arpa Themen Datenbank: "Basler Nachrichten-Demo."

Basler Nachrichten

Iskander Mirzas Staatsstreich Unser S R G -Korrespondent schreibt uns aus New Delhi: Was sich gegenwärtig in Pakistan erinnert an die jüngsten Vorgänge in Burma, wo die Armee ebenfalls als Retterin der bedrohten staatlichen Ordnung eingesetzt werden musste. Wer die Entwicklung Pakistans in den letzten Jahren verfolgt hat, konnte diesem grössten islamischen Staat nur sehr düstere Zukunftsprognosen stellen. Die einzige Hoffnung bestand darin, dass der Staatspräsident Iskander Mirza eines Tages selbst mit starker Hand die Zügel des Regimes ergreifen und der politischen und wirtschaftlichen Korruption ein Ende bereiten würde. Aber auch diese Hoffnung schien zu trügen; denn Iskander Mirza, der in früheren Jahren beachtliches politisches Format und grosse Tatkraft bewiesen hatte, überliess in der letzten Zeit ziemlich uneingeschränkt den intriganten Parteipolitikern das Feld.

Jetzt endlich hat der Staatspräsident jedoch den Mut und die Verantwortungsfreude aufgebracht, aus dem innenpolitischen Chaos die Konsequenz zu ziehen und elf Jahre «parlamentarischer» Misswirtschaft zu liquidieren. Das Zentralkabinett und die Provinzregierungen sind entlassen, die Kabinette aufgelöst, die Parteien verboten, die Verfassungen aufgehoben. Der Oberkommandierende der Armee hat auf Grund des verhängten Belagerungszustandes die ausübende Regierungsgewalt übernommen.

So sehr man grundsätzlich auch bedauern mag, dass das parlamentarische Regime in Pakistan solch ein unrühmliches Ende fand, so wenig kann man Iskander Mirza daraus einen Vorwurf machen. Er musste so handeln, wie er es tat, wenn er den Staat retten wollte, und er selber hat in einer Erklärung zur Verhängung des Belagerungszustandes eine überzeugende Rechtfertigung für sein Handeln gegeben, indem er sagte, noch «heiliger» als die Verfassung sei ihm die Integrität des Staates und• die Wohlfahrt des Volkes. Die Parteipolitiker aber hätten beides bedroht: durch rücksichtslose persönliche Machtkämpfe und grenzenlose Intrigen, durch Korruption und Vetternwirtschaft, durch Ausbeutung der Massen, durch Schiebungen, Wahlbetrug und Hochverrat. Iskander Mirza hat nun die Dinge endlich beim rechten Namen genannt; denn es scheint tatsächlich kaum ein derartiges Vergehen zu geben, dessen sich ein grosser Teil der politischen Prominenz in Pakistan nicht schuldig gemacht hätte.

Wenn der islamische Staat gleichwohl noch heute existiert, dann verdankt er das weitgehend der tüchtigen Beamtenschaft und der Armee. Beides sind Ordnungsfaktoren, in denen das gute Erbe der britischen Herrschaftszeit lebendig geblieben ist. Mit ihrer Hilfe wird nun Iskander Mirza allein regieren und dann wahrscheinlich eine schrittweise Demokratisierung seines Staates unternehmen. Aussenpolitisch wird er weiter die Unterstützung der Amerikaner und der anderen westlichen Demokraten suchen und gewährt bekommen. Vielleicht gelingt einer starken pakistanischen Regierung sogar ein versöhnender Ausgleich mit dem indischen Nachbarn.

Mit welchen Politikern Iskander Mirza in Zukunft zusammenarbeiten wird, ist zur Stunde noch nicht zu übersehen. Sicher ist nur, dass die immer wieder verschobenen ersten gesamtpakistanischen Wahlen auch nicht, wie zuletzt vorgesehen, im nächsten Frühjahr, sondern noch später stattfinden werden. Die Koalitionen, die sich für diese Wahlen in den letzten Wochen abgezeichnet hatten, dürften überhaupt der unmittelbare Anlass für Iskander Mirzas dramatisches Einschreiten gewesen sein; denn es war zu erkennen, dass der Staatspräsident von Männern seiner eigenen republikanischen Partei als Gegenleistung für ein Wahlbündnis geopfert und gestürzt werden sollte.

Iskander Mirza ist den Intriganten zuvorgekommen. Jetzt liegt auf seinen Schultern eine Verantwortung, die er längere Zeit ganz offensichtlich nicht zu übernehmen bereit war; denn sonst hätte er kaum so lange Zeit gute Miene zum bösen politischen Spiel in Karachi gemacht. Deshalb wird Iskander auch kein zweiter Kemal Atatürk werden; aber man kann im Interesse Pakistans nur hoffen, dass er mit ähnlicher Energie und politischer Phantasie wie der grosse türkische Reformator seine schwere Aufgabe erfüllt