Name: Hagen: Vorname: Johann Philipp H., Director der Hebammenschule an der Charite zu Berlin, wurde am 24. Januar 1734 zu Tantzenhausen in Thüringen geboren, und verbrachte seine Kindheit unter sehr kümmerlichen Verhältnissen, da sein Vater , ein Taglöhner und dem Trunke ergeben, die Familie in bitterster Armuth zurückließ. Nach mannichfachen Schicksalen kam er 1748 zu einem Chirurgen in Frankfurt a. O. in die Lehre, und nach vier Jahren trat er als Gehülfe in einer Barbierstube in Berlin ein; die freie Zeit benutzte er zum Besuchen medicinischer Vorlesungen. Vom J. 1757 —68 sehen wir ihn als Lazareth-Chirurgus bei der Armee Friedrichs des Großen auf vielen Kreuz- und Querzügen begriffen, hieraus kehrte er nach Berlin zurück, hörte, von einem Freunde unterstützt, verschiedene Vorlesungen, so bei Meckel über Geburtshülfe und Physiologie, bei Pallas einen Cursum operationum chirurgicarum etc. und legte 1765 vor dem Obercollegium medicum sein Examen als Chirurg mit gutem Erfolge ab. Noch in demselben Jahre wurde er von dem Erbprinzen Peter von Curland zum Leibchirurgen ernannt, und siedelte im Januar 1766 nach Mitau über. Dort trieb er ziemlich viel geburtshülfliche Praxis, gerieth aber während der Krankheit und nach dem Tode des alten Herzogs in Mißhelligkeiten mit dessen Leibarzt, einem großen Charlatan, und wurde deshalb schon 1769 vom Erbprinzen seines Dienstes entlassen; er blieb aber noch bis 1772 in
Mitau und schlug alsdann sein Domicil wieder in Berlin auf, woselbst er für
1700 Thlr. eine privilegirte Barbierstube kaufte. 1774 wurde er von dem
Stadtmagistrate zum Chirurgus forensis ernannt mit der Obliegenheit, die in
dem Bordelle des Revis befindlichen Weibspersonen alle 14 Tage einer genauen
Untersuchung zu unterwerfen, welche Gelegenheit H. fleißig benutzte, um
seine Kenntnisse in der Anordnung der weiblichen Geschlechtstheile zu erweitern.
Nunmehr nahm seine Thätigkeit in der Geburtshülfe einen bedeutenden Umfang
an ; 1777 wurde er zum Assessor Chirurgiae beim Oberkollegium medicum ernannt
, und ihm 1779 nach dem Tode des Hofrath Henckel die Stelle eines
Hebammenlehrers übertragen. Hier betrieb er nun den geburtshülflichen unterricht
mit großem Eifer, hielt auch für die in Berlin studirenden Wundärzte
Vorlesungen, und suchte durch litterarische Leistungen das ihm lieb gewordene
Fach zu befördern; so schrieb er einen "Versuch eines neuen Lehrgebäudes der
praktischen Geburtshülfe durch viele Wahrnehmungen erläutert und bestätigt" ,
welches er in die Hebammenkunst oder gemeine Geburtshülfe und in die wissenschaftliche
oder eigentliche Geburtshülfe abtheilte; auch verfaßte er einen allgemeinen
Hebammenkatechismus oder Anweisung für Hebammen, Unterricht für
Schwangere, Gebärende und Wöchnerinnen; seine Schreibart aber ist ungemein
breit, und aus Unkenntniß mit der Litteratur hat er Vieles für neu ausgegeben,
was schon lange vor ihm ermittelt war. Hauptsächlich war es der operative
Theil der Geburtshülfe, den er cultivirte, denn aus einer Zusammenstellung von
1286 Geburten, die H. von 1772 —90 beendete, geht hervor, daß er 187 Mal
mit der Zange und 37 Mal mit dem scharfen backen dabei operirte. Verdienstlich
ist seine Lehre in Bezug auf die unvollkommene Fußgeburt, welche ohne
Lösung des zweiten Fußes beendet werden könnte. H. starb am 12. December
1792 , nachdem er seit seiner Ernennung als Hebammenlehrer in fortdauernden
Conflicten und verdrießlichen Händeln mit verschiedenen Collegen, namentlich an
der Charite, gelebt hatte.Eine sehr weitläufige Selbstbiographie von H. findet sich in Stark's
Archiv für die Geburtshülfe, Frauenzimmer- und neugebohrner Kinder-Krankheiten,
Band V, Buch 1 —4, 1793 —4.
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