Name: Platner: Vorname: Ernst P.
1747 starb (s. u.), fand einen liebevollen Pflegevater an dem Philologen Joh. Aug. Ernesti, welcher ihn vorerst (1753) einem befreundeten Gymnasiallehrer in Altenburg überwies und dann (1755) an der Thomasschule, deren Rector er war, selbst unterrichtete. Als Ernesti 1759 eine Universitätsprofessur übernommen hatte, besuchte P. das Gymnasium zu Gera, von wo er 1762 an die Universität seiner Geburtsstadt überging. Im J. 1766 erwarb er in der philosophischen Facultät den Doctorgrad nebst venia legendi und nachdem er 1767 auch in der medicinischen Facultät promovirt hatte, trat er eine Reise an, bei welcher er sich längere Zeit in Straßburg, hierauf in Paris und dann in Belgien aufhielt. Im J. 1770 wurde er außerordentlicher Professor in der
medicinischen Facultät und im J. 1780 ordentlicher Professor der Physiologie;
außer letzterer vertrat er in den Vorlesungen auch Augenheilkunde und gerichtliche
Medicin, daneben aber las er zugleich über Logik, Metaphysik, praktische
Philosophie und Aesthetik. Daß seine Vorträge damals äußerst fesselnd auf die
Studirenden wirkten, wird einstimmig gerühmt, in späteren Jahren aber war
hierin eine Abnahme sichtlich, und als er 1801 als außerordentlicher und bald
darauf als ordentlicher Professor auch der philosophischen Facultät angehörte,
stand er in diesem Gebiete bereits nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Auch
seine reiche schriftstellerische Thätigkeit war mit dem Jahre 1800 fast gänzlich
beendet. Nachdem er noch 1817 sein Docentenjubiläum begangen, wurde er im
Mai 1818 geisteskrank und hinzutretende körperliche Leiden brachten eine baldige
Erlösung. — Dem Gebiete der Philosophie gehört unter den Schriften Platner's,
was die Anzahl betrifft, nur der kleinste Theil an, nämlich: "Anthropologie
für Aerzte und Weltweise" (2 Theile, 1772 —74, 2. Aufl. 1790), sodann das
Hauptwerk "Philosophische Aphorismen" (2 Bände, 1776 —82, eine neue Bearbeitung
des 1. Bandes 1784, und eine Umarbeitung des Ganzen in 2 Bänden
1793-1800), daneben "Ueber den Atheismus" (1781, 2. Aufl. 1783), ferner
"Spes immortalitatis animorum per rationes physiologicas confirmata" (1791),
schließlich "Lehrbuch der Logik und Metaphysik (1795), eigentlich nur eine für
die Vorlesungen bestimmte Wiederholung eines betreffenden Abschnittes der
Aphorismen. Er hatte sich zunächst völlig an Leibniz angeschlossen und konnte
mit Recht als ein hervorragender Anhänger desselben gelten, da er mit einer
feinen Auffassung der Hauptfragen auch reiche Kenntnisse in der Geschichte der
Philosophie verband. Allmählich aber machte er eine Wendung, und sowie ihm
schon von Anfang an die Frage über den Vorzug der prästabilirten Harmonie oder
des sog. influxus physicus als gleichgiltig erschienen war, wofern nur die subjectiv
praktische Bethätigung und die daraus folgende Glückseligkeit des Menschen
gewahrt bleibe, so gelangte er in den Neubearbeitungen der Aphorismen schließlich
dazu, die ganze Leibniz'sche Lehre in den Bereich der bloß subjectiven Vorstellungen
zu ziehen und in objectiver Beziehung einen ausgesprochenen Skepticismus
zu bekennen. So galt ihm nur die Anthropologie als eine zur Wahrheit
befähigte Wissenschaft, und indem er insbesondere die Religion als ein
Ergebniß unklarer Vorstellungen betreffs eines höchsten Wesens betrachtete, womit
die praktische, zur Glückseligkeit führende Selbsterkenntniß überhaupt Nichts zu
schaffen habe, näherte er sich entschieden den Aufklärern, mit welchen er bezüglich
ihres Deismus sowie in jener eigenthümlichen Teleologie übereinstimmte, deren
Maßstab bei Betrachtung des Universums die menschliche Glückseligkeit war.
Bei grundsätzlicher Scheidung zwischen Religion und Moral galt ihm jene selbstständige
Tugendübung als die höhere, welche nicht durch den Hinblick auf göttliche
Gebote oder auf ein Lohnsystem geleitet ist, so daß hiermit auch der
Atheismus keine Gefahr für wahrhafte Sittlichkeit in sich berge. Die Erkenntnißlehre
aber entwickelte er in näherer Anlehnung an den Leibniz Wolffischen
Standpunkt. In der letzten Bearbeitung der Aphorismen bekämpfte er Kant,
indem er in scharfsinniger Weise die meisten jener Punkte erörterte, welche auch
noch heutzutage zu grundsätzlichen Bedenken Veranlassung geben; über die nachkantische
Philosophie aber äußerte er sich in keiner Weise.H. G. Kreußler, Autobiographien Leipziger Gelehrten (1810), S. 45. —
Jenaische Lit. Zeitg. 1819, Intelligenzbl. 38. — Ernesti Platner Quaestiones
medicinae forensis . . . , vitam Platneri adiecit Lud. Choulant (1824), woselbst
auch sämmtliche Schriften Platner's angeführt sind. — Max Heinze,
Ernst Platner als Gegner Kant's (1880 Programm zur Francke-Stiftung).
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