Name: Schwarz: Vorname: Sibylla S.,
Ihr Vater Christian S. wie die Mutter Regina Völschow, Wittwe des Bürgermeisters J. Brunnemann, einem alten städtischen Patriciergeschlecht angehörig, wurde, gleich seinen Vorfahren, Mitglied des Rathes, 1610 Rathsherr und von 1631-48 Bürgermeister und Landrath. Da Sibylla's Leben in die Zeit des dreißigjährigen Kriegs fällt, so wurde ihr poetisches Schaffen wesentlich durch denselben bestimmt und spiegelt jene traurigste Zeit Deutschlands wieder. Am 30. November 1627 rückte Wallenstein'sches Kriegsvolk in Greifswald ein und hielt dasselbe vier Jahre hindurch besetzt. Mit demselben kamen alle Greuel und Leiden des Krieges über die unglückliche Stadt, noch vermehrt durch den Ausbruch einer Seuche; erst mit dem Einzuge Gustav Adolf's am 17. Juni 1631 kam den geängstigten Einwohnern die Befreiung. Unter diesen Leiden und Weltereignissen wuchs Sibylla auf als ein eigenartiges Kind; selbst in ihre Familie griff das Unglück mit schwerer Hand, indem ihr Schwager Christoph Bünsow (1629) und ihre Mutter (1630) bald hinter einander starben; der tiefe Seelenschmerz der Tochter klingt noch in einem fünf Jahre später verfaßten Gedichte wieder. Dazu kam, daß der Vater drei volle Jahre in Besorgung von Landesgeschäften zu Stettin abwesend war und seinem Hause nicht mit Rath und That in so drangvoller Lage beistehen konnte. Bald nach seiner Heimkehr verheirathete sich ihre verwittwete Schwester Regina zum zweiten Male mit dem Generalsuperintendenten v. Krakewitz. Bedeutsam für die junge Dichterin wurde die im Jahre 1634 erfolgte Ankunft des jungen Herzogs Ernst von Croy und Arschott, welcher auf der Landeshochschule den Studien obliegen wollte, sofern sie, die von ihrem 10. Jahre ab sich in der Stille poetisch versucht hatte, zum ersten Mal an jenem Tage mit einem Gedichte zur Begrüßung des jungen Herzogs, der als Sohn von Anna v. Croy Bogislaw's XIV. Neffe war. in die Oeffentlichkeit trat. Seine Einführung in das ihm von der Universität übertragene Rectoramt (3. Nov.) feierte dagegen Sibyllens Vater in lateinischen Versen. Einen wohlwollenden Beurtheiler und Förderer ihrer dichterischen Versuche fand Sibylla an dem Arzt und Professor der Mathematik J. Schöner, einem vielseitig und fein gebildeten Manne, welcher sie gegen mißgünstige Auffassung von Seiten ihrer Angehörigen und Freundinnen in Schutz nahm und darum ihre ungetheilte Verehrung genoß. Derselben gab sie beim Tode seiner Gattin, 18. Nov. 1634 durch ein Trostgedicht an ihn und die verwaisten Kinder den entsprechenden Ausdruck; auch dem jüngsten Kinde widmete sie bei dem Tode desselben einen poetischen Nachruf. Vornehmlich den Empfindungen der Liebe und Freundschaft gab sie in ihrer Poesie einen treuen und warmen Ausdruck, welcher sich mitunter zu edlem Pathos steigert, doch hielt sich ihre Muse von Sarkasmen nicht frei. berben Spott offenbart das Gedicht An den unadligen Adel" , in welchem sie sich gegen leere Formen und hohle Aufgeblasenheit wendet. Auch als ihr Freund Schöner (1. Nov. 1636) mit
Elisabeth v. Stetten eine neue Ehe einging, feierte Sibylla diesen Act mit einem
Festgedicht voll sarkastischer Laune. Bei aller Verschiedenheit jedoch im einzelnen
klingt vernehmlich genug ein Grundton durch ihre Dichtungen wieder, das durch
den Krieg heraufgeführte Unglück ihres Landes sowie ihrer Familie, und immer
aufs neue stellt sie wehmüthige Betrachtungen darüber an. Als mit dem Tode
Bogislaw's XIV. am 10. März 1637 das einheimische Herrscherhaus erlosch und
Pommern an Schweden fiel, dichtete Sibylla den Trauergesang auf ihres letzten
Landesfürsten Tod. Mit besonderer Vorliebe besang sie das nahe bei Greifswald
an der See gelegene Gut Frätow; dieselbe erklärt sich dadurch, daß sie dort fern
von dem Gewirr und der Noth der Stadt im Kreise trauter Freundinnen den
Frieden und die Ruhe der Seele fand. Dorthin versetzt sie den ganzen Helicon,
hier läßt sie sogar die Venus aus den Fluthen steigen. Aber auch jenes idyllische
Asyl nahm ihr der Krieg, indem es von der schwedischen Soldatesca eingeäschert
ward, sodaß sich die Dichterin nach Greifswald flüchten mußte. Dies Ereigniß
stellte sie in einem Trauerspiel dar, in welchem sie den ganzen Olymp zur
Mitfeier aufbot. Nunmehr war ihr das einzige und letzte Sorgenfrei genommen,
in der Welt hatte sie fortan keinen Halt mehr. Ihr Schwanenlied war ein
Gedicht auf die endlich zu Stande gekommene Verbindung ihrer Schwester
Emerentia mit dem Dr. Hermann Querinus. Nach kurzem Krankenlager starb
sie in ihrem noch nicht vollendeten achtzehnten Lebensjahre am Hochzeitstage
ihrer Schwester. In dem südlichen Chorumgange der Nicolaikirche zu Greifswald
hängt ein Epitaphium der Familie Schwarz, auf welchem unter einer Copie
nach Rembrandt, welche Christus vor Pilatus darstellt, die Mitglieder der
Familie Schwarz abgebildet sind; in der Mitte zwischen dem Vater und der
Mutter kniet Sibylla, gleich ihren Eltern, ihren vier Brüdern und zwei Schwestern
die Hände zum Gebet gefaltet. Von Dichtern und Dichterfreunden der zweiten
Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts als zehnte Muse, als großer Geist und
Wunder ihrer Zeit gepriesen, wird sie auch in den neuesten Lehrbüchern bis auf
Koberstein und Gervinus herab noch immer mit Ehren neben ihrem Meister
Opitz in der ersten schlesischen Dichterschule genannt. Eine "Cypresse" hat ihr
der heimathliche Sänger Karl Lappe in den "Blüthen des Alters" Stralsund
1841, S. 170 gewidmet.Wöhler in der Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde,
Jahrg. XV, Seite 70 —89. — Giesebrecht, Ueber einige Gedichte der Sibylla
Schwarz. Stettin 1865. — Sih. S. ' Gedichte aus ihren Handschriften,
herausgegeben durch Samuel Gerlach, Danzig 1650. — Kosegarten, Geschichte
der Universität Greifswald, Greifswald 1857.
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