Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

[1265]

Johannes Haab an
Bullinger
Rheineck,
4. Mai 1539

Autograph: Zürich StA, E II 335, 2032r. -v. (Siegelabdruck) Ungedruckt

Entnimmt Bullingers Brief vom 27. April, daß [Johannes Bullinger] seine schwere Krankheit überwunden hat. Hört gern, daß sein Sohn [Hans Jakob Haab]fleißig lernt. Hofft, daß die Reformation in England uneigennützig, nur zur Ehre Gottes, gefördert wird; dankt für die Nachrichten aus England und Frankfurt. Weiß von Johannes von Lupfen, daß in Frankfurt ein Abkommen auf 15 Monate geschlossen wurde und daß Gelehrte auf einen Reichstag in Regensburg hin über eine Einigung im Glauben verhandeln sollen; der [Schmalkaldische] Bund soll dem Kaiser Hilfe gegen die Türken zugesagt haben. [Johann von Weeze] ist [von Frankfurt] nach Niedersachsen aufgebrochen, um Truppen aufzuhalten, die ins Gebiet der Herzöge [Franz und Ernst III. von Braunschweig-]Lüneburg eingedrungen sind; Pfarrer Johannes Keller, der Überbringer des Briefes, wird mehr berichten können. Aus Lindau und Konstanz gibt es noch nichts Neues. Dankt Bullinger für erwiesene Dienste und für das Büchlein. Bittet, [Keller] an der [Frühjahrs-]Synode teilnehmen zu lassen; er ist vertrauenswürdig. Bullinger soll die Nachrichten auch Bürgermeister [Diethelm] Röist zukommen lassen. Grüße.

Wolgelertter, fromer, fürgeachter, erender, lieber herr und bruder, üch sige 1 zufor die gnad gotteß durch Cristum Iesum, unseren seligmacher, darzu min bereidt gantz guttwillig dienst etc.

Üwer schriben, dess datum stadt den 27. tag apprellens 2 , han ich sinnes ganntzen inhaldtz verstannden, und erschlich 3 hör ich gernn, daß der gutt fromm erenmann und bruder 4 zu Capel von der schwärenn krankheit durch gnad gotteß ettlichermaß endtiedigott ist. Gott geb im sterk an sell und lib.

Daß auch min sunn 5 und die anderen flißig studierend, hör ich gernn a . Gott thüge für und für sin gnad darzü, daß es alles zu sinnem lob diene etc.

Daß daß wordt gotteß in Engenland so stark inbricht 6 , ist mir ein fröid; allein daß kein fleischlicher nutz darin gesucht und allein zu eren gottes diene. Die überig nüw zitung 7 , uss Engelland und von Frankfurtt üch zukommenn 8 , han b ich alle wol verstandenn, und sunderlich die von Frankfurtt han ich die, alß 9 hernach stadt, gehörtt.

a vor gernn gestrichenes auch.
b han über gestrichenem dan.
1 sei.
2 Nicht erhalten.
3 erstlich.
4 Johannes Bullinger.
5 Hans Jakob, geb. 1530; vgl. C. Escher, Bürgermeister Johannes Haab (1503— 1561), in: ZTB 1903, NF 26, S. 47.
6 Bullinger hatte wohl Neuigkeiten über die Reformation in England aus dem Brief der Engländer vom 8. März 1539
(oben Nr. 1238) an Haab weitervermittelt.
7 neuen Nachrichten.
8 Die von Bullinger weitergegebenen Nachrichten stammten wohl aus Myconius' Brief vom 22. April (oben Nr. 1257) und aus einem von Gwalther übermittelten, undatierten Bericht (Zürich StA, E II 359, 2782), der vermutlich einem Brief Bedrots entnommen war und sich u. a. auf den Frankfurter Anstand vom 19. April bezog.
9 wie.

