 20]. Nachrichten aus England: Kaum ein anderes Volk ist dem Götzendienst so ergeben [wie die Engländer]. [Heinrich VIII.] hat zwar [die Macht des] Papstes zerschlagen, nicht aber die [Lehre] des Papsttums. Er hat die Klöster zerstört, deren Besitz der Staatskasse einverleibt, die Mönche und Nonnen vertrieben, und doch müssen diese, und zwar auch die Nonnen (von denen es in England mindestens 10'000 gibt), sich zum Zölibat verpflichten. Messe, Zölibat, Anrufung der Heiligen, Ohrenbeichte, Fasten und Fegefeuer haben einen so hohen Stellenwert wie nie zuvor. Der Vertrag [von Whitehall], den Kaiser [Karl V.] und [Heinrich VIII.] am [11. Februar 1543] geschlossen haben, soll verlängert werden. Es gibt keine Hoffnung auf einen Frieden zwischen Franzosen und Engländern; man erwartet stattdessen einen grausamen Krieg. Stündlich sterben die Hauptstützen des Evangeliums in England. In den letzten Jahren verschieden nämlich schon [Thomas]Audley, Lord Chancellor; [Charles Brandon], Herzog von Suffolk; [Edward]Baynton, [Vice]-Chamberlain der Königin [Catherine Parr]; [Thomas]Poinings, Statthalter [Heinrichs VIII. in Boulogne]; der [Dichter und Diplomat] Thomas Wyatt; und [William]Butts, der Leibarzt [Heinrichs VIII.]. Alle waren Mitglieder des Kronrates und wahre Anhänger des

eng mit den niederländischen und französischen Flüchtlingsgemeinden verbunden. 1550 wurde er von König Eduard VI. zum Bischof von Gloucester ernannt, woraufhin es durch seine strikte Ablehnung der Kirchengewänder zur sog. "vestments controversy" kam und Hooper inhaftiert wurde. Nach Beilegung der Debatte, nicht zuletzt durch Bullingers Vermittlung, wurde er im März 1551 zum Bischof von Gloucester geweiht; im April 1552 auch zum Bischof von Worcester. Nach dem Tod Eduards unterstützte er Mary Tudor gegen Jane Grey, wurde aber trotzdem am 1. September 1553 verhaftet. Während seiner Haft pflegte er einen regen Briefwechsel, u.a. mit Bullinger. Er starb am 9. Februar 1555 in Gloucester auf dem Scheiterhaufen. Für die Zeitspanne von 1546 bis 1554 sind 27 Briefe von ihm an Bullinger sowie ein Brief Bullingers an ihn erhalten. — Lit.: D[avid] G. Newcombe, John Hooper. Tudor Bishop and Martyr (c.1495—1555), Oxford 2009 — Monographs Medieval and Modern; ODNB XXXII s.v.; W[illiam] M.S. West, A study of John Hooper with special reference to his contact with Henry Bullinger, Diss. Zürich 1953 (Typoskript).
2 Damit können HBBibl I, Nr. 52f (1534). 71 (1535). 72 (1535). 81 (1536). 841 (1537 und 1539), gemeint sein.

Evangeliums; sie erlagen der Pest oder dem [Englischen]Fieber, so dass das Land nun ganz in den Händen der Bischöfe und [Gegner der Protestanten] ist. Der Bischof von Winchester [Stephen Gardiner]und der Bischof von Westminster [Thomas Thirlby] verhandeln für [Heinrich VIII.] mit [Karl V.] in Brabant. Der Bischof von Durham [Cuthbert Tunstall] kehrte kürzlich erfolglos aus der Picardie zurück, wohin er entsandt worden war, um mit den Gesandten König [Franz' I.]3 einen Frieden zwischen Franzosen und Engländern auszuhandeln. Der [Ausgang] der [angespannten] Lage zwischen Schotten und Engländern ist weiterhin ungewiss. Die Engländer haben wichtige schottische Städte und Dörfer erobert, ganz abgesehen von der schauderhaften Zerstörung des Landes 4 durch den Earl von Hertford [Sir Edward Seymour] im Sommer [1545]. Die Königin von Schottland [Mary Stuart] versteckt sich mit Kardinal [David Beaton, einem Anhänger der "Auld Alliance"] in schwer einzunehmenden Burgen [Stirling und Dunkeld]. Wie Hooper einem Brief Bucers entnimmt, wurde das Regensburger Religionsgespräch sistiert. Melanchthon war noch gar nicht angereist. Bucer soll also früher [nach Straßburg]zurückkehren. Hooper wird Bullinger Weiteres berichten, sobald er Genaueres erfährt. Kurfürst [Friedrich II.] von der Pfalz hat kürzlich die freie Predigt des Evangeliums in seinem Herrschaftsgebiet erlaubt, wobei er allerdings in der Frage des Abendmahls vom Pferd auf den Esel gekommen ist, wie das Sprichwort sagt, da er von der Lehre des Papsttums zu derjenigen Luthers überging, welche in dieser Hinsicht schlimmer als die der Papisten ist; denn diejenigen, die die Substanz des Brotes im Sakrament durch den Leib Christi ersetzen, sind der Wahrheit näher als diejenigen, die behaupten, dass der natürliche Leib Christi mit, in und unter dem Brot und doch an keinem Orte sei. Hooper hofft, dass Gott [dem Pfalzgrafen] ein besseres Verständnis verleihen wird. Richard [Hilles] und seine Frau [Anna, geb. Lacey]lassen grüßen. In Hilles' Haus halten sich eine Adelige [...] und ihre jüngere Schwester Anne [t'Serclaes] 5 auf Letztere ist sehr fromm, betet stets für

