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Donnerstag 1. November 1917

Fünfzig Schweizer aus Rußland

kamen letzten Donnerstag in Schaffhausen an Herren, Damen und Kinder jeden Alters. Ich schildere in Kürze wie die Reise verlief.

Acht Wochen vorher war ich von Moskau abgefahren ; zuerst gings nach Petrograd. eine Strecke von 12 Stunden Fahrzeit, Alle Züge sind bis zum letzten Platz angefüllt, nur zwei führen Schlafplätze, die wochenlang vorausbestellt sind. Aber mit Protektion oder besonderem Händedruck erreicht man alles. Am Nicolai-Baknhof in Petrograd angekommen, ließ ich meine zwei Koffer, leider im Gepäckraum lagern, statt sie sogleich in Empfang zu nehmen und zum finnischen Bahnhof zu führen, — am nächsten Tage mußte ich sie darum zwei Stunden lang suchen, bis ich sie hatte. Am Vorabend der Abreise fand am finnischen Bahnhof Gepäckrevision statt.

Am Donnerstag früh ging mein Zug ab; wir durchfuhren ganz Finnland, von Ordnung und Reinlichkeit angenehm berührt. Jn Tornea gabs wieder genaueste Revision, der revidierende Marineoffizier meinte, es wäre unnütz, wieder nach Rußland zurückkehren zu wollen, wenn ich durch Deutschland reise .— Ich antwortete, es sei gar nicht meine Absicht,

Am Dienstag nachmittags fuhren wir dann mit der Fähre über den mächtigen Torneo-Strom aus schwedische Ufer, wo zuvorkommende und kurze ärztliche Untersuchung erfolgte. Abends ging unser Zug von Haparanda ab. und wir kamen Mittwoch um 10 Uhr früh in Stockholm an.

Mein erster Gang war zum schweizerischen Konsul Herrn Frykholm wegen der Weiterreise. Ich erfuhr, daß die Paßzentrale in Berlin die Durchreise gestatten wolle, sobald 15-20 Schweizer beisammen wären, Unser Trüpplein wuchs aber innert sechs Wochen auf über 50 Personen, und erst dann wurde die Reise erlaubt.

Wir waren beinahe täglich im Konsulat mit allen möglichen Beschwerden und zu jeder Zeit stand der Sekretär Herr Uddenberg mit Rat und Tat auf liebenswürdigste Weise zu unseren Diensten. Möchten wir Schweizer überall so gut aufgenommen werden, Zuletzt erwirkte Herr Frykholm noch, daß wir Reiseproviant ausführen durften, denn wir mußten uns in Deutschland damit einrichten und erhielten keine Lebensmittelkarten. Es freut mich auch an dieser Stelle den genannten Herren unser aller Dank aussprechen zu können.

Am 22. Okt. konnten wir endlich abfahren von Stockholm; die Revision fand am Dienstag früh in Trälieborg statt, wo wir an Bord des schwedischen Fähreschiffes (3000 Tonnen) gingen. Die See war nicht ganz ruhig, glättete sich aber gegen Mittag vollkommen unter dem Schutz der malerischen Jnsel Rügen.

Jn Saßnitz wurden wir und unser Gepäck genau revidiert, und von da an fuhren wir unter Begleitung von zwei deutschen Agenten in Zivil, die im Verein mit unserem Landsmann Herrn Schneider, der den deutschen Kurier von Stockholm nach Berlin brachte, sehr behilflich waren.

Jn Berlin klappte es bei unserer Ankunft am Stettiner Bahnhof gar nicht, sie war für 10 Uhr 18 angemeldet worden, aber unser Zug traf schon um 9 Uhr ein, wir kamen mit arger Verspätung in die uns angewiesenen Hotels.

Am Mittwoch früh fuhren wir vom Anhalter Bahnhof ab nach Offenburg, wo wir nachts 12 Uhr ankamen und im geheizten Wartesaal bis früh 5 Uhr ruhen konnten. was namentlich den Müttern mit ganz kleinen Kindern sehr nötig waren. Bei Erfurt hatten wir Unglück mit einem unserer Knaben, der trotz Warnung mit dem Türschloß spielte und während der Fahrt seitlich aus dem Wagen fiel. Später erhielten wir die Nachricht. daß er kontusioniert im Krankenhaus liege und keine Lebensgefahr sei: die Mutter fuhr zu ihm zurück.

Bald nach Offenburg hatten wir den Blick auf den herrlichen Schwarzwald, dessen Höhen der erste Schnee bedeckte — in Singen servierte man uns ein einfaches Mittagessen, in Gottmadingen kam die Paßrevision, und in Thayngen betraten wir endlich den heimatlichen Boden. J. H.-B