Name: Haloander: Vorname: Gregor
Von 1523 —1529 genoß er vom Rathe seiner Vaterstadt das sogen. Schurtzauff'sche Stipendium: und diesem Umstande verdanken wir die sicheren Nachrichten über seinen Namen und manche Lebensverhältnisse. Einen freigebigen Gönner und Förderer seiner Studien fand er in dem gelehrten Julius von Pflugk, der ihn zur Jurisprudenz führte und seine Abneigung gegen die damals noch in der scholastischen Methode befangene Wissenschaft durch den Hinweis auf die zu hoffende Regeneration überwand. Bei ihm verweilte H. 1524 und 1525 längere Zeit in Zeitz, wo Pflugk die Domprobstei bekleidete. Hier mag wol der Plan eines längeren Studienaufenthalts in Italien gereit sein. Im Herbste 1525 trat H. die Reise an , durch Pflugk's Freigebigkeit unterstützt, von dem Zwickauer Rath mit einer doppelten Quote des Schurtzauff'schen Stipendiums und einem Darlehn von 87 1/2 Gulden ausgerüstet, wogegen er sich verpflichten mußte, nach seiner Heimkehr in den Dienst seiner Vaterstadt zu treten. Leider ist über diesen ersten Aufenthalt in Italien, der etwa 2 Jahre dauere, nichts Genaues bekannt. Ob H. in Florenz gewesen, bleibt ungewiß; als sicher darf man annehmen, daß er die längste Zeit in Bologna verweilte , wo J. Pflugk dem Philologen Bonamicus befreundet war, Hier gelang es ihm den handschriftlichen Nachlaß des Ludovicus Bologninus († 1508), welcher dem Dominicanerkloster gehörte, trotz des testamentarischen Verbots, ausgiebig zu benutzen. Ein befreundeter Dominicaner machte ihm die auf Polizian's Noten beruhende Collation der Florentiner Pandekten-Handschrift und Bologninus Abschrift des Florentiner Manuscripts der griechischen Novellen zugänglich. In Venedig genoß H. die Freundschaft des B. Egnatius, der ihm eine werthvolle Handschrift des Codex Justin. mittheilte. Im Laufe des Jahres 1527 kehrte H. mit reichem kritischen Apparat für eine neue Ausgabe des Corpus juris nach Deutschland zurück. Er kam nach Nürnberg, wo er in Wil. Pirkheimer, dem er durch Egnatius angemeldet und empfohlen war , den kräftigsten Förderer seiner Pläne fand. auf seine, durch die Gutachten anderer Gelehrten unterstützte, Empfehlung entschloß sich der Rath von Nürnberg für die Herstellung einer neuen Ausgabe der Justinianischen Rechtsbücher die freigebigste Beihülfe zu gewähren. auf drei Jahre erhielt H. Wohnung und Unterhalt in dem säcularisirten Egidienkloster, dazu Geldgeschenke im Betrage von 950 Gulden ; dem Drucker Petrejus wurden bedeutende Vorschüsse geleistet. In drei Jahren war das Werk vollendet: .,Digestorum s. Pandectarum libri quinquaginta", Noremb. 1529. 4 . "Institutionum s. Elementorum libri quatuor", Noremb. 1529. F" . ; "Codicis Justiniani ex repetita praelectione lihn duodecim", Noremb. 1530. fol.; "Novellarum constitutionum — volumen", Noremb. 1531. toi. Daneben besorgte H. eine Ausgabe von Epictets Enchiridion (1529), vermuthlich nach dem Venetianer Manuscript und entwarf ein chronologisches Verzeichniß der Consuln, welches er dem Codex anhängten — eine Arbeit , für deren Würdigung beachtet werden muß, daß damals die fasti capitolini noch nicht entdeckt waren. — Kaum hatte H. seine großen Arbeiten mit eisernem Fleiße und in stetem Kampfe mit den Gebrechen eines zarten Körpers vollendet, so trieb es ihn zu neuen Entdeckungen und Ergänzung der bisherigen nach Italien zurück; auch wollte er sich den Doctorhut aus Bologna holen. Im Frühjahr 1531 brach er auf. Aber gleich sein erster Eintritt in Italien ward durch einen Unfall getrübt. Während seine Freunde in Venedig den Ankommenden begrüßten, ward ihm beim Verladen des Gepäcks der größte Theil seiner Baarschaft gestohlen. Um Pfingsten kam er nach Ferrara zu den gelehrten Freunden Jacob Ziegler und Martin Richter, zog nach 4 Tagen weiter nach Bologna, von wo aus er sich