3 Zu deren Namen s. Potter 410—425. Zu den Verhandlungen s. LP XX/2, Nr. 810; und unten Nr. 2384,54—56.
4 Bekannt als "rough wooing", die "raue Brautwerbung" Heinrichs VIII., die die gespaltenen Schotten zur Durchsetzung der mit dem Vertrag von Greenwich (Juli 1543) angestrebten Eheschließung zwischen dem künftigen König Eduard VI. und der schottischen Königin Mary Stuart (geb. 1542) zwingen sollte. Ziel des Vertrags war es, Schottland mit England zu verbinden und Schottlands weitere Beziehungen zu Frankreich ("Auld Alliance") zu schwächen; s. John Guy, Queen of Scots: The True Life of Mary Stuart, Boston 2004, S. 12—37 (mit Details zu den Eroberungen).
5 Anne, geb. oder verwitwete t'Serclaes (Tserelas, Tserclas, etc.), aus einer vornehmen belgischen Familie (bei Antwerpen; später dem Haushalt Jacques de Bourgogne, seigneur de Falais, angehörig), hielt sich 1546 zusammen mit ihrer Schwester im Haus Hilles' in Straßburg auf, wo sie John Hooper kennenlernte, den sie Ende 1546/Anfang 1547 heiratete.
Im März 1547 zog sie mit ihrem Mann nach Zürich, wo am 29. März 1548 Tochter Rachel geboren wurde, deren Taufpaten Bullinger sowie Biblianders Ehefrau Rosilla, geb. Rordorf, waren (HBD 37,1f und Anm. 1). Wohl erst nach ihrer Rückkehr nach England (April 1549) kam Sohn Daniel zur Welt. Nach der Verhaftung Hoopers im September 1553 flüchtete die gebildete Anne mit Rachel nach Frankfurt a. M., wo sie sich bei Valérand Poullain, ihrem Verwandten, einem späteren Korrespondenten Bullingers, aufhielt. Der noch sehr junge Daniel kam anscheinend erst später hinzu, könnte aber auch in den Haushalt Edmund Oldsworths aufgenommen worden sein. Anne starb am 7. Dezember 1555 in Frankfurt an der Pest, Rachel kurz darauf, und einigen Angaben zufolge auch Daniel, dessen Schicksal aber umstritten bleibt. — Von Anne gibt es sechs Briefe an Bullinger, alle zwischen 1551 und 1555 verfasst. — Lit.: André Monteyne, T'Serclaes. Une famille bruxelloise, Brüssel 1987; und weitere Lit. oben in Anm. 1.

Bullinger und empfiehlt sich den Gebeten der Zürcher Gemeinde. Hoffentlich wird Bullinger sie auch bald kennen lernen. Grüße u.a. an [Theodor] Bibliander und [Konrad] Pellikan. Bullinger darf Hooper zu den Freunden Zürichs rechnen. [Beilage:] Hooper bittet um Bullingers Stellungnahme. Er denkt, dass es einem Gläubigen nicht erlaubt sei, an der Messe und anderen frevelhaften Gottesdiensten der Papisten teilzunehmen. Einige Einwände aber machen ihn manchmal unsicher. Calvin hat einiges zu dem Thema geschrieben, begegnet aber damit nicht allen Argumenten der Widersacher, so dass Hooper nun in einigen Fragen Bullingers Meinung erbittet. Zu Naaman, dem [Feldhauptmann des Königs der]Syrer [2Kön 5, 1—19]: Hooper weiß zwar, dass man aus einem Fall keine allgemeine Regel machen sollte, doch kann hier nicht unbeachtet bleiben, dass der Prophet [Elischa] zu [Naaman]sagt: "Gehe in Frieden!"Diejenigen, die des Hebräischen unkundig sind, legen diese Worte wie folgt aus: "Wenn du zurückkehren willst, dann geschieht dies auf eigene Gefahr; ich aber befürworte dies nicht." Doch drückt das hebräische "Gehe in Frieden" einen Befehl und auch eine Zustimmung aus. Dadurch wird [Naaman] erlaubt, den wahren Gott im Hause [der assyrischen Gottheit] Rimmon zu verehren, in der Hoffnung, den syrischen König und andere zu bekehren. Stimmt Hoopers Auslegung, dann muss dies [heute]auch erlaubt sein, zumal es der Prophet [Elischa]einem frommen Mann bewilligt hat. Als Elija sich bei Gott beklagte, dass er der einzige übriggebliebene Gläubige war, erfuhr er von Gott, dass deren noch 7000 wären [1Kön 19, 14—18]. Wenn all diese Menschen nicht an den Götzendiensten teilgenommen hatten, wäre doch zu erwarten, dass [Elija]wenigstens einige von ihnen kannte. Außerdem kann Hooper sich nicht vorstellen, wie jemand abstreiten könnte, dass diese in ihrem Herzen Gott die Treue hielten, auch wenn sie öffentlich mit den Unfrommen in den Götzentempeln waren. Kein Einwand bewegt ihn mehr als dieser. Genauso wie Gott den Götzendienst verbietet, untersagt er auch Ehebruch, Unzucht und andere Untaten, und dabei verdammt er den [Götzendienst] nicht mehr als die anderen [Vergehen]. Doch muss niemand wegen der einen oder der anderen [Untat]seine Heimat verlassen ... —Hooper schreibt dies nicht nur, um Bullingers Meinung einzuholen, sondern um auch danach zu leben. Er selbst hat in der Angelegenheit keinen Zweifel; er möchte aber frommen Menschen, die noch nicht ausreichend im Glauben unterrichtet sind, Genüge tun. Grüße an Bullingers Gattin [Anna, geb. Adlischwyler] sowie an den in Zürich wohnenden Engländer [John] Burcher.