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Kapitel 

[2043]

Bullinger an
Joseph Macarius
Zürich,
4. Dezember 1544

Gleichzeitige Kopie von unbekannter Hand a : Zürich StA, E II 346, 143v.-144v.

Hat Macarius' Brief [Nr. 1965]erhalten und ist froh, dass sich das zwischenzeitlich verlorene Schreiben [Nr. 1931] wiederfand. Luther schadet sich selbst mit seinem Zorn, und seine [Abendmahls-]Lehre ist ebenso falsch wie die des Papstes, von der sie sich im Grunde nicht unterscheidet, denn beide behaupten [die Realpräsenz] anstelle der orthodoxen Auffassung, dass das Essen des Leibes Christi bedeutet, an die Hingabe von Leib und Blut für die Erlösung der Sünder zu glauben (man vergleiche hier die alte Interpretation von Joh 6); auch kann sich

a Derselbe Schreiber wie in Nr. 2043. Vermutlich im Auftrag Bullingers.
a Derselbe Schreiber wie in Nr. 2042. -Mit
Randbemerkung von späterer Hand. Einige Wörter auf f. 143v. im engen Einband nicht oder nicht vollständig lesbar.

der Leib Christi gemäß seiner menschlichen Natur nicht an mehreren Orten zugleich befinden. Macarius soll sich für eine der beiden Glaubensrichtungen entscheiden und dabei die Heilige Schrift und alle Bekenntnisse der Kirchenväter zu Rate zu ziehen; da sich die verherrlichten Körper nur an einem einzigen Platz befinden können -entsprechend Christi Worten im Evangelium [Joh 14, 3] sowie Augustin in seinem Brief an Dardanus [Epist. 187, I I-VI 21, CSEL LVII 81, 1-100, 5], Vigilius von Thapsus [Contra Eutychetem I 5f MPL LXII 98f; IV 14, MPL LXII 126], Hieronymus [in seiner Schrift] gegen Johannes von Jerusalem an Pammachius [23-30, Chr LXXIX A 37-56] und Augustin in De civitate dei [IX 17, CChr-L XLVII 265f; XX 22, CChr-L XLVIII 740f] -, ist die Auffassung der Realpräsenz mithilfe des Evangeliums zu bekämpfen: Der Herr hat keinen Glaubensartikel begründet, sondern mit dem Sakrament eine heilige Handlung geschaffen, über die schon von Anbeginn der Kirchengeschichte gemäß ihres sakramentalen Charakters sakramentell gesprochen wurde, in dem Sinne, dass in den Sakramenten das Sichtbare und das Geistliche zu unterscheiden sind und Brot und Wein als sichtbares Zeichen begriffen werden; Leib und Blut des Herrn, die ihrer Natur nach nicht spirituell, sondern körperlich sind und bleiben, werden spirituell empfangen, das heißt, glaubend durch das Herz und den Geist. So wird auch die Beschneidung "Bund" genannt, da sie diesen symbolisch bezeichnet, und so steht auch das Passah-Lamm für das Vorübergehen des Engels. Christi Worte: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" verstanden die Alten richtig, die sagten, dass Brot und Wein Zeichen, Symbol, Sakrament, Figur und Gedächtnis für Leib und Blut des Herrn seien; diese Auffassung stimmt überein mit den Worten des Herrn, dem Wesen der Sakramente, der Natur des wahren Körpers und den Glaubensartikeln, denn die Handlung ist zwar äußerlich und symbolisch, zielt aber auf das Gedächtnis und die Erinnerung ab, und das Wesen der Sakramente ist es, dass Bezeichnung und Bezeichnetes voneinander verschieden sind, und dass Letzteres durch Glauben und Geist erfasst werden muss; das Brot bleibt also Brot, und der Leib Christi, an der Rechten Gottes, wird nicht leiblich gegessen, sondern spirituell; die Lutheraner aber sagen: "Der wahrhafte und natürliche Leib des Herrn ist wahrhaft und leiblich mit dem Brot oder im Brot oder unter dem Brot"; wenn sie wirklich den wahrhaften Leib Christi meinen, sind ihre Aussagen absurd. Möge der Herr Macarius helfen, ihn als wahrhaften Gott und Menschen anzusehen und nachzusinnen über seine Erlösung, wie die Menschen dieser teilhaftig werden können, über das Wesen der Sakramente und den Modus, wie über diese schriftgemäß zu sprechen ist. Bullinger möchte Macarius gern bestärken und bietet weitere Unterstützung an. Grüße von Megander, Pellikan, Bibliander, Gwalther, Fries und den Übrigen an Macarius und die Brüder.

[Gedruckt und ungarisches Regest: Endre Zsindely, Pesti Macarius József levelezése Bullinger Henrikkel, in: Studia et Acta Ecclesiastica III, Budapest 1973, 949-953, Nr. 4.]