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Name: Grimm:
Vorname: Friedrich Melchior, Baron von G.,
philosophischer Schriftsteller in französischer Sprache und diplomatischer Agent, geb. den 26. Decbr. 1723 zu Regensburg, gest. den 19. Decbr. 1807 zu Gotha , war der Sohn eines verdienten lutherischen Geistlichen zu Regensburg, geb. 1716, † 25. Aug. 1778, und erhielt seine Schulbildung auf dem dortigen Gymnasium.

Schon in den oberen Classen desselben beschäftigte er sich mit litterarischen Versuchen, die er an Gottsched sandte. Der bedeutendste darunter ist seine Bearbeitung des Romans von der Asiatischen Banise, die ganz Gottsched's Schule verräth, und von letzterem 1743 im vierten Theil seiner deutschen Schaubühne veröffentlicht wurde. Seine Studien vollendete G. zu Leipzig, er beschäftigte sich mit Philosophie, Rechtswissenschaft, alter und neuer Litteratur und schloß sich außer an Gottsched namentlich eng an Ernesti an. Nach vollendeten Studien wurde G. Secretär bei dem kursächsischen Reichstagsgesandten, dem Grafen von Schönberg, als solchen finden wir ihn 1745 bei der Wahl Franz I. in Frankfurt und auf dem Reichstage in Regensburg. Er befreite sich allmählich von dem Einfluß, den Gottsched auf ihn ausgeübt hatte, und suchte auf einem andern Gebiete, als dem der deutschen Poesie das Feld seiner litterarischen Thätigkeit. Schon sein gescheiterter Versuch Voltaire's memoire sur la Satire" für Deutschland herauszugeben, zeigt ihn auf dem Wege, der Vermittler zwischen französischer und deutscher Litteratur zu werden. Der Wunsch nach einer großstädtischen Existenz ließ ihn Ende 1748 oder Anfang 1749 als Begleiter eines Sohnes des Grafen Schönberg nach Paris gehen. Hier wurde G. zuerst Vorleser beim Herzog von Sachsen-Gotha, dann Secretär bei dem Grafen Friesen, dem Neffen des Marschalls von Sachsen und nach dessen Tode Cabinetssecretär beim Herzog von Orleans. Von hervorragender Bedeutung für Grimm's geistige Entwickelung und litterarische Thätigkeit wurde seine Bekanntschaft mit Rousseau, die Klüpfel, der Prediger des Herzogs von Gotha, bereits 1749 vermittelte. Gleiche Neigung für die

Musik fesselte beide Männer aneinander. Rousseau brachte G. mit Diderot, dem Baron von Holbach, d 'Alembert, der Frau von Epinay u. a. in Beziehung. Grimm's Verhältniß zu Gottsched wurde nun immer lockerer und hörte 1754 ganz auf, unterdessen lebte er sich in der höheren geistreichen Pariser Gesellschaft immer mehr ein , erwarb sich durch seine Kenntnisse und Talente auf dem Gebiet der Litteratur und Musik eine geachtete Stellung und wußte sich auch den Frauen interessant zu machen, wobei freilich unmännliche Eitelkeit und Sucht, Aufsehen zu erregen, mit unterlief. Als die italienische komische Oper zuerst nach Paris kam und sich die Pariser in zwei Parteien für und wider die neue Erscheinung spalteten, trat G. für die italienische Musik in dem geistreichen Schriftchen ein: "Le petit Prophete de Boehmischbroda" , Paris 1753 (verdeutscht von Gottsched's Frau). Ihm folgte: Lettre sur la musique française" , worin er seine Gegner mit glänzendem und schlagfertigem Witz abfertigte und der italienischen Musik zum Siege verhalf. Seine litterarische Hauptbedeutung gewann G. aber durch die Correspondenz, in die er von Paris aus mit auswärtigen Fürsten trat, denen er über französische Litteratur und Culturzustände berichtete. Um über seine Beziehungen zu Friedrich dem Großen, Gustav III. von Schweden und Katharina II. von Rußland hinwegzugehen, da wir noch keine unmittelbare Einsicht in dieselben besitzen, so ist seine bedeutendste Leistung die Correspondenz, die an den Herzog von Sachsen-Gotha gerichtet war bei der nahen Verbindung aber zwischen Gotha und Weimar, auch die leitenden Kreise der deutschen Litteratur mit der französischen in einen unmittelbaren Rapport setzte. Es ist dies die: "Correspondance littéraire, philosophique, critique addressée à un Souverain d'Allemagne par Grimm et Diderot", Paris 1812 —13. 16 Bde. Supplement, Paris 1814. Neue Ausgabe 15 Bde. Paris 1829. Deutscher Auszug 2 Bde. 1820 —23. Auf Veranlassung von Luise Dorothea, Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg hatte der Adhs Raynal 1747 Berichte über französische Litteratur- und Culturzustände zu schreiben begonnen (handschriftlich in Gotha). Seit 1753 setzte Grimm diese Berichte fort und führte dieselben bis 1792; wenn er durch diplomatische Reisen von Paris weggeführt war . vertrat Diderot seine Stelle. Besonderen Werth erhielt diese Correspondenz noch durch die Beilage vollständiger französischer litterarischer Werke, die nur auf diesem Wege nach Deutschland kamen. Aus diesen Beilagen übersetzte Goethe unter andern "Rameau's Neffe . Diese Berichte haben darum einen so hohen Werth, weil sie den Verlauf der wichtigen französischen Litteraturepoche von 1753 — 1792 im Spiegel deutschen Gemüthes und Geistes zeigen. Man hat G. mit Recht große Schmiegsamkeit und Hingabe in Auffassung der französischen Litteratur und Cultur, schlagfertiges und glänzendes Urtheil, Naivität und Frische des Vortrags nachgerühmt. Darum ist es mit Freuden zu begrüßen, daß gegenwärtig eine neue Ausgabe der Correspondenz vorbereitet Wird. — Wie bereits bemerkt , führten G. Reisen in diplomatischen Geschäften, so 1769 , 1773 mitunter von Paris in andere europäische hauptstädte. In Folge der Verdienste, die er sich durch diese Thätigkeit erwarb , wurde er 1775 von Wien zum Baron , 1776 vom Herzog zu Sachsen-Gotha zu dessen bevollmächtigten Minister am französischen Hofe ernannt. Die Revolution vertrieb G. aus Frankreich; 1792 begegnen wir ihm bei Fr. Jacobi in Pempelfort, wo ihn Goethe persönlich kennen lernte. Dann siedelte er sich in Gotha an. 1795 ernannte ihn Katharina II. zum Staatsrath und bevollmächtigten Minister beim niedersächsischen Kreise in Hamburg und Paul bestätigte ihn darin. Eine Krankheit aber, deren Folgen ihm das Augenlicht raubten, zwang ihn sich ganz von den Geschäften zurückzuziehen. Er starb fast erblindet in Gotha. Außer den genannten Schriften ist eine Dissertation und einige Briefe

von ihm gedruckt, deren Titel Meusel angibt. Handschriftliches ist in Petersburg zu suchen.Vgl. Gottsched und seine Zeit von Th. W. Danzel, Leipzig 1818. S. 343-354. — Correspondance von 1770. Tom. T. — Études sur Grimm par St. Beuve et Paulin Limayrac, Paris 1854.

Richter.