Projektseite Bullinger - Briefwechsel © Heinrich Bullinger-Stiftung
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[1029]

Bullinger an
Andreas Schmid
Zürich,
17. August 1537

Abschrift von Rudolf Gwalther und Bullinger a : Zürich StA, E II 342, 80r.-81v. (ohne Siegel) Ungedruckt

Bullingers Verwandter Heinrich Wiederkehr, [Untervogt] in Dietikon [Kt. Zürich], bestreitet, daß er seine Schweigepflicht verletzt und dadurch die Flucht eines Rechtsbrechers aus dem Dorf ermöglicht habe, und behauptet, seine Frau, die diesen gewarnt hatte, sei von Bernhard Tratz informiert worden; Bullinger bedauert, daß Wiederkehr gegenüber [Landvogt] Schmid ausfällig wurde, als ihm dieser 50 und seiner Frau 20 Pfund Bußgeld auferlegte. Er bittet dennoch, ihm in Berücksichtigung seiner Treue und Dienstbereitschaft gegenüber Zürich die Buße zu erlassen, und verspricht, ihm zusammen mit [Heinrich] Brennwald ins Gewissen zu reden.

Gnad und frid von gott durch unsern herren Jesum Christum mere sich alle tzitt by üch.

Frommer, ersamer, gunstiger, lieber herr, ich bitt üch, ir wellind dis min schriben güttlich vernemmen und gnädenklich bedenken. Es ist min vetter Heiny Widerker, wirtt zuo Dietiken 1 , kurtzlich in üwer ungnad und gefängknus kommen 2 , das er die heimlikeit 3 , so imm in pflicht sins ampts und eids vertruwt 4 nitt stiller 5 , gehept hatt, dann das sy ußgeprochen und der fridbrüchig 6 , durch sin wyb 7 gewarnt, entrunnen ist. Wiewol nun er vermeint, das durch sin red, die dennocht der heimligheit gar nüt geofnet, ouch nun 8 gägen einem beschehen, der sy nüt geachtet 9 , ghein warnung den fridbrüchigen

a Z. 1-28 von der Hand Gwalthers, Z. 28-53 von der Hand Bullingers; vgl. auch unten Anm. d.
1 Heinrich Wiederkehr, Wirt und Untervogt (vgl. unten Nr. 1030, 31 mit Anm. 25) in Dietikon (zur Grafschaft Baden gehörig, seit 1803 Kt. Zürich; vgl. HBLS II 720), war mit Bullinger in nicht näher bestimmbarem Grade über Großvater Heinrich Wiederkehr, den Vater von Anna Wiederkehr, der aus Dietikon stammte und lange in Bremgarten gewohnt hatte, verwandt (vgl. Verzeichniß des Geschlechts der Bullinger und was sie der Kirche zu Bremgarten vergabet haben; verfaßt durch Heinrich Bullinger, den ältern, Pfarrer bei dem großen Münster in Zürich, im Jahr 1568; in: Helvetia. Denkwürdigkeiten für die XXII Freistaaten
der Schweizerischen Eidgenossenschaft, hg. v. Joseph Anton Balthasar, Bd. I, Zürich 1823, S. 96f).
2 Der Angesprochene, der Zürcher Ratsherr Andreas Schmid, war seit der Jahrrechnung vom 12. Juni 1537 eidgenössischer Landvogt der Grafschaft Baden (vgl. EA IV/1c 1316f).
3 das Amtsgeheimnis.
4 anvertraut.
5 bekannt geworden.
6 Rudolf Lochers Sohn, Dietikon (s. unten Nr. 1030, 16).
7 Nicht namentlich bekannt.
8 nur.
9 der davon keine Notiz genommen habe. - Zum Personenkreis, der von Wiederkehr informiert wurde, s. unten Nr. 1030, 46-54.

beschähen sye, ouch das wyb die warnung uß Bernhart Tratzen 10 und nitt durch inn b oder uß imm gethon habe, blipt doch allweg der argwon, und das vor menglichem weger gar nüt des handels gedacht 11 , ouch sin wyb rüwig gewäsen wäre. So aber sömlichs nitt beschehen ist, habend ir üwers ampts und pflichten halben vermeint wirdig sin 12 , das er und sin wyb wyter amin gut ouch gestrafft werdint, und imm hyeruff ufgeleit, fünftzig pfund zu legen 13 , und iro, zwentzig pfund zu betzalen. Dorumb er dann wyter uß ungedult sins unfaals ungeschickt worden 14 , uß ||80v. unwillen und tzornn wider üch und ouch sust geredt hatt, das ich fast 15 wol lyden möchty, er hätt es erspart. So hatt er ouch üch bewegt, das ouch ir entzündt, grimmklich geredt und gehandlet, zu beden syten in friden komen sind 16 .

