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Name: Hardt:
Vorname: Hermann v. d. H., ein seiner Zeit berühmter Theologe und Sprachkenner, stammte aus einer niederländischen, nach Deutschland eingewanderten Familie und Ward als dritter Sohn seines gleichnamigen Vaters, welcher das Amt eines fürstlich Osnabrückischen Münzmeisters bekleidete, am 15.
November 1660 zu Melle, einem Städtchen des ehemaligen Bisthums Osnabrück, geboren. Seinen ersten Schulunterricht erhielt er zu Osnabrück. Wo er auch das dortige Gymnasium besuchte, seine weitere Vorbildung zur Universität auf den Gymnasien zu Herford, Coburg und Bielefeld. Dann bezog er die Universität Jena, wo er sich mit besonderem Erer auf das Studium der orientalischen Sprachen, namentlich des Hebräischen, warf. Der Ausbruch der Pest im J. 1680 veranlaßte ihn, Jena auf einige Zeit zu verlassen, und seine Neigung für die morgenländischen Sprachen führte ihn nach Hamburg, wo er sich unter der Leitung des berühmten Talmudisten Esra Edzard, eines Schülers von Johann Buxtorf, ausschließlich dem Studium des Hebräischen und Chaldäischen widmete Nach Jahresfrist in die von ihm geflohene Stadt zurückgekehrt, erlangte er die Magisterwürde und habilitirte sich 1683 in Jena, welche Universität er jedoch schon nach drei Jahren mit dem benachbarten Leipzig vertauschte. Hier schloß er sich an die Vertreter des Pietismus an , trat mit August Hermann Francke, dem bekannten Begründer des Halle'schen Waisenhauses, in nahe Beziehungen und lebte dann einige Zeit in Dresden in vertrautem Umgange mit Philipp Jacob Spener, dem anderen Haupte des deutschen Pietismus. Nachdem er, unterstützt durch ein Lübecker Stipendium, in Gemeinschaft mit seinem Freunde Francke noch den Unterricht des damals als Exegeten hochberühmten Kaspar

Hermann Sandhaufen zu Lüneburg genossen hatte, erhielt H. im J. 1688 einen Ruf als Geheimsecretär des Herzogs Rudolf August von Braunschweig, der ihm auch die Aussicht und Verwaltung der von ihm in Braunschweig und Hedwigsburg bei Wolfenbüttel gesammelten Privatbibliotheken übertrug. Schon nach zwei Jahren ward er durch die Gunst dieses gelehrten Fürsten, die ihm auch bis zu dessen Tode bewahrt blieb , an der Julius-Universität zu helmstedt als Professor der orientalischen Sprachen angestellt, ward später Propst des benachbarten Klosters Marienberg und Oberbibliothekar der verschiedenen mit der Universität vereinigten Büchersammlungen. Hier in Helmstedt hat er als weitberühmter Lehrer und überaus fruchtbarer Schriftsteller eine vielseitige Thätigkeit entfaltet und durch diese nicht wenig zu der damaligen Blüthe der Universität beigetragen, auch dann nach, als er im J. 1727 wegen vorgerückten Alters seiner eigentlich akademischen Stellung enthoben ward. Sein Tod erfolgte zu Helmstedt am 28. Februar 1746. — H. gehörte zu den vielseitigst gebildeten Männern seiner Zeit, doch trägt seine Gelehrsamkeit nur allzusehr den Charakter der Polyhistorie, und er war daher keineswegs auf alle den Gebieten, auf denen er sich als Schriftsteller versuchte, gleichmäßig zu Hause. Seine Schriften sind ungemein zahlreich — ein mir vorliegendes Verzeichniß derselben zählt, abgesehen von den durch ihn hinterlassenen Manuscripten, weit über 200 auf — und sie erstrecken sich über eine große Anzahl von Disciplinen. Seine Hauptstärke lag auf dem Gebiete der orientalischen Philologie. Die von ihm herausgegebenen Grammatiken der hebräischen und der chaldäisch syrischen Sprachen waren für jene Zeit musterhafte sprachliche hülfsmittel und haben eine große Anzahl von Auslagen erlebt. Eine hervorragende Kenntniß besaß er im Rabbinischen und Talmudischen, aber seine Ansichten über die Verwandtschaft der Sprachen waren völlig confus und unrichtig: sie beruht ten aus der irrigen Annahme, daß sämmtliche Sprachen des semitischen Stammes in dem Griechischen wurzelten und aus dieser Sprache abzuleiten seien. Eines nicht unbedeutenden Ruses erfreuete er sich auch als Exeget, obschon es ihm auf diesem Gebiete mehr auf frappante Einfälle und glänzende Combinationen als auf eine besonnene, sachgemäße Forschung ankam. Als Kirchenhistoriker hat er sich durch die Herausgabe seines großen Werkes über das Concilium zu Kostnitz ein bleibendes Verdienst erworben. Wunderlich und phantastisch, wie in seinen Büchern, ja selbst nicht ohne einen Anflug von Charlatanismus, war er auch in seinen Lebensgewohnheiten. Von seiner Geheimnißkrämerei und seinem absonderlichen, an das Närrische streifenden Wesen hat der ehrliche Uffenbach in seinen "Merkwürdigen Reisen" , in denen er übrigens der ausgebreiteten Gelehrsamkeit des Mannes die gebührende Anerkennung zollt, ein ergötzliches Bild entworfen.

v. heinemann.