Name: Ratbod:
| R., seit etwa 680 bis zu seinem |
Tode 719 König der Friesen,
beherrschte bei seinem Regierungsantritt den ganzen Küstenstrich der Nordsee von
den Rheinmündungen bis zur Mündung der Weser in vollster Unabhängigkeit, ja
mit der Tendenz, sein Gebiet südwärts weiter auszubreiten. Dadurch mußte er
mit den nordwärts strebenden Franken in Zusammenstoß gerathen, und dieser
Kampf gibt ihm, gleich anderen germanischen Stammesfürsten jener Zeit, das
historische Gepräge: durch Abwehr der Fremdherrschaft und des Christenthums
widersetzt er sich dem zugleich politischen und religiösen Einigungswerke des
Frankenreichs, zunächst Austrasiens, bei dessen Bekämpfung ihm die innere
Zwietracht der Franken, ja selbst ein Bündniß mit Neustrien zu statten kommt.
Sein nächster Vorgänger, Aldgisl, der erste geschichtlich beglaubigte Friesenkönig,
hatte friedlichere Beziehungen unterhalten; offenbar im Einverständnisse mit
Dagobert II. und im Gegensatze zu Neustrien, hatte er 677 den angelsächsischen
Glaubensboten Wilfried freundlich aufgenommen, ihm die Predigt gestattet und
ein gegen ihn gerichtetes Schreiben des neustrischen Majordomus Ebroin vor
Aller Augen ins Feuer geworfen; ja schon zur Zeit Dagobert's I. hatte man in
Südwestfriesland, besonders in Utrecht, mit Bekehrungsversuchen begonnen. R.
dagegen löst jede Verbindung und steht bereits 689 bei Wyk-de Duerstede, an
den Ufern des Rheins. dem Beherrscher des gesammten Frankenreichs, dem Sieger
von Testri, Pippin dem Mittleren, kampfbereit gegenüber. Er unterliegt und
muß Westfriesland an den Sieger abtreten. Hier beginnt gleich 690 der berühmte
Wilbrord als Bischof von Utrecht seine Missionsarbeit. R., auf Mittel-
und Ostfriesland beschränkt, findet sich in die veränderte Lage; seine Tochter
Teutsinda vermählt sich mit Grimoald, dem Sohne Pippin's; ein neustrischer
Missionar, Bischof Wulfram v. Sens, findet Zutritt in seine eignen Lande und
unternimmt es sogar, ihn selbst für das Christenthum zu gewinnen. Die schöne
Erzählung freilich, wie R., nur um im Jenseits nicht von seinen Vorfahren getrennt
zu sein, die Taufe zurückgewiesen habe, ist leider, wie noch manches andere
anmuthige Geschichtchen, als Mittheilung späterer Quellen, in das Bereich der
Sage zu verweisen. Daß die damalige Missionsthätigkeit jedoch bei den Unterthanen
Ratbod's nicht ganz erfolglos blieb, beweist das Beispiel der Familie
Liudger's, des Friesenapostels unter Karl dem Großen. Ratbod's eigene Gesinnung
trat erst 714 wieder hervor, als Grimoald (durch die Mörderhand eines Heiden,
den nur Spätere als Friesen und selbst als Werkzeug Ratbod's bezeichnen) und
kurz darauf auch dessen Vater Pippin aus dem Leben geschieden waren. Den
nun entstehenden Doppelzwist, Karl Martell's mit seiner Stiefmutter Plectrudis
und Beider zugleich mit Westfrancien, benutzt R. zur Wiedergewinnung des einst
verlorenen Gebietes, wo er sogleich die Kirchen niederreißt und heidnische Altäre
errichtet, und zu einem Einfall in Austrasien, wo er zu Schiffe bis Köln vordringt.
Er verfährt dabei im Einvernehmen mit den Neustrien, die auch ihrerseits einen
Angriff auf das Östreich machen. Karl wendet sich gegen beide Feinde; von
Seiten Ratbod's erleidet er eine Niederlage und schweren Verlust, die Neustrier
überfällt er bei Ambleve, schlägt sie bei Vincy und verfolgt die Fliehenden bis
Paris. Nur unbeglaubigt ist die Meldung, daß er schließlich auch R. noch
besiegt und wieder unterworfen habe. Gerade in jenen Jahren erschien der
größte der angelsächsischen Apostel, Bonifatius, auf friesischem Boden und vor
R. selbst; er mußte sich von der Fruchtlosigkeit seines Beginnens überzeugen
und kehrte vorerst wieder nach England zurück. Im wiedererlangten Vollbesitze
seines Landes und seiner Selbständigkeit starb R. im J. 719. Mit im aber
endete der hartnäckige nationale und religiöse Widerstand gegen die Frankenherrschaft.
Wohl konnten Karl Martell und Karl der Große nur schrittweise nach
erneuten Kämpfen das ganze Friesenland sich unterwerfen; aber noch vor Ablauf
des Jahrhunderts bildete dies einen integrirenden Theil des Frankenreiches, und
die Friesen leisteten gleich den andern deutschen Stämmen ihrem großen Könige
willige Heeresfolge auf allen seinen Zügen.Wiarda, ostfriesische Geschichte I. — Rettberg, Kirchengewichte Deutschlands
II. — Bonnell, die Anfänge des karolingischen Hauses. — Breysig-Karl
Martell. — O. Klopp, Geschichte Ostfrieslands I. — v. Richthofen,
zur Lex Frisionum (Mon. Germ. hist. Legg. T. III). — G. Richter, Annalen
der deutschen Geschichte im Mittelalter I, u. a. m.
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