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[1601]

Oswald Myconius an
Bullinger
Basel,
3. Februar 1542

Autograph: Zürich StA, E II 343a, 234 (Siegel) Ungedruckt

Schreibt nur kurz, da gerade ein Bote mit einem Brief aus Leipzig nach Zürich reist. Hat mitzuteilen vergessen, dass der Schulmeister, der [für Basel]gesucht wird, den Magistertitel besitzen oder erwerben müsste; [Sebastian] Münster kann wegen seiner Verweigerung der Doktorpromotion nicht Nachfolger Karlstadts als Professor der Theologie werden; dies soll auch Pellikan und Theodor [Bibliander]mitgeteilt werden. Die Tagungen in Schwaben, Franken und am Rhein zur Vorbereitung des Speyrer Reichstags blieben wegen der unverhältnismäßigen Forderungen der Fürsten an die Städte ergebnislos. Die türkischen Eroberer einer Stadt unweit von Wien sollen alle getötet haben, die sie dort antrafen; König Ferdinand hatte kurz zuvor 800 deutsche Landsknechte, unter denen auch ein Basler war, durch Italiener ersetzt. Die Fürsten zögern, nach Speyer zu reisen, nachdem Hans Wurst [Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel] erneut [eine Schmähschrift] gegen [Landgraf Philipp von] Hessen veröffentlicht hat.

S. Breve tempus brevem epistolam admittit. Venerunt literae illae ex Lypsia 1 in mediis negociis meis, et commodum erat nuncius 2 ad vos. Paucis igitur his contentus esto.

Dum petii ludimagistrum 3 , oblitus fui, quod vel esse magistrum oportet vel fieri 4 . Priusquam igitur talem aliquem mittas a , opus est inquiras de titulo, an habeat, an recipere velit, si non habet. Das sy ein gut jar mit den titlen angang! 5 Munsterus non potest in lectione theologica succedere defuncto

c Adresse von der Hand Bullingers.
a Vor mittas ein gestrichenes, unlesbares Wort.
1 Die Rede ist vermutlich von einem nicht erhaltenen Brief eines in Leipzig studierenden Zürchers.
2 Unbekannt.
3 Vgl. oben Nr. 1596, 34-38.
4 Vgl. die entsprechende Bestimmung in der Ordnung für den Schulmeister der Münsterschule (Theophil Burckhardt-Biedermann, Geschichte des Gymnasiums zu Basel, Basel 1889, S. 32).
5 Etwa im Sinne von: Möge ihnen das Beharren auf dem akademischen Titel Gutes bringen (ironisch).

Carolostadio, nisi fiat doctor. 6 Cogitur ergo grammaticus esse per omnem vitam suam, quia titulum hactenus recusat. Hanc rem, quaeso, Pellicano exponas et Theodoro 7 .

Nobilitas Svevica dicitur 8 una cum civitatibus consultasse 9 , quid legatis sit committendum ad comitia Spirensia 10 . Similiter factum in Francia, item ad Rhenum. 11 Ita vero principes cum suis restiterunt civitatibus, ut digressi sint rebus infectis legati. Imposuerunt et pecuniam et milites modo prorsus non tolerabili civitatibus. Exempli gratia Argentinenses dare debent paulo minus quam unus aliquis elector, plus autem quam episcopus ipsorum 12 , marchiones Badenses omnes 13 et tres potentes comites.

De civitate et arce, quae[!] Turca vi occupavit non longe a Vienna 14 , credo iampridem accepisti. Occidisse fertur, quicquid reperit. In ea civitate fuit civis Basiliensis 15 una cum Germanis militibus octingentis. His dimissis Ferdinandus Italos imposuit. Mox postea nefas tam crudele accidit. Princeps puer, quid faceret aliud?

Spirae congregari dicuntur lente 16 . Hans Wurst 17 scripsit de novo contra Hessum 18 . Impedit bestia illa, ne principes e suis dominiis libenter exeant. Et omnia facit impune. Ira domini contra nos se exerit plus satis manifeste.

6 Die Berufung Sebastian Münsters wurde mit der Bedingung verbunden, innerhalb eines Jahres zu doktorieren. Münster zog es allerdings vor, den Lehrstuhl wieder aufzugeben. Vgl. unten Nr. 1602, 31f; 1606, 30-32; Karl Heinz Burmeister, Sebastian Münster. Versuch eines biographischen Gesamtbildes, Basel-Stuttgart 1963. - Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft 91, S. 59f.
7 Theodor Bibliander.
8 Die folgenden Nachrichten entnahm Myconius einem Brief Bucers vom 14. Januar 1542 (Zürich ZB, Ms F 80, 143; vgl. auch den Auszug im Brief Oporins an Vadian vom 21. Januar, Vadian BW VI 97f, Nr. 1217).
9 Zur Vorbereitung des Speyrer Reichstags fand in Weil der Stadt vom 20. bis 22. November 1541 ein schwäbischer Kreistag statt; s. Adolf Laufs, Der Schwäbische Kreis. Studien über Einungswesen und Reichsverfassung im deutschen Südwesten zu Beginn der Neuzeit, Aalen 1971. - Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte NF 16, S. 166-172.
10 Der Reichstag zu Speyer war auf den 14. Januar angesetzt und sollte über die Türkenhilfe
beraten; die Proposition König Ferdinands wurde allerdings erst am 9. Februar verlesen. Der Abschied datiert vom 11. April. -Lit.: RTA JR XII/1-2; Heidrich, Karl V. 54-88.
11 Zu den Tagungen des fränkischen und des oberrheinischen Kreises in Windsheim bzw. Worms vgl. RTA JR XII/1 60.
12 Erasmus von Limburg, Bischof von Straßburg.
13 D. h. die Markgrafen von Baden-Baden und Baden-Durlach.
14 Das Gerücht bezog sich möglicherweise auf Odenburg (Sopron, Ungarn); vgl. Gerwig Blarer BA I 420.
15 Unbekannt.
16 Zum zögerlichen Eintreffen der Teilnehmer des Reichstags vgl. Traut 3f. 10; Heidrich, Karl V. 57f.
17 Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel (vgl. WA LI 461-572).
18 "[...] herrn Heinrichs des jüngern, hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg etc. vierte bestendige, warhafftige, ergründte, christliche antwort auff des landgraven [Philipp] zu Hessen [...] verantwortung [...]", Wolfenbüttel 1541 (VD 16 B 7283).

Vale cum tuis omnibus et fratribus.

Basileae, 3. februarii anno 42.

Tuus Myconius.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Heinricho Bullingero, in domino suo.