in seiner Geldnoth, die seiner Promotion im Wege stand, an Petrejus in Nürnberg wendete. Anfangs August ist er wieder in Ferrara und benützt die 11 Tage seines Aufenthalts um ein seltenes Manuscript, welche's, wie es scheint, die Notitia dignitatum enthielt, abzuschreiben. Von Martin Richter begleitet setzt er seine Reise, deren Ziel Venedig war, wieder fort. Unterwegs erkranken beide Gefährten; mit Mühe erreichen sie Padua, wohin inzwischen der Philologe Bonamicus von Bologna übergesiedelt war. Bald kehrt Richter nach Ferrara zurück und H. gelangt einsam und nach leidend nach Venedig. Schon am Tage nach seiner Ankunft wird er vom Fieber befallen, das
unter der Behandlung eines unverständigen polnischen Arztes einen tödtlichen
Ausgang nimmt. H. starb am 7. Septbr. 1581: daß er dem heimlichen Gifte
eines habsüchtigen oder auf seine gelehrten Arbeiten neidischen Italieners erlegen
sei, ist ein damals allgemein verbreiteter Argwohn. Seine Papiere und Habseligkeiten
sind in diebische Hände gerathen und trotz vielfacher Bemühungen
nicht nach Deutschland gekommen. — H. ist der bedeutendste Herausgeber
juristischer Quellen , den Deutschland bis zur neuesten Zeit hervorgebracht hat;
aber seine Leistungen wollen allerdings nicht mit dem Maßstabe der heutigen
kritischen Methode gemessen sein. Es fehlt seiner Kritik sowol an festen klaren
Grundsätzen wie an der ausgebildeten Technik und daher bieten seine Ausgaben
für die heutige Texteskritik nur wenig brauchbares Material. Das Bedeutende
seiner Arbeiten aber liegt darin , daß er zum ersten Mal es gewagt hat den
Text der Justinian. Rechtsbücher auf einer von der scholastischen Tradition
völlig unabhängigen Grundlage vollständig herzustellen. Für die Pandekten
war zum ersten Mal das Florentiner Manuscript, für den Codex eine alte
von scholastischen Entstellungen nicht berührte Handschrift verwendet; die Novellen
erschienen hier zum ersten Mal im griechischen Texte, dem eine lateinische
von H. theils angefertigte, theils revidirte Uebersetzung beigegeben war. Er legt
bei seiner Recension mehr Gewicht auf Brauchbarkeit und Verständlichkeit der
Lesarten, als auf ihre äußere Beglaubigung. Das Correcte scheint ihm das
innerlich am besten Beglaubigte zu sein und er hält sich dadurch zu oft kühner
Conjecturalkritik berechtigt. Das Aussehen, welches Haloander's Editionen erregten
, war außerordentlich ; die Vertreter und Führer der Reform in der
Rechtswissenschaft priesen sie als das glücklichste Ereigniß, während sich allerdings
die Anhänger der alten Richtung ablehnend verhielten. Obgleich Alciat und
Anton. Augustinus später nachwiesen, daß H. nicht blos das Florentiner Manuscript,
sondern selbst die Papiere nicht unmittelbar benützt habe, blieb
sein Pandecten-Text doch in Ansehen, auch nachdem die 1553 in der
Ausgabe zum Abdruck gelangt war. Man unterschied seitdem drei
nebeneinander: Vulgata, Aehnlich verhielt
es sich mit den Novellen nach dem Erscheinen der Ausgabe
1558. Seine Ausgabe des Codex ist bis in die neueste Zeit eine anerkannte
Autorität geblieben. Erst die neuesten Editionen der Institutionen, Pandekten
und des Codex von Th. Mommsen und P. Krüger (1866-77) haben Haloander's
Arbeiten völlig in den Schatten gestellt; und dasselbe ist für die Novellen
von der durch R. Schöll vorbereiteten Ausgabe zu erwarten.Vgl. Conradi, Vita Haloandri. Parerga. Ed. 2 p. III—X. p. IV bis XX.
1740. Memoria Haloandri, 1739. Will. Nürnberg. Gelehrtenlex.
2, 23 ff., 6, 19 ff. Panzer, Pirkheimer's Verdienste um die Herausgabe
der Pandekten, 1805. Dirksen, Zur Würdigung der Verdienste Haloander's.
Hinterlassene Schriften, 2, 506 ff. — B. Schmidt, Symbolae ad vitam
G. Haloandri, Leipzig 1866. 4 '. Programm. —Flechsig, Gregor Haloander,
1872.
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