Nammlich uff verschinen mentag, den 28. apprilis, bin ich zu Roschach 10 for herren aptz 11 zu Sanct Gallen ettlichenn rätten gesin c12 vonn miner liebenn , und vertruwtten nachpurenn vonn Lindow wegenn d zu schaffen gehept. Da ich graf Hansen von Lupffen , so bischoff zu Costantz gesin e auch , funden 14 der mir angezeigt, daß im der jetzig bischoff von Costantz 15 so von keiserlicher magiestatt wegenn zu Frankfurtt gesin ist, mit sinner eignen hand geschribenn, daß der anstand 16 zwüschend beiden puntzverwantenn 15 manett gemacht und beschlossenn. Und söllind sy entzwüschend zu beiden teillen sich timm träffenlich gelertt lütt bewerbenn und denen befälhenn, ettwaß cristenlichen ansähens 17 in sachen dess gloubens ze stuchen und stellenn, und nach verschinung 18 der 15 manchen uff den richstag gon Rägenspurg 19 , was sy funden, bringen. Und mag man sich miteinanderrenn verglichen 20 sige gutt wo nütt, sölle dan uff ernempten tag aber witter insähen beschähen 21 . Und söllind die fürstenn und stend imm cristenlichen pundt demm keiser bewilgott haben, ir hilff wider den Türken ze schiken.

Es f habe im gesagter bischoff witter geschriben, daß er willens gesin, den nächstenn 22 hinuff in das bistum. So sige er von den stendenn, so zu Frankfurtt sigind, ilendiz in die nidersagsischen g land ze ritten verordnett, ettlich dusend knecht abzewenden, so demm herzog von Lünnenburg in sin lannd

c gesin über der Zeile nachgetragen.
d wegenn über der Zeile nachgetragen.
e so bischoff zu Costantz gesin am Rande nachgetragen.
f Es über der Zeile nachgetragen.
g zwischen nider und sagsischen gestrichenes sach.
10 Rorschach, am Bodensee (Kt. St. Gallen).
11 Dietheim Blarer von Wartensee.
12 gewesen.
13 Johannes von Lupfen, 1487-1551, aus dem Landgrafengeschlecht von Stühlingen stammend, ein Freund der humanistischen Wissenschaften, wählte früh die Klerikerlaufbahn, wurde in Konstanz 1503 Kanoniker an der Domkirche, 1521 bischöflicher Rat, 1522 auch Domkustos, 1528 Propst zu St. Stephan, 1530 Administrator der Dompropstei und im selben Jahr Statthalter bei Abwesenheit von Bischof Balthasar Merklin. Seine Wahl zum Bischof 1532 akzeptierte er nur widerstrebend, und 1537 trat er - vielleicht wegen seiner Sympathien für die evangelische
Bewegung - zurück. Von Lupfen, noch immer Konstanzer Domherr und Domkustos, residierte fortan bis zu seinem Tod auf seinem Schloß in Engen im Hegau. —Lit.: Karl Jordan Glatz, Über Johann V., Bischof von Constanz vom Jahre 1532 bis 1537, Landgraf von Lupfen-Stühlingen, Herr von Höwen und Rosenegk, in: Freiburger Diözesan-Archiv 4, 1869, S. 123-134; Helvetia Sacra I/2 389-392.
14 angetroffen. 15 Johann von Weeze.
16 das Stillstandsabkommen. —Zum "Frankfurter Anstand" s. oben Nr. 1261, Anm. 3.
17 Übereinkunft.
18 Ablauf.
19 Von Regensburg als neuem Tagungsort ist im Frankfurter Anstand noch nicht die Rede. Der Regensburger Reichstag des Jahres 1541 wurde erst im September 1540 ausgeschrieben; s. PC III 96.
20 einigen.
21 weitere Schritte erwogen werden.
22 auf dem kürzesten Weg.

gefallen sigind 23 . Diß mög ich warhafftenklich schriben und segenn. Sunst kan ich diser sach halb nütt witters findenn. Wol han ich vonn ettlichen byartiklen, so auch zu Frankfurtt gehandlett worden sigind, gehörtt, wie auch üch Zeiger diß brieffs, her Hanß Keller 24 , min lieber bruder und pfarer, wol witter berichten wirdt.