Nun, früntlicher und günstiger, lieber her, diewyl ich c gar nie ghein gfallen ab dem gehept hab, das us anfächtung verhandlet 17 allweg 18 zu größerm unradt 19 gereichen mag, so kan ich gar nitt minem vettern die sach gar verglimpfen 20 oder vertädingen 21 und for üch sinethalben als eins unschuldigen sach handlen. Es kan mir ouch üwerthalben das nitt mißgfallen, daß ir üwerer pflicht und üwerm ampt nach den friden, trüw und redliche schirmend, das arg dargägen und unfrid straffend. d Gott verliche üch, das ir allen und zu allen zyten gut gricht und rächt vor gott, des diener ir sind, styff 22 und trüwlich haltind. Ich bitt üch aber daby alls minen günstigen, lieben herren, ir wöllind denocht ouch die gelägenheyt 23 der sach, und was entschuldigung er haben möcht, ouch sin person ansähenn 24 und üch in gütickeyt und früntligheyt finden lassenn. Dann wie er joch jetzund in unfaal kummen, ist er doch vornaher allwäg ein trüwer man xin, ||81r. insonders minen gnädigen herren vonn Zürych trüw und anhängig, mitt denen er die beyde krieg 25 mitt grosser müy und kosten beharrlich gezogen, ist noch urbüttig 26 , inen und üch alle eer, trüw und dienstbargheyt zu erzeygenn. Dorumb bitt ich üch zum früntlichisten, ir wöllind inn widerumb begnaden, imm verzyhen, ouch der straff der 50 lib[rarum] erlassen. Wirt er sömlichs

b inn vom Schreiber korrigiert aus imm.
c vor ich gestrichenes g.
d Text bis straffend von Gwalthers, Fortsetzung von Bullingers Hand (vgl. auch oben Anm. a).
10 Ein Bernhart Tratz erscheint in den Reisrödeln der Züge nach Dijon 1513 und Marignano 1515 (s. Zürich StA, A 30. 2, Nr. 39 und 53). Weiteres ist über die Person dieses Namens nicht bekannt.
11 daß die Sache besser vor niemandem erwähnt worden wäre.
12 für angemessen befunden.
13 zu bezahlen.
14 Deshalb hat er sich, in Erregung über
sein Unglück, ungehörig benommen.
15 sehr.
16 beiden Frieden geboten wurde (vgl. auch unten Nr. 1030, 112f mit Anm. 63).
17 in blinder Wut gehandelt.
18 stets.
19 Schaden.
20 beschönigen.
21 rechtfertigen.
22 beharrlich.
23 Umstände.
24 berücksichtigen.
25 den Ersten und den Zweiten Kappelerkrieg von 1529 und 1531.
26 bereit.

mitt danck und erckantnus billich 27 uffnemmen. Er ist ouch urbüttig, das er die 20 lib[ras], so der frowen uffgeleyt, willig bezalen wölle. Ich will ouch sömliche üwer früntligheyt, wo ich kan, umb üch und die üwernn verdienen 28 . Es wirt ouch niemands sagen können, das ir ein sömlichs habind ungestrafft lassen hingon. So wöllend herr e propst Brenwald, üwer r schwager 29 , und ich mitt imm der maassen redenn, das er hernach bescheydner gägen siner verordneten obergheyt faare 30 und nitt dem zorn, sunder der vernunfft volge, guter hoffnung, ir habend üch schon erbätten lassen und werdent ouch alle zyt gagen mencklichen mitt bescheydenheyt handlen.

Gott beware üch und die üwernn alle zyt.

Datum Zurych, 17. augusti 1537.

||81v. Dem frommen, ersammen und wysen Andresen Schmyd, landtvogte zu Baden, sinem günstigen, lieben herren.

Heinrych Bullinger, diener des wort gots der kylchen Zürych, uwer williger.