Name: Gersdorff: Vorname: Ernst Christian August v. G.,
Als er sich auf letztgenannter Universität durch ein Duell 1803 das consilium abeundi zugezogen hatte, trat er als Lieutenant in die kursächsische Garde du Corps; indeß gab er die militärische Laufbahn bald wieder auf und lebte dann , mit mannigfachen Studien beschäftigt, theils auf seinem Gute Alt Seidenberg, theils in Herrnhut, theils bei einem Schwager in Kurland, bis er 1807 durch Empfehlungen der Brüdergemeinde ins Haus des Kanzlers v. Damnitz zu Eisenach kam, mit dessen Tochter er sich kurz darauf verlobte. Seit Ende des J. 1807 Assessor in Eisenach und seit 1808 Rath beim Regierungscollegium und der Landespolizeidirection daselbst, wurde er 1810 als Geh. Assistenzrath nach Weimar berufen, wo er bald nachher zugleich Vicepräsident des Landschafts- und Präsident des Kammercollegiums wurde. 1814-15 hatte G. das Interesse des weimarischen Landes auf dem Wiener Congresse zu vertreten, und er that nicht blos dies mit ebenso vielem Geschick, als patriotischem Eifer, sondern übte auch einen nicht unwesentlichen Einfluß auf die Verhandlungen über die Gestaltung der deutschen Bundesverhältnisse im allgemeinen aus. Insbesondere gelang es ihm, den von den Bevollmächtigten der größeren deutschen Staaten gefaßten Plan, nach welchem Deutschland in fünf Kreise unter je einem Kreisobersten getheilt werden sollte, durch die Bildung eines engeren und weiteren Bundesraths zu verdrängen, und er setzte es durch, daß die Stadt Mainz, auf welche Baiern Absichten hatte, zur Bundesfestung erklärt wurde. Für das Haus Sachsen-Weimar erlangte er ziemlich leicht die Anerkennung der großherzoglichen Würde. Dagegen erfolgte die Entschädigung des weimarischen Staates für den mittelbaren Verlust des sächsischen Kurkreises nicht ganz nach seinen Wünschen. Diese Angelegenheit gestaltete sich schließlich so, daß Weimar das ihm zugedachte fuldaische Gebiet mit Ausnahme einiger Aemter an Kurhessen abtrat und dafür einige ans Fürstenthum Eisenach grenzende, bisher kurhessische Aemter, sowie das vormalige reichsritterschaftliche Gebiet von Lengsfeld etc. erhielt und daß G. am 1. Juni 1815 einen Vertrag mit Preußen abschloß, durch den Weimar mit dem Neustädter Kreise, dem Blankenheimer Gebiete und einigen anderen kleineren Distrikten abgefunden wurde. Den am 28. Sept. 1815 in Paris ratificiren Vertrag überreichte G., inzwischen bereits zum Geh. Rath ernannt , persönlich dem Großherzoge Karl August in Darmstadt, von wo er dann mit demselben nach Weimar zurückkehrte. Er brachte übrigens für seine Person die feste Ueberzeugung mit, daß ein Staat, wie Weimar, sein Heil nur in einem Anschlusse an Preußen zu suchen habe, ja daß die Zukunft ganz Deutschlands hauptsächlich von Preußen abhänge. Im April 1816 betheiligte sich G. an den Berathungen über eine neue Verfassung, welche von den Landtagsabgeordneten im Residenzschlosse zu
Weimar gepflogen wurden und deren Ergebniß das am 5. Mai desselben Jahres
publicirte Grundgesetz war. Mit großer Umsicht widmete er sich sodann, zumal
nachdem ihm im April 1818 die Leitung des landschaftlichen Finanzhaushaltes
übertragen worden war, einer neuen Ordnung der finanziellen Verhältnisse des
Staates. Die betreffenden Resultate, die er 1821 in einem Aufsatze "Ueber die
Bedeutung des Kammervermögens im Staatshaushalte des Großherzogthums
Sachsen Weimar" beleuchtete, bestanden darin , daß die Bestimmung und die
Verwaltung des fürstlichen Kammervermögens an gesetzliche Normen gebunden,
die Tilgung der Landesschulden geordnet, die Oberkammercasse aufgehoben und
den Landständen eine Controle der Kammerverwaltung eingeräumt wurde. Auch
den vielfachen Mängeln des Kammerrechnungswesens suchte er abzuhelfen und
nicht minder widmete der rastlos thätige Mann seine Aufmerksamkeit der Steuerverwaltung;
in letzterer Beziehung ist namentlich die 1822 erfolgte Einführung
der Einkommensteuer hervorzuheben. Und wie er sich hierbei durch viele Gegner
nicht hatte beirren lassen, so betrieb G. auch den, seiner Ueberzeugung nach,
heilsamen Anschluß Weimars an das preußische Zollsystem; derselbe vollzog sich
1833. Dagegen scheiterte sein mit gewissenhaftester Berücksichtigung der verschiedenartigsten
Interessen ausgearbeiteter Plan für die Ablösung der grundherrlichen
Gerechtsame des landesfürstlichen Kammerfiscus an der revolutionären
Bewegung des 3. 1848. Diese führte auch den Abschluß seiner ganzen öffentlichen
Wirksamkeit herbei. Am 13. März 1848 nahm er seine Entlassung aus
dem Staatsdienste, um fortan in stiller Zurückgezogenheit zu leben, wenn er
auch die Bestrebungen und Kämpfe der Zeit stets mit regem Interesse verfolgte;
ließ er doch selbst noch 1850 eine Schrift "Ueber Preußens erbliche Pairschaft"
erscheinen. Im October 1852 erkrankte er und wenige Wochen darauf erlag er
einem Schlagfluß. Trefflich beanlagt und durch fleißiges Studium in den Besitz
einer gediegenen Bildung gelangt, der er auch in den Mußestunden, die ihm
seine Amtsthätigkeit ließ, stete Nahrung gab (1822 veröffentlichte er eine Uebersetzung
des "Philoktet" von Sophokles), reich an Lebenserfahrungen, wie an
Welt- und Menschenkenntniß, besaß G. auch einen edlen Charakter, einen hohen,
der Gerechtigkeit nie verschlossenen Sinn und ein warmes Herz. Diese Eigenschaften
wirkten bei seinem zur Heftigkeit neigenden Temperamente ausgleichend
und machten, in Verbindung mit Umsicht und Energie, seine staatsmännische
Wirksamkeit zu einer sehr verdienstvollen. Nach dem Tode seiner ersten Frau
hatte er sich 1817 mit Diana , verwittw. Freifrau v. Pappenheim, geb. Gräfin
Waldner v. Freundstein, vermählt, die ihm 1844 wieder entrissen wurde. Aus
seiner ersten Ehe hinterließ er einen Sohn, den jetzigen preußischen Hauptmann
a. D. Freiherrn Karl v. G. (geb. am 7. Mai 1811) der als Besitzer von
Ostrichen in der preußischen Oberlausitz Mitglied des preußischen Herrenhausen
ist. Seiner zweiten Ehe war eine Tochter, Cäcilie , entsprossen, die sich 1842
mit dem nachmaligen sächsisch weimarischen Oberhofmarschall Grafen Friedrich
v. Beust verheirathete. In deren Nähe verbrachte er den Abend seines Lebens.Stichling , E. Christ. Aug. v. Gersdorff, Weimar 1853. N. Nekr. d.
Deutschen, Jahrg. XXX. 2. Thl., S. 738 ff. Ersch u. Gruber, Allg. Encykl.
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