Von Lindow und Costantz kompt nach nüdt eigentlichs 25 etc.

Witter, fürgeliepter her und bruder, dannk ich üch uff das höchst der müg und arbeidt, so ir mit disem und forigem 26 schriben gehept. Daß büchli 27 , so ir mir geschikt, gefaldt mir fast wol 28 Dank üch auch darum; wird eß guttenn herren und fründen ze läsen gebenn.

Fürer 29 , so langt an üch min ||2032v. flißig pit, ir wellind forgemeltenn 30 minenn pfarer zu Rineg und Tal in sinodum 31 lassenn und im vergonnen h , üwerrenn brüchen zuzehören und sähenn. Sind ir wol sicher, daß er nütt, weder kleins nach grosses, hinuß seidt 32 . Er ist auch i mit leren und läben trüw, ufrecht und fromm k . Die kundtschafft 33 mag 34 ich im mit der warheit wol gebenn. Ich vertruw imm auch mines ampts und der hushab halb 35 mer dan sunst filen.

Zuledtscht ist min beger an üch, herren burgermeister Röistenn, ob 36 er diser dingen nütt bericht 37 , anzeig gebenn. Ich hette im gern auch geschriben; so ist mir der zit halb wenig wil 38 worden; dan ich mit däglichen fürfallendenn geschäftenn fast gnug ze thun hab.

h vor vergönnen gestrichenes la.
i Er ist auch am Rande nachgetragen.
k vor fromm gestrichenes fromklich haldt.
23 Die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg, Franz in Gifhorn und Ernst III. in Celle, hatten in einem Schreiben vom 10. April 1539 um Hilfe gegen den Anmarsch niederdeutscher Truppen - eine Aktion von Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig - gebeten; s. PC II 597f. 600. 610; Friedrich Bruns, Die Vertreibung Herzog Heinrichs von Braunschweig durch den Schmalkaldischen Bund, 1. Teil, Diss. phil. Marburg, Marburg 1889, S. 25-27.
24 Johannes Keller, gest. 1567, findet sich in Keßlers Sabbata unter 1553/54 und 1567 als Pfarrer von Rheineck bezeugt. Er gehörte 1554 zu den Unterzeichnern eines Briefes von St. Galler Synodalen an Bullinger (Zürich ZB, Ms F 40, 314f). — Lit.: Keßler, Sabbata 616. 622. 653; Stückelberger 99.
25 noch nichts Sicheres.
26 Das letzte erhaltene Schreiben Haabs an Bullinger datiert vom 20. Oktober 1538 (HBBW VIII, Nr. 1188); vgl. aber auch oben Nr. 1240.
27 Gemeint ist vielleicht Bullingers "Der alte Glaube", dessen zweite Auflage 1539 bei Froschauer erschien (s. HBBibl I 100).
28 sehr gut.
29 Ferner.
30 oben erwähnten.
31 Die Zürcher Frühjahrssynode 1539 trat am 6. Mai zusammen (vgl. Zürich StA, E III. 234-236).
32 ausplaudert. — Zum synodalen Schweigegebot s. AZürcherRef 1899, S. 835.
33 Zeugnis.
34 kann.
35 im Familiären.
36 wenn.
37 nicht unterrichtet ist.
38 Muße.

Der almechtig gott verlich üch für und für, in sinem werk nach sinem gefallen fürzefarenn. Grüssend mir M. Löwen 39 , her Casparenn 40 , herren bropst 41 , her doctor Engelhartt und fogt Lafentern 42 , auch üwere liebe husfrowenn 43 und kind 44 .

Datum Rineg, sontag, den 4. meigens im 39.

Üwer altzit getrüwer fründ

Hanß Hab, fogt im Rintal.

[Adresse auf fol. 2032a v.:] Demm frommenn, wolgelertenn herren Meister Heinrichen Bullinger, pfarer im Grossen Münster der statt Zürich, minem lieben herren und bruder.